Appel der Deutschen Bundeswehr in der Mainfranken-Kaserne in Volkach / picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Rüstung – Europa allein zu Haus. Teil 2 - Neue Wege zur Rüstungsfinanzierung in Deutschland

Verschuldung zur Finanzierung der Aufrüstung dürfte erhebliche Probleme bringen. Diese Probleme könnten verringert werden, wenn die Bundesregierung einen neuen Weg zur Rüstungsfinanzierung einschlagen würde: die Ausgabe einer digitalen Münze.

Thomas Mayer

Autoreninfo

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Davor bekleidete er verschiedene Funktionen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers und – bevor er in die Privatwirtschaft wechselte – beim Internationalen Währungsfonds in Washington und Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Thomas Mayer promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und hält (seit 2003) die CFA Charter des CFA Institute. Seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten-Herdecke. Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Die Vermessung des Unbekannten“ (2021) und „Das Inflationsgespenst“ (2022).

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Im ersten Teil meines Beitrags habe ich gezeigt, dass sowohl die gemeinsame als auch die einzelstaatliche Verschuldung zur Finanzierung der Aufrüstung erhebliche Probleme bringen dürften. Diese Probleme könnten für Deutschland verringert werden, wenn der deutsche Staat einen neuen Weg zur Rüstungsfinanzierung einschlagen würde: die Ausgabe einer digitalen Münze.

Nehmen wir an, der deutsche Staat würde einen Fonds zur Rüstungsfinanzierung (RF) aufsetzen. Der RF-Fonds emittiert den digitalen Taler. Wie andere digitale Münzen ist auch der Taler weder ein Schuldtitel noch Schuldgeld, da er nicht in Euro zu einem festen Kurs vom Staat zurückgezahlt wird. Weil er jedoch vom Staat ausgegeben wird, ist er vom Charakter her Staatsgeld, auch wenn er nicht zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wird – diesen Status hat ja schon der Euro inne. Wie schon Adam Smith beschrieben hat, erhält der Taler dadurch dennoch „some additional value“.

Das Angebot an Talern wird durch die dafür entstehende Nachfrage bestimmt. Um diese abzuschätzen, stützen wir uns auf die Fiskalische Theorie des Preisniveaus. Abstrahiert man von der Ausgabe von Anleihen, wird in dieser Theorie der reale Wert des Staatsgeldes gedeckt durch den Gegenwartswert aller in der Zukunft erwarteten realen Überschüsse des Staatshaushalts. Im RF-Fonds stehen für diese Überschüsse Rückkäufe von Talern durch den deutschen Staat. Die anfängliche im Markt absetzbare Ausgabe von Talern zur Rüstungsfinanzierung kann demnach durch den Gegenwartswert dieser Rückkäufe bestimmt werden. Mit plausiblen Annahmen lässt sich dieser Wert – und damit das Volumen des RF-Fonds – auf eine knappe Billion Euro schätzen

Marktkurs des Talers

Vermutlich wäre der Taler für eine breite Käuferschicht attraktiv, weil die Geldmenge in Talern auf den realen Gegenwartswert der Rückkäufe begrenzt ist (und langfristig wegen der Rückkäufe sogar sinkt). In diesem Fall bleibt die langfristig erwartete Kaufkraft des Talers stabil (oder würde wegen der Rückkäufe steigen), während die Kaufkraft des Euro bei einem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent auf die lange Sicht gegen null tendiert. Würde der Marktkurs des Talers nach der Erstausgabe deshalb gegenüber dem Euro steigen, könnten zwar mehr Rüstungsgüter gekauft werden. Aber der Gegenwartswert der Rückkäufe in Euro würde auch steigen und der Staat müsste dafür einen höheren Betrag in Euro budgetieren. 

Um das Wechselkursrisiko zu verringern, könnte sich der Staat daher die Option einräumen, künftig Steuern auch in Talern zu erheben, wobei der Wechselkurs zum Euro auf die anfängliche Parität festgelegt würde. Zur Sicherung ihres Währungsrisiko würden die Steuerzahler vermutlich gleich zu Anfang Taler nachfragen. Weiterhin könnte der Staat den Rüstungsfirmen anbieten, Lieferverträge in Talern abzuschließen. Erwarten sie eine Aufwertung des Talers, wäre diese Option für sie lukrativ. Die Rüstungsfirmen würden dadurch zur Verteilung der Taler beitragen, wenn sie diese verkaufen, um ihre Kosten in Euro zu decken.

Widerstand anderer Euroländer

Der Vorteil einer Finanzierung der Aufrüstung durch die Ausgabe einer digitalen Münze bestünde für Deutschland in der Vermeidung einer höheren Verschuldung im traditionellen Sinne. Europäische Schuldenregeln und die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse würden durch die der Eigenkapitalfinanzierung ähnliche Münzenemission nicht tangiert. Ein Nachteil bestünde in einem möglichen Zinsanstieg für die Anleihefinanzierung, wenn Anleger den Taler klassischen Bundesanleihen als Mittel zur Wertaufbewahrung den Vorzug geben würden. Allerdings könnte dieser Nachteil begrenzt werden, wenn die Finanzierung von der Emission von Anleihen zur Emission von digitalen Münzen wandern würde. 

Der größere Nachteil dürfte im politischen Widerstand anderer Euroländer bestehen, darunter vor allem Frankreich. Die hoch verschuldeten Euroländer könnten in der Emission einer digitalen Münze in Deutschland eine Konkurrenz zum Euro entstehen sehen. Ein Rückzug Deutschlands aus dem Euro – auch wenn er nur teilweise wäre – würde den Transfer der Bonität Deutschlands auf Frankreich und andere hoch verschuldete Eurostaaten einschränken und könnte ihn schließlich sogar beenden.

Dringender Nachholbedarf

Europa muss aufrüsten, um der militärischen Bedrohung durch Putin-Russland und dem Rückzug der USA als Schutzmacht zu begegnen. Die Finanzierung dürfte vorwiegend durch die Aufnahme neuer Schulden erfolgen. Eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme in der Europäischen Union wäre für die hoch verschuldeten Eurostaaten nur dann lukrativ, wenn Deutschland seine Bonität durch fiskalpolitische Austerität erhalten würde. In den vergangenen 25 Jahren hat der deutsche Staat den Transfer seiner Bonität zu den anderen Eurostaaten dadurch erreicht, dass er die Ausgaben für öffentliche Infrastruktur und militärische Verteidigung sträflich vernachlässigt hat, um die deutsche Verschuldung gering zu halten.

Aufgrund des Nachholbedarfs bei öffentlicher Infrastruktur und Verteidigung müsste Deutschland seine Bonität künftig durch einen drastischen Abbau des Sozialstaats wahren. Es dürfte jedoch politisch schwer zu vermitteln sein, dass Deutschland seine Sozialausgaben verringern muss, damit die hoch verschuldeten Eurostaaten zu niedrigen Zinsen weitere Schulden aufnehmen können. Ob die Parteien der „demokratischen Mitte“ den deutschen Bürger beim Transfer deutscher Bonität an andere Staaten weiterhin hinter die Fichte führen können, ist zweifelhaft. Sollten die Bürger es begreifen, würde die AfD davon noch mehr profitieren.

Schuldenaufnahme zur Aufrüstung

Wenn die Schuldenaufnahme zur Aufrüstung einzelstaatlich erfolgen würde, wäre zu erwarten, dass die EZB die Schuldzinsen für hoch verschuldete Eurostaaten einhegen müsste. Die Folge wären höhere Inflation und der Verfall des Euro. Ein Muster für diese Entwicklung wäre die Finanzierung des Vietnamkriegs in den USA von Mitte der 60er bis in die 70er Jahre. Ob die Währungsunion langfristig den Verfall des Euro überleben könnte, ist ebenfalls zweifelhaft.

Zur Wahrung der Interessen deutscher Bürger wäre die Finanzierung der Aufrüstung in Deutschland durch die Ausgabe einer digitalen Münze sinnvoll. Die Schaffung eines deutschen Talers würde aller Wahrscheinlichkeit nach auf den erbitterten Widerstand Frankreichs stoßen, weil damit der Transfer deutscher Bonität bedroht wäre. Eine deutsche Interessenvertretung sollte aber für den Verzicht auf eine digitale Münze und den Bonitätstransfer zumindest einen Preis verlangen: zum Beispiel die Ausweitung des französischen militärischen Nuklearschirms auf ganz Europa.

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Walter Buehler | Sa., 22. Februar 2025 - 15:16

wirklich sehr nett, eben mit §some additional value"

"In dieser Theorie [wird] der reale Wert des Staatsgeldes gedeckt durch den Gegenwartswert aller in der Zukunft erwarteten realen Überschüsse des Staatshaushalts."

Herrlich!

Ja, wann wird es denn einmal reale Überschüsse des deutschen Staatshaushaltes geben??

Cum Ex et hoppla - schon ist's Geld da!

Oder früher: "Wir versaufen unsrer Oma ihr klein Häuschen"

Norbert Heyer | Sa., 22. Februar 2025 - 16:39

Mein ganzes Leben habe ich eines gehasst wie die Pest: Kriege und ihre schrecklichen Folgen. Es gibt nicht vergleichbares, was an Kriege heranreicht. Ich habe vor vielen Jahren - als D noch im Vollbesitz der geistigen Kräfte war - dass wir eine Bundeswehr zur Verteidigung unserer Freiheit
unterhalten. Deshalb haben wir auch immer von einem Verteidigungsministerium gesprochen. Und jetzt soll irgendeine windige Finanzierung das Volk dazu verleiten, die Aufrüstung zu finanzieren? Hatten wir alles schon einmal, im 1.WK wurde Edelmetall der Bürger eingesammelt, im 2.WK wurden die Anzahlungen für nicht gelieferte VW zu Kriegszwecken verbraten. Von mir kann unser Staat keinen Cent freiwillig erwarten, wir sollten endlich dazu übergehen, unsere BW für die Landesverteidigung zu ertüchtigen. Der eine oder andere Radweg in Peru weniger - und schon wäre reichlich Geld über zur Wahrung unserer Sicherheit. Hier läuft seit Jahren alles auf eine gefährliche Konfrontation hinaus. Wir lernen es nicht.