
- „Sie greifen mit politischem Motiv die Lehrfreiheit an“
Der Würzburger Historiker Peter Hoeres wehrt sich gegen eine Kampagne des Studierendenparlaments. Linke Aktivisten ohne Fachkenntnisse wollten die Karriere seines Mitarbeiters Benjamin Hasselhorn zerstören.
Peter Hoeres ist Professor für Neueste Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er veröffentlichte unter anderem „Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der FAZ“.
Das Studentenparlament Ihrer Universität Würzburg hat einen Entschluss veröffentlicht: „Gegen neurechte Diskursverschiebung in der Lehre“. Der richtet sich gegen Ihren Lehrstuhl für Neueste Geschichte und besonders den dort angestellten Akademischen Rat Benjamin Hasselhorn. Was steckt dahinter?
Das ist eine Verschwörungstheorie, die nicht von unseren Geschichtsstudenten kommt, unsere Evaluationen sind überwiegend sehr gut, sondern von linken Gruppen aus dem Studierendenparlament. Das sind vor allem Leute von der Grünen Hochschulgruppe und der Linken Liste. Letztere ist ein Zusammenschluss aus der SPD-Jugendorganisation Jusos und der Gruppe CampusLinke, die der Partei „Die Linke“ nahesteht. Besonders eifrig zeigt sich der Vorsitzende des Studierendenparlaments Jonas Keim von der Linken Liste. Diesen Leuten, wohlgemerkt fast alle keine Studenten der Geschichtswissenschaft, geht es tatsächlich darum, Benjamin Hasselhorn zu canceln. In den öffentlich einsehbaren Protokollnotizen der Sitzung ist das explizit als Ziel erwähnt.
Das heißt, er soll nicht mehr unterrichten dürfen?
Letztlich ja. Das implizite Ziel der Entschließung, was aus den uns vorliegenden Protokollnotizen klar hervorgeht, ist, dass Hasselhorns Vertrag nicht verlängert wird und er nach seiner gerade erfolgten Habilitierung keinen Ruf auf eine auswärtige Professur erhält.
Die Formulierung „neurechte Diskursverschiebung“ unterstellt, an Ihrem Lehrstuhl würden einseitig rechte politische Ziele verfolgt.
Das ist Unsinn. Die Historikerinnen und Historiker an meinem Lehrstuhl vertreten ganz unterschiedliche politische Einstellungen. Eine ist übrigens auch Mitglied der Jusos, also der sozialdemokratischen Jugendorganisation. Hasselhorn selbst ist Mitglied der CSU. Ehemalige und aktuelle studentische Hilfskräfte haben sich auch schon gegenüber der Universitätsleitung solidarisch erklärt und die Vorwürfe zurückgewiesen, zumal diese explizit auch sie betreffen.

Gab es einen aktuellen Anlass für die Resolution?
Nein. Das schwelt hinter unserem Rücken anscheinend schon seit langer Zeit. Da spielen vermutlich Dinge mit wie meine Weigerung im Einklang mit der Bayerischen Staatsregierung, Genderfehlschreibungen zu akzeptieren. Den Aktivisten gefällt sicher auch vieles nicht, was ich publiziere, zum Beispiel vor kurzem meine Kritik in Cicero an der linken Schlagseite der Bundeszentrale für politische Bildung. Der konkrete Vorwurf gegen Hasselhorn reicht elf Jahre zurück. 2014 hat er in der Zeitschrift „Sezession“, die damals noch nicht vom Verfassungsschutz erwähnt wurde, unter Pseudonym einen Artikel verfasst, in dem er für die positive Mitarbeit im demokratischen Staat argumentierte. Er berief sich damals auf Friedrich Meinecke …
… einen führenden Historiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der frühen Bundesrepublik …
… der als Vernunftrepublikaner, wie er sich nannte, für eine positive Mitarbeit für die Demokratie in der Weimarer Republik geworben hat. Hasselhorn schreibt seither nicht mehr für diese Zeitschrift, weil er deren Entwicklung ablehnt. Nach so vielen Jahren daraus eine aktuelle Verbindung herzuleiten, ist ebenso hanebüchen wie der Vorwurf, wir würden an unserem Lehrstuhl den Holocaust zu wenig thematisieren.
In der Entschließung des Studentenparlaments wird der Wunsch nach der „Ausweitung des Lehrangebots“ geäußert und ein Mangel an „Holocaust Education“ beklagt.
Diese Leute haben offenkundig keine Ahnung, was ein Studium der Geschichtswissenschaft ist. An der Uni studiert man Geschichte ja nicht nach einem festen Lehrplan wie in der Schule, sondern wir lehren exemplarisch an ausgewählten Themen den Umgang mit Quellen und üben Heuristik, Quellenkritik und Interpretation. Man muss wissen, dass wir das gesamte 19. und 20. Jahrhundert und die jüngste Vergangenheit abdecken müssen. Natürlich bieten wir eine Fülle von Lehrveranstaltungen an, die vielfach auch die NS-Zeit und selbstverständlich auch den Holocaust betreffen. Hasselhorn selbst behandelt den Holocaust im Rahmen seines Grundkurses in jedem einzelnen Semester. Aber wie in anderen vergleichbar kleinen Instituten steht bei den Lehrveranstaltungen nicht unbedingt der Begriff Holocaust im Titel. Außerdem fragen wir regelmäßig die Studenten nach Themen, die sie selbst interessieren. Bisher haben wir dabei noch keine Vorschläge erhalten, aber wir sind dafür selbstverständlich offen.
Das Studierendenparlament hat sich übrigens nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 außerstande gesehen, ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels abzugeben, obwohl RCDS und Liberale Hochschulgruppe dies explizit gefordert hatten. Vor diesem Hintergrund scheint mir auch mein Einsatz gegen Antizionismus und für Israel den Aktivisten ein Dorn im Auge zu sein.
Also vermuten Sie hinter dieser Forderung eine andere Intention?
Ja, es ist ziemlich manifest, dass da der Wunsch besteht, Parallelstrukturen zu schaffen, also andere Dozenten einzustellen, die der eigenen politischen Agenda entsprechend unterrichten. Damit greifen sie auch massiv die grundgesetzlich geschützte Lehrfreiheit an. Dabei können die Vertreter des Studierendenparlaments wie etwa der erwähnte Jonas Keim die geschichtswissenschaftliche Lehre überhaupt nicht beurteilen. Sie sind nicht einmal Studierende der Geschichtswissenschaft. Sie haben einen Geschichtsstudenten und angehenden Realschullehrer namens Lucas Gäde hinzugezogen, der sich ein einziges Mal in einem Seminar von Hasselhorn, über das Ende der Weimarer Republik, angemeldet hat. Noch vor der ersten Sitzung hat er sich dann aus Termingründen bei Hasselhorn vom Seminar abgemeldet und Hasselhorn beim Prodekan angeschwärzt. Er beanstandete eine unausgewogene Literaturliste. Die Ironie ist, dass auf dieser Liste nur Heinrich August Winkler, bekanntlich SPD-Mitglied, und der Würzburger Kollege Rainer Schmidt standen.
Trotzdem wird Ihnen eine einseitige „politische Färbung“ vorgeworfen.
Das ist höchst ironisch. Das Motiv dieser Leute ist selbst ganz unbestreitbar politisch und uns werfen sie das nun vor.
Die Frage nach dem politischen Werturteil in der Geschichtswissenschaft ist ja uralt.
Leopold von Ranke wünschte sich im 19. Jahrhundert noch sein Selbst auszulöschen. Aber ihm war schon klar, dass das ein unerfüllbares Ideal ist. Wichtig ist die Einsicht Max Webers, dass wir als Wissenschaftler keine Werte erzeugen können, sondern das Zustandekommen von Werten untersuchen sollen. Entscheidend ist für mich, dass jeder, der ein wissenschaftliches Argument formuliert, auch zu Wort kommen kann, und die anderen versuchen müssen, es hermeneutisch nachzuvollziehen. Und das praktizieren wir alle so in Lehrveranstaltungen unseres Lehrstuhls. Und wie gesagt: unser Lehrpersonal ist politisch sehr breit gestreut.
Also orientieren Sie sich an der Forderung des Beutelsbacher Konsenses der politischen Bildung?
Ja, man kann diese Forderung als Ideal auch auf die universitäre Lehre in der Geschichtswissenschaft beziehen. Dabei geht es vor allem um das Überwältigungsverbot und das Pluralismusgebot. Themen, die strittig sind im Diskurs, müssen in der Lehre plural dargestellt werden.
Haben die Vertreter des Studentenparlaments Sie vor der Entschließung kontaktiert?
Sie behaupten das zwar, aber das stimmt nicht. Es gab nie Anfragen an uns von einem der Sprecherräte oder dem Studierendenparlament. Weil uns Gerüchte über hinter unserem Rücken laufende Beschwerden erreichten, habe ich letztes Jahr die Fachschaft um ein Gespräch gebeten. Darin waren wir so verblieben, dass man künftig bei Beanstandungen mit uns redet statt über uns. Diejenigen, die nun die Resolution des Studierendenparlaments initiiert haben, haben nie mit uns gesprochen.
Wie hat die Universitätsleitung auf die Resolution reagiert? Die müsste doch eigentlich verpflichtet sein, erst mal grundsätzlich ihre eigenen Dozenten in Schutz zu nehmen und die Freiheit der Wissenschaft zu verteidigen.
Natürlich gibt es eine Fürsorgepflicht der Universität als Arbeitgeber, speziell auch für Nachwuchswissenschaftler wie Hasselhorn. Ich hoffe nun sehr, dass sie dieser Pflicht nachkommt. Irritiert hat mich, dass die Pressesprecherin der Universität keinen Kontakt mit uns aufgenommen hat, dagegen aber mit Zuri Klaschka vom Sprecherrat des Studierendenparlaments. Klaschka ist aktiv an der Resolution gegen unseren Lehrstuhl beteiligt. Offenbar hat die Pressesprecherin den Rädelsführern auch ein Presse-Coaching angeboten. Auf unsere Fragen hat sie dagegen erst auf Nachfrage überhaupt geantwortet, eine offizielle Information der Universitätsleitung beziehungsweise des Presseteams über die Anschuldigungen der Studierendparlaments gab es zu keinem Zeitpunkt. Abstimmen konnten wir uns mit ihr also nicht.
Wie reagieren Ihre Studentinnen und Studenten auf diese Resolution?
Wir haben noch keine direkten Rückmeldungen, aber meine ehemaligen und derzeitigen studentischen Hilfskräfte haben die Vorwürfe des Studierendenparlament in einem Brief an die Hochschulleitung deutlich zurückgewiesen. Ich kann nur sagen, in der Vergangenheit haben wir immer ganz überwiegend positive Rückmeldungen, etwa Lehr-Evaluationen, erhalten. Das gilt für mich selbst ebenso wie für Herrn Hasselhorn und die anderen Dozenten. Die Lehrveranstaltungen sind gut besucht und ich begutachte sehr viele Abschlussarbeiten und Promotionen. Viele bedanken sich auch für den sehr guten, engen Kontakt zum Lehrpersonal. Und wie gesagt, es hat sich noch nie, seit ich hier Professor bin, jemand über das Lehrangebot beschwert. Ich fände es übrigens gar nicht schlimm, wenn jemand das täte und eigene Vorschläge äußerte. Und natürlich sind wir bereit, auf diese einzugehen.
Glauben Sie, dass das Studierendenparlament repräsentativ ist?
Wohl kaum mit einer Wahlbeteiligung von 16 Prozent. Übrigens waren die Vertreter des unionsnahen Rings christlich-demokratischer Studenten und der Liberalen Hochschulgruppe bei der Abstimmung über die Resolution gar nicht anwesend. Die haben also die linkslastigen Vertreter im Alleingang verabschiedet. Wir wissen inzwischen, dass weder RCDS noch die Liberalen für den Antrag gestimmt hätten.
Haben Sie von Kollegen Reaktionen erhalten?
Bis jetzt gab es sehr viele Solidaritätsadressen, aber eben privatim, was schön ist, hilfreicher noch wären öffentliche Stellungnahmen.
Erschweren die Angriffe gegen Sie und Benjamin Hasselhorn Ihre eigentlichen Aufgaben und den Lehrbetrieb?
Im Moment sind gerade Semesterferien. Aber natürlich ist das sehr anstrengend, kostet viel Zeit, nervt und hält von der eigentlichen Arbeit ab. Trotzdem darf man sich durch sowas nicht einschüchtern lassen. Dann hätten die Angreifer ihr Ziel ja erreicht. Im Falle von Benjamin Hasselhorn geht es um die Vernichtung der akademischen Karriere eines exzellenten Nachwuchshistorikers, der seine als herausragend begutachtete Habilitation nicht nur in time vorgelegt hat, sondern neben weiteren abgeschlossenen Buchprojekten auch ein eigenes Drittmittelprojekt angeworben und durchgeführt hat. Man hat sich einen gerade zum Vater gewordenen jungen Wissenschaftler in einer sensiblen Karrierephase ausgesucht, den man meint fertigmachen zu können. Das ist niederträchtig. Man muss hier das Grundgesetz und die darin garantierte Freiheit von Forschung und Lehre verteidigen.
Was unternehmen Sie nun in der Sache?
Weil es um nicht nur hochschulrechtlich justiziable Vorwürfe wie üble Nachrede (§ 186 StGB) und falsche Verdächtigungen (§ 164 StGB) geht, haben wir einen Anwalt eingeschaltet. Wir prüfen jetzt, welche rechtlichen Schritte wir einleiten. Und vor allem werde ich nicht schweigen, sondern mich publizistisch wehren. Man wird also weiterhin von mir lesen und hören.
Das Gespräch führte Ferdinand Knauß
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.
Was macht das Ministerium? Was macht die CSU, immerhin ist das eines ihrer Mitglieder? Da zeigen alle mit dem Finger auf die Zustände in Berlin und so etwas im "schwarzen" Bayern? Was sagt denn der Rest der UNI? Was sagen denn die nicht linken Studenten oder gibt es dort keine mehr, weil nicht links automatisch "Nazi" bedeutet? Und wer zahlt den Anwalt für die Gegenwehr? Es hat also noch niemand auf diesen Angriff reagiert? Man wartet noch? Sonst sind doch in den asozialen Medien sofort und gleich irgendwelche Statements zu lesen und warum jetzt nicht? Hat man Angst, wenn man dem Mann zur Seite springt, selbst zur Zielscheibe zu werden? Studenten, die so etwas machen gehören vor die Entscheidung gestellt, sachlich begründete Kritik zu äußern unter einer anständigen Beweisdarlegung oder sich von der UNI zu verabschieden. Aber das ist ja inzwischen Normalität. Linke Krawallmacher suchen sich ein Opfer und wollen es öffentlich fertig machen, koste es was es wolle. Eine Schande ist das.
aufrechter Mann, der Herr Hoeres.
Ein Solitär? Ich hoffe nicht, ich hoffe, dass er Unterstützung bekommt.
Sicherlich eine ärgerliche Episode! Aber geht die Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland tatsächlich von den Studentenparlamenten aus? Der Einfluss, den die Grünen über Hochschulministerien & den dadurch ermöglichten Druck auf die Hochschulleitungen ausüben scheint mir sehr viel gravierender zu sein.
Gerade hat die der Grünen Partei nahe stehende Organisation "Scientists4Future" eine Petition an das Bundesparlament organisiert. Darin wird kontrafaktisch behauptet, es wissenschaftlicher Erkenntnistand, dass "weder die Kernspaltung noch die Kernfusion werden einen relevanten Beitrag zum Erreichen der deutschen Klimaziele leisten können" usw; die ganze Grüne Parteidogmatik wird darin abgespult. Jeder Hochschullehrer, der diese Petition an seine Habilitanden, Doktoranden & Hiwis weiterleitet, erhält von "Scientists4Future" eine detaillierte Dokumentation, wer von seinen Leuten unterschrieben hat und wer nicht. Das ist eiskalter Machtmissbrauch zugunsten d. Parteiführung!
Mittlerweile haben mehr als 12 000 "Wissenschaftler" (Hochschullehrer, Doktoranden, Hiwis...) die Petition der "Scientists4Future" unterschrieben. Am kommenden Dienstag wird die Petition mit Namensliste den Bundestagsparteien überreicht. Die einschlägigen Medien werde darüber bestimmt berichten. Spannende Frage: Wird es dieser wissenschaftliche Durchbruch auch in die Tagesschau schaffen? ;-)