René Pfister
Journalist und Autor René Pfister / Stephen Voss

René Pfister im Gespräch mit Ben Krischke - Cicero Gesellschaft Podcast: „Von zu engen Tabus profitieren nur die politischen Extreme“

In seinem Buch „Ein falsches Wort“ setzt sich der „Spiegel“-Redakteur René Pfister mit der illiberalen Linken in den Vereinigten Staaten auseinander. Ben Krischke hat mit ihm über sein Buch, den Kulturkampf in den USA und dessen weitreichende Folgen gesprochen.

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Populisten von links und rechts dominieren den öffentlichen Diskurs, Menschen verlieren wegen legitimer Meinungsäußerungen ihre Jobs, und Rassisten sind sowieso immer nur die anderen. Was ist los in den Vereinigten Staaten, im „Land of the Free?“ Seit geraumer Zeit macht sich in den USA eine illiberale Linke auf, Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben zu erfinden und Sanktionen gegen alle zu fordern, die ausscheren.

Diese Bewegung zielt dabei längst nicht mehr nur konservative Knochen, sondern auch auf die eigenen Leute, wenn sie sich in den Augen der Aktivisten durch gewisse Formulierungen oder andere Perspektiven auf die Welt ins Abseits schießen. Der große Shitstorm entzündet sich dabei oft nur an einzelnen Begriffen oder gar vorgetragenen Fakten, die der illiberalen Linken nicht ins Weltbild passen. Zwei ihrer Grundüberzeugungen lauten: Weiße seien zwangsläufig Rassisten und Schwarze grundsätzlich Opfer einer weißen und rassistischen Mehrheitsgesellschaft. 

Der Spiegel-Redakteur René Pfister lebt seit gut drei Jahren in den Vereinigten Staaten, wo er das Washingtoner Büro des Nachrichtenmagazins leitet. Im August 2022 ist sein Buch „Ein falsches Wort: Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht“ erschienen und mittlerweile in der dritten Auflage. Pfister scheint also einen Nerv getroffen zu haben. Höchste Zeit, dachte sich die Cicero-Redaktion daher, den Autor in den Cicero Gesellschaft Podcast mit Ben Krischke einzuladen. Der Einladung ist Pfister gerne gefolgt. 

„Ich bin der Letzte, der sagen würde, es muss nicht auch Tabus geben. Aber diese Tabus müssen eben sehr, sehr eng sein. Und wenn die Tabus zu weit gefasst werden, glaube ich, dass dann eben nicht die Demokratie profitiert, sondern die Extreme von links und rechts“, sagt Pfister, der überzeugt ist, dass die illiberale Linke in den USA maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Donald Trump ins Weiße Haus einziehen konnte. Denn wer das Gefühl habe, so Pfister, nicht mehr öffentlich seine Meinung sagen zu dürfen, der suche sich eben andere Formen des Protests: etwa in der Wahlkabine.

Weiter spricht Pfister über die Ursprünge gesellschaftstheoretischer Ansätze wie der „Critical Race Theory“, die sich mittlerweile sogar unter illiberalen Linken in Deutschland einer gewissen Beliebtheit erfreut, erzählt von besonders einschlägigen Beispielen für Cancel Culture in den USA und erklärt, welchen Einfluss der Kulturkampf selbst auf die große New York Times hat. Pfister sagt: „Ich würde mir wünschen, dass im politischen Diskurs versucht wird, den anderen zu verstehen, und Menschen, die eine andere Meinung haben, nicht nur das Schlechteste zu unterstellen.“

Das Gespräch wurde am 27. März 2023 aufgezeichnet. 


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Gerhard Lenz | Sa., 15. April 2023 - 09:31

ausgerechnet jene Linke, die immer die Freiheit der Rede verteidigt hat, für eine Verengung des Toleranzbegriffes anzuklagen. Dass es Auswüchse gab oder gibt, wird keiner bestreiten. Hinter rigiden Sprachregelungen liegt jedoch meist der letztendlich hoffnungslose Versuch, mit Sprache niemanden mehr zu attackieren. In Folge hat man jene, die sich Sprachregelungen verweigern, schon kritisiert oder gar angegriffen.

Nun gibt es immer versch. Perspektiven: Der Betroffene wird z.B. darüber, nicht mehr das Ne...(r)-Wort zu hören, nicht erbost sein. Denn mit diesem Begriff ist sehr wohl ein Stück Menschenverachtung verbunden.

Dass es Erzürnte gibt, die sich über eine Ächtung des Wortes echauffieren, ist bekannt und im Grunde heuchlerisch. Bei uns z.B. würde der Betreffende seine oftmals politisch begründete Wut als Besorgnis über den Niedergang der Sprachkultur tarnen.

Was für den Einen Respekt bedeutet, klingt für den Anderen nach P.C. oder Zensur.

Rechts ist man da keinen Deut besser.