Noch-Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir / dpa

Wechsel im Kabinett Scholz möglich - Wird Cem Özdemir Verkehrsminister in Baden-Württemberg?

Es sieht so aus, als wolle Cem Özdemir sein Amt als Bundeslandwirtschaftsminister niederlegen, um in Baden-Württemberg Verkehrsminister zu werden. Dort könnte er zum Amtsnachfolger Winfried Kretschmanns aufgebaut werden. Zumindest wäre er mit diesem Schachzug mittelfristig wieder der starke Mann in der Partei. Er selbst dementiert.

Autoreninfo

Hans Martin Esser ist Diplom-Ökonom und Publizist. Im März 2023 erscheint sein Buch „Polemik. Ein philosophischer Beipackzettel“.

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Nach den drei Wahlen in Ostdeutschland haben sich die Verhältnisse in der Partei der Grünen schlagartig verändert. Gestern erklärten Ricarda Lang und Omid Nouripour jeweils ihren Rücktritt von der Parteispitze. Ebenfalls legte der Vorstand der Grünen Jugend geschlossen sein Amt nieder. 

Überdies verdichten sich nun die Informationen, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir seinerseits sein Amt niederlegen könnte, um in Baden-Württemberg Verkehrsminister zu werden.

Özdemirs möglicher Abgang hätte eine innere Logik. In Baden-Württemberg hat Ministerpräsident Kretschmann nach mehr als 13 Jahren Amtszeit einen aussichtsreichen Nachfolger aufzubauen. Nachdem Boris Palmer sich als loose cannon in der Partei erwiesen hat und nach diversen öffentlichen Debatten die Grünen verlassen hatte, ist Özdemir zum logischen Amtsnachfolger Kretschmanns auserkoren worden. 

Özdemir fährt überdies, was die Kritik an der grünen Transformation angeht, im Windschatten von Robert Habeck, dessen Heizungsgesetz maßgeblich für die schlechten Wahlergebnisse verantwortlich ist. Ebenso gilt Baerbock als Bundesaußenministerin als nicht unumstritten und im Amt stärker ramponiert als Cem Özdemir.

Der Machtverlust ist real

Da nicht allein die Freien Demokraten zunehmend zur Dame ohne Unterleib werden, sondern auch die grüne Partei, wäre ein Wechsel von Özdemir nach Stuttgart eine Maßnahme, im Stammland die Position auszubauen und somit einem wahrscheinlichen Machtverlust spätestens bei der Bundestagswahl etwas entgegenzuhalten.

Was die Regierungsbeteiligung in Bundesländern betrifft, sieht es seit nunmehr zwei Jahren schlecht aus: In Bayern hatte der dortige Ministerpräsident Söder bereits nach dessen Wahlsieg 2023 eine Koalition mit den Grünen ebenso abgelehnt wie zuvor der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kay Wegner, dies in der Bundeshauptstadt tat. 

Auch nach den ostdeutschen Landtagswahlen wird die Partei, die sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hatte, an keiner Regierung beteiligt sein, wie es aussieht. In Brandenburg flog man ebenso aus dem Parlament wie in Thüringen. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer hat keine Sympathie für die Ökopartei und hat gegen sie als Koalitionspartner einen aggressiven Wahlkampf geführt.

Der Machtverlust ist somit real und angekommen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch im Kernland der Partei Baden-Württemberg die CDU unter Manuel Hagel sich weigert, Cem Özdemir in der laufenden Legislatur zum Ministerpräsidenten zu wählen. 

Mit Özdemir in prominenter Position wäre der realpolitische Flügel gestärkt

Es wäre von der Warte auch folgerichtig, dass Özdemir eine Bühne bekäme, um wenigstens ein passables Ergebnis bei den im Frühjahr 2026 anstehenden Landtagswahlen zu erzielen, auch wenn bezweifelt werden darf, dass er Ministerpräsident wird oder sich die zurzeit in Umfragen führende CDU bereit erklärte, eine weitere Koalition mit der grünen Partei als Juniorpartner einzugehen. 

Überdies wäre Özdemirs Wechsel von einem recht leichtgewichtigen Platz im Bundeskabinett ein Schritt, Toni Hofreiter für kurze Zeit den Posten eines Bundesministers zuzusichern, um den er sich 2021 sichtlich angefasst betrogen fühlte. 

Zur Dimension in Baden-Württemberg noch die Überlegungen: „Verkehrsminister Özdemir?“, titelte der Merkur am 3. Juni 2021. Drei Jahre später ist das Amt für Cem Özdemir in greifbarer Nähe – nur eben in Baden-Württemberg. Für den ehemaligen Hoffnungsträger der Südwest-Grünen muss schnellstmöglich eine Distanz zur Berliner Ampel her. Ja, ehemaliger Hoffnungsträger, schließlich glaubt bei den baden-württembergischen Grünen kaum jemand an den Wahlsieg im Ländle. 

„Der Zeitgeist hat sich gewendet“ konnte man erst kürzlich aus Fraktionskreisen vernehmen. Ausgerechnet ein anderer ehemaliger Hoffnungsträger, Freiburgs Ex-OB Dieter Salomon, drückte aus, was viele denken: Auch Cem Özdemir wird das Ruder nicht mehr herumreißen können. 

Während der Landwirtschaftsminister auffällig oft in seiner Heimat unterwegs ist und zum „Bier mit Cem“ einlädt, stellen sich Parteistrategen eine ganz andere Frage: Wann kommt Cem aus der Deckung? Dass er aus dieser kommen wird, dürfte ziemlich klar sein, auch wenn die Zweifel innerhalb der Fraktion steigen. Ein Ampel-Minister ist sicher kein Titel, mit dem man gerne in den Wahlkampf geht. Insbesondere gegen den aufstrebenden Unionsmann Manuel Hagel, der sich mit 36 Jahren in der Partei sowie der Bevölkerung einen Namen machen konnte.

Distanz zur Ampel

Somit muss sich Özdemir möglichst schnell in Distanz zur Ampel begeben. Verkehrsminister Winfried Hermann wurde zum Rücktritt bewegt. Als 72-Jähriger hatte er ohnehin nicht mehr vor, für den Landtag zu kandidieren. 

Das Amt des Verkehrsministers ist also das einzig greifbare in Stuttgart. Greifbar, aber noch nicht sicher. Özdemir muss noch vom Parlament bestätigt werden. Reine Formsache? Weit gefehlt. Es ist noch nicht absehbar, ob der Schwabe die erforderliche Mehrheit wird erreichen können. Da die Wahl geheim ist, weiß man nicht, wie viele unzufriedene Grüne zustimmen werden. 

Allerdings: Die Nein-Stimmen würde man leicht im Lager der CDU verorten können. Die Grünen haben ihre Erneuerung vorangetrieben. Und innerhalb von wenigen Wochen traten vier grüne Abgeordnete von ihrem Landtagsmandat zurück – offenbar nicht immer ohne Druck von der Parteiführung. Das sorgt für Unmut.

Auch bei der Union dürfte ein Wechsel Özdemirs in die Landespolitik nicht für Begeisterung sorgen. Eine Nichtwahl im ersten Wahlgang wäre für Özdemir ein Albtraum. Sie ist aber nach aktuellem Stand wohl wesentlich wahrscheinlicher als eine direkte Wahl. Dieser und andere Gründe sorgen dafür, dass Özdemir seine Pläne wohl mehrfach ändern musste. Am meisten scheint Özdemir zu ärgern, dass er nicht wirklich gerufen wurde.

Cem Özdemir selbst bestritt als Reaktion auf diese Meldung jegliche Ambitionen in Richtung eines Wechsels in die baden-württembergische Landesregierung. In einer Mitteilung über den Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) teilte der Bundeslandwirtschaftsminister in der ihm eigenen Ironie mit: „Weil die Gerüchteküche gerade wieder heiß läuft: Ich habe weder vor, Marc-André ter Stegen im Tor der Nationalmannschaft zu vertreten, noch Verkehrsminister in Baden-Württemberg zu werden. Ich habe einen tollen Job, der mich jeden Tag voll ausfüllt.“

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Andreas Braun | Do., 26. September 2024 - 12:18

Ich frage mal so zwischendurch. Immerhin waren es die Grünlinge, die mit diesem Versprechen die unsägliche CO2-Steuer schönreden wollten. Immerhin zum Inflationstreiber reicht sie, die nächste Erhöhung steht vor der Tür, nur die im Koalitionsvertrag versprochene Rückerstattung findet nicht statt.
Bevor sich die veröffentlichte Meinung viele Gedanken um das persönliche Fortkommen der grünen Lügner macht, sollte sie sich der Belange der Bevölkerung widmen. Dann steigen auch die Abo-Zahlen wieder.

Wolfgang Tröbner | Do., 26. September 2024 - 12:24

Der gute Herr Özdemir hat nun 3 Jahre im Bund als Landwirtschaftsminister dilettiert und mangels Sachverstand nichts gerissen. Jetzt, wo für die Grünen im Bund die Lichter ausgehen, will er sich nach Baden-Württemberg retten und uns hier als Verkehrsminister auf die Nerven gehen? Nein und nochmals nein. Die Grünen inklusive Habeck und Baerbock sollten ganz einfach kapieren, das ihre Zeit abgelaufen ist. Niemand braucht sie und niemand will sie. Nehmt Eure unverdienten Pensionen in Anspruch und verdünnisiert Euch.

Karl-Heinz Weiß | Do., 26. September 2024 - 12:38

Zwischenzeitlich merken auch die Baden-Württemberger, dass der stets staatstragend auftretende GRÜNE Ministerpräsident den Niedergang des Automobilstandorts nicht mehr länger schönreden kann. Gut bezahlte Arbeitsplätze und Geringschätzung des Automobils, das geht nur eine Zeitlang gut. Herr Hagel scheint das Zeug zu haben, die früher heillos zerstrittene BW-CDU zu einen. Dann könnte dem mit der Landwirtschaft stets fremdelnden Vegetarier Özdemir die nächste politische Pleite bevorstehen.

Volker Naumann | Do., 26. September 2024 - 13:56

Endlich ein Ministerium, von dem er was versteht.

MfG

Wilfried Düring | Do., 26. September 2024 - 16:15

Özdemir ist einer der gefährlichsten und korruptesten (Bonusmeilen-Affäre, Hunziger) Politiker der Grünen.
Inzwischen ist dieser Schalk als ehemaliger Wehrdienst-Verweigerer nach einwöchigem Lehrgang zum Operetten-Oberleutnant der bunten Wehr aufgestiegen! Andere Menschen müssen dafür jahrelang arbeiten und studieren. Aber schon Orwell wußte, daß bestimmte Schweine 'gleicher' sind, als die Anderen!
Der CDU-BW kann nur geraten werden, die Wahl Özdemirs zu verweigern. Koalitionen zwischen CDU und Grünen gehören sowieso beendet - und zwar ALLE !!!
Aus dem Politik-Betrieb der bunten Republik ausscheiden, sollten nicht vglw. harmlose Menschen wie Lang und Nouripour (Bauernopfer); sondern diejenigen TÄTER, die für den traurigen Zustand der gruenen Partei, der Ampel-Regierung und dieses Landes maßgeblich Verantwortung tragen.
Und das sind eben nicht Lang und Nouripour - sondern Özdemir, Künast, Göring-Eckardt und die Minister Habeck, Baerbock und Paus.
Diese Leute müssen endlich weg!

Sabine Lehmann | Do., 26. September 2024 - 17:17

Vielleicht keine schlechte Idee zurück ins "Ländle", Özdemirs Heimatgefilde. Wahrscheinlich hat er dort bessere Karrierebedingungen als im "Bundesheer".
Ich finde den Cem ja grundsätzlich ganz sympathisch, abgesehen von seiner grünen Agenda natürlich. Besonders seit er bei einem Live-Interview auf der Straße einem Pöbler aus dem Dunstkreis meiner Lieblingsklientel mit unvergleichlich höflichem Charme mitteilte, was er davon hielt: "Halt die Fresse. Jetzt rede ich."
Ansonsten kann man wohl konstatieren, dass im Grünen Gewölbe zur Zeit einiges ins Rutschen geraten ist. Man munkelt, sogar Boris Palmer würde von den Toten(den politischen) wiederauferstehen. Er hat bei Winfried um Audienz gebeten und um Wiederaufnahme in die Partei. Fliehkräfte, wohin man schaut......

Wilfried Düring | Do., 26. September 2024 - 18:09

Möge der Herrgott verhüten, daß einer der perfidesten Kriegstreiber der Republik (vom Drückeberger zum Kriegstreiber) auch noch Minister wird!
Kann Haubitzenreiter gegen die bösen Rossen nicht gewinnen, wird er versuchen, sich an den Bauern schadlos zu halten.
Krieg gegen die Bauern - Hofreiter und Äzdemir führen ihn beide! Und wenn es Proteste gibt, müssen Andere die Kohlen aus dem Feuer holen.
Einen wirklich respektablen Auftritt legte Ministerin Lemke im Februar 2024 hin, als sie sich als 'kleine Frau' ganz allein der Wut (zu Recht) protestierender Bauern stellte - OHNE Personenschützer und vor allem OHNE Rumgeheule über (angeblich) 'Hass, Hetze und Gewalt', die bekanntlich IMMER von Rächtzs ausgeht (oder Herr Habeck?).
Lemke war - ungewöhnlicherweise - bereit, zunächst einmal zuzuhören und suchte dann das Gespräch. Die Wut-Bauern bedankten sich am Ende für den ernsthaften Austausch und verabschiedeten die grüne Ministerin mit Beifall(!).
(Bericht der Berliner Zeitung; 13.02.2024)

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