- Immer höhere Löhne auf Steuerzahlerkosten
Im Streit für bessere Löhne haben es Verdi und Beamtenbund leicht. Denn von Bund, Ländern und Kommunen ist kaum Gegenwehr zu erwarten. Wir Steuer- und Gebührenzahler schauen teilnahmslos zu. Dabei fehlt es den Menschen in öffentlichen Dienst an Wertschätzung, nicht an Geld
Der Staat sei ein miserabler Arbeitgeber. Jede Start-up-Klitsche jazzt den Kaffee, den sie den Mitarbeitern spendiert, zum fulminanten „Teambuilding“ hoch. Doch die gewählten Repräsentanten von Bund, Ländern und Gemeinden sind nicht in der Lage, die Vorzüge des öffentlichen Dienstes auch nur ansatzweise in den Fokus zu rücken. Jahr für Jahr lassen sie sich von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und dem Beamtenbund als Geizhälse an den Tarif-Pranger stellen, ohne die Vorwürfe mit Fakten zu kontern. Sie lassen es zu, dass das Mittel des Warnstreiks massiv überdehnt wird. Schulen und Uni-Kliniken werden tageweise lahmgelegt. Der Bürger muss es machtlos zu ertragen – oder hat sogar Verständnis für die ausgedehnten Arbeitsniederlegungen. Warum eigentlich?
Denn in Wahrheit ist der Staat ein guter Arbeitgeber. Auch die 15 Bundesländer (außer Hessen), in denen Verdi & Co. jetzt für 1,1 Millionen Angestellte (und indirekt 1,3 Millionen Beamte) sechs Prozent mehr „Tabellenentgelt“, mindestens aber 200 Euro im Monat, sowie vielfältige Höhergruppierungen fordern, honorieren die Arbeit ihrer Lehrer, Klinik-Schwestern oder Straßenmeister gut. Warum sonst stemmen sich die Gewerkschaften gegen Privatisierungen? Weil – von Ausnahmen in der Einkommensspitze abgesehen – in der Privatwirtschaft oftmals schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen. Zumal dann, wenn man nicht nur die Bruttolöhne vergleicht, sondern auch die Absicherung im Alter und den Kündigungsschutz berücksichtigt. Beim Staat braucht es weder Mindestlöhne, noch ist je ein Bediensteter auf Grundsicherung im Alter angewiesen.
Wie angemessen sind die Forderungen?
Für die Tarifgemeinschaft der Länder führt der Berliner Finanzsenator die aktuellen Verhandlungen. Wer bei Matthias Kollatz (SPD) anfragt, wie es um die Gehaltsstruktur der Länder bestellt ist, wird per Mail auf einen Wust von Daten verwiesen. Allein die Entgeltordnung TV-L umfasst 380 Seiten. Die Stellenbeschreibungen müssen dann mit den entsprechenden Lohntabellen kombiniert werden. Hinzu kommen Listen über Zulagen oder Bereitschaftsdienstengelte.
Dieser hohe Grad an Differenzierung nach Arbeitsplatz, Alter, Ausbildung und Region (Ost oder West) erleichtert Verdi und Beamtenbund die Argumentation gleich doppelt: Einmal gibt es immer eine Berufsgruppe, der die Öffentlichkeit gerne einen stattlichen Lohnaufschlag gewährt; jetzt sind es Pflegekräfte und IT-Spezialisten. Zugleich können jedoch nur Eingeweihte wirklich errechnen, ob die Forderungen angemessen sind. Effektive Gehaltsdaten werden nämlich nicht nur in Ausnahmen genannt, etwa wenn selbst angelernte Grundschullehrer in Berlin monatlich 5300 Euro bekommen sollen.
Geld wird ohne eigenes Risiko verteilt
Die ausgedehnten Warnstreiks, mit denen Verdi, GEW und Polizeigewerkschaft zur dritten Verhandlungsrunde ab 28. Februar „Druck machen“ wollen, sind daher unnötiger Theaterdonner. Ministerpräsidenten Armin Laschet aus dem mächtigen NRW plädiert vor seinen Beamten selbst für bessere Bezahlstrukturen. Aber sechs Prozent mehr Lohn brächten ja auch dem CDU-Politiker einen Aufschlag von gut tausend Euro im Monat. So wie übrigens die Arbeitgeber selbst Nutznießer hoher Tarifaufschläge sind und das Geld anderer Leute, nämlich der Steuerzahler, ohne eigenes Risiko verteilen. Ebenso orientieren sich die halb-staatlichen Einrichtungen, von AOK bis zu den Sparkassen, an den Verdi-Abschlüssen. Das wiederum erklärt die verständnisvolle Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender.
Verdi-Chef Frank Bsirske (67), der sich bei seiner letzten Tarifrunde mit einem satten Gehaltzuschlag für seine Mitglieder in den Ruhestand verabschieden will, begründet die Lohnforderung, die vierfach über der Inflationsrate liegt, mit „notwendiger Attraktivitätssteigerung“ gerade in „Engpassbereichen wie Pflege und IT“. In Wahrheit bedeutet die Mindestforderung von 200 Euro jedoch in den unteren Lohngruppen ein Plus von bis zu 11,4 Prozent – also dort, wo der Staat wegen der deutlich besseren Arbeitsbedingungen gar keine Personalsorgen hat. Es wäre ein Leichtes, IT-Spezialisten höher einzugruppieren, würde Verdi sodann nicht die Gleichbehandlung mit allen anderen Tarifgruppen fordern. Zudem: Wer, wie Minister und Gewerkschafter in vielsagender Eintracht, den öffentlichen Dienst ständig schlechter redet, als der tatsächlich ist, darf sich über mangelnde Bewerbungen nicht wundern. Fachkräfte fehlen schließlich auch in der gewerblichen Wirtschaft.
Entbürokratisierung als Respektsbezeugung
Hört man in den Staatsdienst hinein, so ist es selten die Bezahlung, die beklagt wird, sondern eine mangelnde Wertschätzung. Wenn Polizisten die Bodycam verweigert oder Justizbediensteten die politische Rückendeckung versagt wird, sorgt dies weit mehr für schlechte Stimmung. Wenn etwa Grüne die Ausweitung sicherer Herkunftsländer blockieren, bedeutet das für Verwaltungsrichter, dass der Berg an Asylklagen weiter anwächst. Und wenn Bauämter heute bis zu 20.000 Regeln berücksichtigen müssen, ist die Überlastung der Planungsbehörden hausgemacht.
Entbürokratisierung wäre daher die größte Respektbezeugung für die Bediensteten bei Bund, Ländern und Kommunen. Stattdessen werden Parlamente und Ministerien mit jeder Wahl weiter aufgebläht, die allesamt zur Klientelbedienung neue Regeln durchdrücken wollen. Doch darüber verlieren Verdi & Co. so wenig ein Wort wie über die Belastungen, die eine nach wie vor hohe Zuwanderung für Sozialbehörden, Schulen, Polizei oder Justiz mit sich bringt.
Wie stets werden die hausgemachten Probleme mit viel Geld zugeschüttet. Selbst der Steuerzahlerbund, der mit am Verhandlungstisch sitzen müsste, hat kapituliert. Das Sprachrohr der Zahlmeister beschränkt sich auf die stereotype Klage, dass auch dieser Tarifabschluss „viel zu teuer“ ist. Grundlegende Strukturreformen – weniger Vorschriften, mehr Leistungslohn und eine digitale Modernisierung – bleiben so auf der Strecke.
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der Öffentliche Dienst ist der große Gewinner der Globalisierung.
Denn die Arbeiten und Leistungen, die er ausführt, werden hier vor Ort gebraucht und können nicht in ein Billiglohnland auswandern.
Dies gilt keineswegs für Beschäftigte anderer Branchen. Denen sitzt nämlich die Konkurrenz aus Billiglohnländern ständig im Nacken. Verlangen sie zu viel, wird einfach ausgelagert.
Die gewerkschaftliche Vertretung des ÖD nutzt dies scham- und skrupellos aus.
Und noch etwas kommt dazu: Die Arbeitgeberseite des ÖD ist ebenfalls die Öffentliche Hand, vertreten durch Beamte und Politiker. Bei denen geht es nicht um "ihr Geld", daher sind viele Lohnverhandlungen nur Schaukampf.
Alles in allem eine sehr ungute Konstellation für den Steuerzahler, aber sehr vorteilhaft für den ÖD
Als selbst im öffentl. Dienst tätig Gewesene kann ich Herrn Bok nur zustimmen:
Die finanziellen Bedingungen sind gut und die Absicherung im Alter u. im Krankheitsfalle ist besser als anderswo. Also brauchte hier nicht nachgebessert zu werden. E n t s c h e i d e n d ist die mangelnde Wertschätzung der Arbeit von Lehrern, Polizisten, Angestellten im Sozialbereich, im Justizwesen usw. Die führt dazu, daß die im offentlich Dienst Tätigen entweder in psychomatische Krankheiten oder in
eine "Leck-mich!"- Haltung hineingeraten, welche weder ihnen noch dem Staat förderlich ist.
Es erstaunt mich immer wieder auf's Neue, wie
wenig man bei den verantwortlichen Politikern
von der menschlichen Psyche (ganz allgemein)
versteht bzw. wie sehr man sich verschätzt bei
der Beurteilung von Risiken und Gefahren, die sich
aus der Mißachtung grundlegender menschlicher
Befindlichkeiten ergeben m ü s s e n.
Ob es sich dabei um Bio-Deutsche oder Ausländer
handelt - die Fehleinschätzungen sind krass!
Danke Herr Bok! Endlich mal jemand, der die Fakten hier klar benennt. Das alles kenne ich aus meinem Bekanntenkreis, und es wird von denjenigen im privaten Umfeld auch eindeutig bestätigt. Alleine die Absicherung durch die private Krankenversicherung, den absoluten Kündigungsschutz und die Alterabsicherung müsste in Geld umgerechnet werden. Jeder normale Angestellte und jeder Freiberufler würde staunen.
Was mir aber noch einmal klar geworden ist: dass die Politiker mit der Unterstützung dieser angeblichen Benachteiligung sich selbst alimentieren. Mein Vertrauen in politische Verantwortung sinkt weiter.
Und mich wundert, dass es dazu so wenige Kommentare gibt.
Liebe Cicero Redaktion! Sie können uns sicher irgendwann erläutern, welchen tieferen Sinn dieser Beitrag haben soll. Den Angestellten und Beamten des öffentlichen Dienstes als Entlohnung eine größere Wertschätzung und mehr Respekt zu gewähren, ist Realsatire! Bezahlt ein promovierter Studienrat oder Studienrätin die steigenden Energiekosten mit einer Portion Respekt oder eine Tüte Wertschätzung oder wie stellt sich der Herr das vor? Wenn man die Arbeitsplatzsicherheit ins Feld führt, darf man vielleicht vermuten, dass der Herr Dr. Bok für ein Studienratsgehalt seinen Füller gar nicht erst auspacken würde. Zuletzt fehlt eigentlich nur das Standardargument der Politiker, dass 1% Gehaltserhöhung den Steuerzahler eine Milliarde € kostet.
Ich stimme dem Artikel in großen Teilen zu. Aber was Lohnerhöhungen betrifft ( z.B. für pensionierte Polizei-/Kriminalbeamte betrifft )bin ich mehr als skeptisch. Wo bleibt die in Hessen?
der Steuerzahler ist das Kamel auf dem das Beamtentum risikofrei reitet.
Vor 68 wurde die etwas schlechtere Bezahlung noch mit dem Verweis auf die Sicherheit akzeptiert. Das hat sich nach 68 sukzessive mit den 68ern geändert, die sich anschickten den Staat zu ihrer Beute zu machen. Das korreliert mit dem von R. Weizsäcker (ehem. Bundespräsident) gemachten Ausspruch die Parteien hätten sich den Staat zur Beute gemacht.