- „Make Green Great Again“
Neue Vorsitzende und alte Beschwörungsformeln. Die Grünen beginnen auf ihrem Parteitag den Wahlkampf mit demonstrativer guter Laune und fernab des graue Alltags. Von Fehlern der Ampel will fast keiner was hören.
Die Grünen haben Franziska Brantner und Felix Banaszak zu den neuen Bundesvorsitzenden ihrer Partei gewählt. Das neue Führungsduo hat die Grünen auf dem Parteitag in Wiesbaden auf den Wahlkampf eingeschworen. Im Mittelpunkt steht dabei „grün pur“ und der Spitzenkandidat Robert Habeck, der am Sonntag zum Kanzlerkandidaten gekürt werden soll.
Die gute Stimmung ist überraschend. Da ist gerade eine Bundesregierung mit grüner Beteiligung zerbrochen, die Bundestagswahl steht bevor, die Umfragezahlen sind schlecht, doch die Grünen feiern sich. Sie jubeln viel, über Witze, über Tränen, vor allem über große Gefühle und Pathos. Banaszak wird mit seiner Fröhlichkeit zum Liebling des Parteitags. Und Ausgerechnet mit der Adaption eines Trump-Spruchs lässt sich die neue Grünen-Chefin Franziska Brantner in ihrer Bewerbungsrede beklatschen. „Make Green Great Again“, ruft sie in den Saal. Standing Ovations! Die bittere Ironie fiel wohl keinem auf, dass so nun doch der angeblich große Bösewicht zum Vorbild wurde.
Seit Freitag läuft im Wiesbadener Rhein-Main-Congress Centrum die sogenannte 50. Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen (BDK). Auf der Tagungsordnung des Parteitags stehen vor allem Wahlen und die Nominierung von Robert Habeck zum Spitzenkandidaten. Ob man ihn Kanzlerkandidat nennen soll oder nicht, ist eines der wichtigsten Tuschel-Themen in der Schlange beim Catering.
Mit „Grün pur“ in den Wahlkampf
Unter den Delegierten ist viel von „Grün pur“ die Rede, endlich müsse Klimaschutz und Gerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt gestellt werden. Annalena Baerbock verkündet, dass der Döner zu teuer geworden sei. Die Grünen müssten wieder stärker die echten Sorgen der Leute wahrnehmen. Wer billiges Fleisch kaufe, sei kein Klimaleugner, so die Außenministerin. Schuld an teuren Lebensmitteln aber sei auch die Klimakrise, erklärt sie. Es klingt alles schön einfach.
Man habe in der Ampel zu viele Kompromisse gemacht, heißt es bei anderen. Wirtschaftskrise, Deindustralisierung. Abbau von Arbeitsplätzen, die Stichworte kommen kaum vor, auch in den Eröffnungsreden der Grünen Minister Habeck und Baerbock tauchen sie nicht auf. Bloß nichts schlecht reden, so ist das Motto, alles halbwegs prima.
Der Parteitag ist eine grüne Sonderwelt. Wer es durch die strengen Sicherheitskontrollen herein schafft, kann sich glücklich schätzen und Teile der grauen Realität hinter sich lassen. Endlich mal wieder träumen! Franziska Brantner, die als Realpolitikerin gilt und als Parlamentarische Staatssekretärin im Habeck-Ministerium zur Herzkammer der Ex-Ampel gehört, muss sich in der Wünsch-Dir-was-Welt der Grünen die Sympathie etwas härter erkämpfen als andere. Zu sehr steht ihr Pragmatismus bei manchen Delegierten unter Verdacht.
„Nachhaltiger Wohlstand“, aber wie?
In ihrer Rede wählt sie deswegen das Vokabular des Vagen und Ungefähren, um nicht im Streit ums Konkrete den Rückhalt bei den Parteifreunden zu verlieren. Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und die offene Gesellschaft, darum gehe es. Dafür erntet sie dann auch Applaus. Es brauche eine starke Wirtschaft und die Grünen würden auf die klugen und innovativen Köpfe vertrauen. Was das bedeutet, sagte sie nicht. „Nachhaltiger Wohlstand“, sei das große Ziel, dafür brauche es „Investitionen, Investitionen und noch mal Investitionen“. Und woher kommen die? Keine Antwort!
Die Parteitags-Regie hat sich Werbeblocks ausgedacht. Immer mal wieder gab es eine kleine Unterbrechung zwischen den Reden und Abstimmungen, dann wurde auf den Bildschirmen ein übergroßer QR-Code eingeblendet. „Komm ins Team Robert“, war der Slogan, der an der Stirnwand aufscheinte. Das Tagungspräsidium las dazu kleine Motivationstexte vor. Man solle sich jetzt anmelden, einfach den QR-Code einscannen, alle würden gebraucht, hieß es. „Macht mit beim Team Robert!“
Die Grünen sind die Partei der Selbstwidersprüche. Auf ihrem Bundesparteitag ist das im Großen wie im Kleinen immer wieder zu beobachten. Staatssekretäre sieht man jetzt im Strickpulli, obwohl sie in Berlin immer ein Hemd tragen. In den Ausstellungshallen verteilen Industrieunternehmen kostenlos Süßigkeiten und der Verband der Automobilindustrie schenkt Kaffee aus. Drinnen im Saal wird wahlweise dem Kapitalismus der Garaus gemacht oder der Freiheit der ökologischen Wirtschaft das Wort geredet. Es gibt bei den Grünen alles, wie an einer Candy Bar.
Kultfigur „Robert“
Zum beginnenden Wahlkampf wird bei den Grünen fast schon ein Personenkult um den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck inszeniert, den sich andere Parteien, außer vielleicht Sahra Wagenknecht, kaum trauen würden. Kaum eine Rede, die ohne das „lieber Robert“ auskommt. Doch zugleich zelebrieren die Grünen noch eine geradezu idealistische Basisdemokratie, die skurril bis ermüdend anmutet – und selbst einige Delegierte fassungslos macht. Denn für ein Parteiamt steht Habeck ja gar nicht zur Wahl. Stattdessen wurden neue Vorsitzende bestimmt, die hinter Habeck und Co-Star Annalena Baerbock immer in der zweiten Reihe laufen werden.
Doch damit nicht genug. Bei der Wahl zu den Bundesvorsitzenden werden aussichtslose Kandidaten mit Bewerbungsreden zugelassen, die sich vor aller Öffentlichkeit um Kopf und Kragen reden dürfen. Frontale Angriffe auf die eigene Politik in der Ampel gehören dazu, oder die Frage, ob man sich mit Krawatte bewerben sollte oder nicht.
„Warum wählen wir Robert Habeck als Kanzlerkandidat, obwohl ihn doch alle mit dem Versagen in der Ampel in Verbindung bringen", sagt der radikale Grüne Matthias Illka, der lieber in die Opposition will als sich in der Regierung zu verbiegen. Auch so etwas gibt es im grünen Parteitags-Saal. Bei der Abstimmung allerdings bekam er weniger als eine Handvoll der Stimmen der 800 Delegierten.
Ricarda Lang warnt vor Elitenprojekt
Eine überraschend selbstkritische Rede hat allerdings Ricarda Lang gehalten. Zu oft habe sie sie sich in „Wording-Prozesse“ verrannt und wie ein Roboter agiert, sagte die scheidende Parteivorsitzende. Der politische Betrieb sei zu sehr auf die Berliner Blase konzentriert und verliere die normalen Leute aus dem Blick. Ricarda Lang ist oft Opfer von Spott und Häme geworden, dabei haben manche möglicherweise ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion übersehen.
Lang thematisierte die Problematik, dass Klimaschutz und grüne Politik Gefahr laufe, als „Elitenprojekt" zu enden. Sie plädierte für weniger moralische Empörung und Überheblichkeit. Die Grünen müssten raus aus der ideologischen Ecke und sich um die Mitte der Gesellschaft sorgen. „Die Menschen spüren das, wenn die Probleme immer größer, die Antworten aber immer technokratischer werden.“
Angesichts der Selbstinszenierung des neuen Beauty-Paars Brantner und Banaszak an der Spitze war für so viel Nachdenklichkeit wenig Platz. Zu einer Neuaufstellung der Grünen hätte es vielleicht doch mehr Ricarda Lang und weniger Haarstyling gebraucht.
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Die rotgrüne Gartenzwergkultur wird hoffentlich in den nächsten Wahlen in das Abklingbecken geschickt.
Mit dieser Ideologie wurde seit Merkel zu viel Schaden in Deutschland angerichtet.