Romeo und Julia in einer Darstellung aus dem Jahr 1890 / dpa

Cancel Culture in den USA - Romeo und Julia haben ausgeschmust

Die politische Rechte in den USA wurde bisher als Schreckgespenst der Cancel Culture gesehen. Doch zunehmend scheinen auch die Republikaner Gefallen an der Absagekultur zu finden – und machen selbst vor Shakespeare nicht halt.

Autoreninfo

Lisa Davidson ist Journalistin, freie Autorin und Podcast-Host. Sie lebt in Virginia, USA. 

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Für die einen ist sie ein wichtiges Mittel für soziale Gerechtigkeit, für andere eine Form der autoritären Pöbelherrschaft: die Cancel Culture. Doch egal, was man von ihr halten mag, sicher ist vor ihr keiner. Dies mussten auch schon berühmte Persönlichkeiten in den USA erleben. Darunter Kevin Hart, der die Oscar-Verleihung 2019 aufgrund angeblich homophober Äußerungen auf Twitter doch nicht moderieren durfte. Oder die Schauspielerin Gina Carano, die aufgrund ihrer kontroversen politischen Ansichten aus der „Star-Wars“-Serie „The Mandalorian“ entfernt wurde. 

Die weit verbreitete Sehnsucht in der US-amerikanischen politischen Linken nach einer sensibleren Art und Weise, miteinander über Identitätsfragen zu sprechen, ist schon länger deutlich sichtbar. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Republikaner in den USA häufig als Gegner der Absagekultur gesehen werden. War das kollektive, republikanischen Motto doch meist, die Cancel Culture anzuklagen und auf der absoluten Redefreiheit zu beharren, die mehr meint als das, was man in Deutschland unter Meinungsfreiheit versteht. Doch die republikanische Partei scheint nun ebenfalls ihre Freude an der Absagekultur entdeckt zu haben.

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Kai Hügle | Sa., 19. August 2023 - 15:21

Möchte einfach nur danke sagen für diesen Beitrag. Und bin schon sehr gespannt auf die anderen Reaktionen hier...

Henri Lassalle | Sa., 19. August 2023 - 15:30

die "Academic Freedom Academy", von einer Vielzahl von Wissenschaftlern in den USA gegründet, um Wissenschaftler vor Mobbing und anderen feinseligen Aktionen zu schützen. "Cancel Culture" führt zurück in frühere Zeiten, als religiöse Eiferer auf kollektiver Ebene Unheil anrichten konnten, wenn Menschen Ansichten vertraten und sie aussprachen, die mit der Doktrin nicht konform waren. Ein Zeichen von Fortschritt ist "Cancel Culture" auf keinen Fall, sondern das Gegenteil. Schuld daran ist, zumindest partiell, der zerbröselnde Staat, das immer blasser werdende Zusammengehörigkeitsgefühl als Nation. Destruktive Gruppen haben daher leichtes Spiel, wie ein Virus ein einem geschwächten Körper.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 19. August 2023 - 16:34

Irgendwann ist es in der USA genauso wie bei uns und der Gipfel des Wahnsinns erreicht, da bin ich mir ganz sicher. Dann geht es wieder "bergab" und möglicherweise in eine Richtung, die wieder keinem gefallen wird. Was De Santis dort macht ist natürlich auch Unsinn. Die Frage ist nur: Macht er es, um das Thema ad absurdum zu führen, in dem er es selbst auf die Spitze treibt oder hofft damit tatsächlich Wähler generieren zu können. Soweit mir bekannt ist, sind noch sehr viele Amerikaner gläubig und in irgendwelchen christlichen Relegionszweigen beheimatet. Für viele sind die Bibel noch immer Grundlage ihres Glaubens. Mals sehen wann diese Klientel auf die Barrikaden gehen wird. Mal sehen, wann Gerichte diesen Schwachsinn stoppen. Dort zählt die Justiz und die Verfassung noch was. Nicht wie bei uns, wo das Grundgesetz tagesaktuell von den Gesetze Machern und der Politik neu "verhandelt" wird. Wenn erstmal in den USA die Emotionen hochgekitzelt sind, könnte "Black lives matter" verblassen

Anlässlich eines Artikels über eine Anklage gegen Trump antworteten Sie auf eine von Ihnen selbst gestellte Frage ("Wird das Recht missbraucht") mit den Worten: "Ich bin so weit zu sagen, ja es wird missbraucht. inzwischen überall hat das Recht seine Grundsätze aufgegeben".

https://www.cicero.de/comment/367578#comment-367578

Nun, vier Monate später, sagen Sie über die USA: "Dort zählt die Justiz und die Verfassung noch was."

Was gilt denn nun?

Jens Böhme | So., 20. August 2023 - 08:29

Schaut man nüchtern in die Weltgeschichte, ist Demokratie nie lange von Dauer. Das liegt an der Natur, der Natur der Lebewesen, hier des Menschen. Wichtige gemeinschaftliche Entscheidungen sind auf Dauer zeit- und nervraubend. Deshalb bleiben Solidarität, Gleichmacherei und Gleichberechtigung immer eine gutgemeinte, aber nichtnatürliche Utopie.

Christoph Kuhlmann | So., 20. August 2023 - 09:16

sagte der große Wizzard. Ich denke politische Konflikte werden inzwischen mit allen Mitteln ausgeführt. Auch in der Demokratie. Ich würde die Gewalt gerne ausschließen, aber das wäre gelogen. Es ist halt eine Frage des Ausmaßes und der Sanktionen. Zensur ist allgegenwärtig. Sei es von rechts oder links. Das ist früher weniger aufgefallen, da es einen common sence gab. Also ein Set von Überzeugungen und Wahrheiten, die einer dominierenden Schicht zu eigen waren. Seitdem diese die Macht verliert, treten die vielen Formen der Unterdrückung weitaus mehr in das Bewusstsein. Damit werden sie in den politischen Prozessen operationalisierbar. Die Gegensätze der Gesellschaft treten offener auf. Es sind immer die Radikalen, die Extreme auf beiden Seiten, welche Lösungen erschweren, aber auch den Finger auf die Wunde legen. Verbotene Bücher werden wahrscheinlich öfter gelesen als empfohlene. Zensur müsste sich im institutionellen Rahmen der Demokratie als kontraproduktiv erweisen.

Hans Page | So., 20. August 2023 - 14:10

Das war das Prinzips des First Amendments. Jeder kann jeden Quatsch erzählen den er will, das bedeutet Meinungsfreiheit. Denn wenn man anfängt eine einzige Äußerung als illegal zu definieren, also zu verbieten, egal wie abstrus oder widerwärtig sie sein mag, dann gibt es keine Grenzen mehr. Denn wer definiert was richtig oder falsch ist? Demokratie kann wirklich nur funktionieren wenn alle Meinungen, auch völlig blödsinnige, geäußert werden können. Der Staat darf keine Gesetze erlassen die die Meinungsfreiheit beschränken.

Völlig anders in Deutschland und Europa wo wirkliche Meinungsfreiheit wie oben definiert nicht existiert. Der Staat reglementiert alles.

Die Cancel Culture beinhaltet dass sich jetzt politische nichtstaatliche „woke“ Gruppierungen das Recht anmaßen die Meinungsfreiheit einzuschränken; damit wird das First Amendment unterlaufen weil soziale Gruppen Sprechverbote erstellen und durchsetzen.

Das kann nur zur extremen Gesellschaftlichen Polarisierung führen. Nicht gut.