Containerhafen in Los Angeles / picture alliance / Nick Ut/AP/dpa | Nick Ut

Neue US-Zollpolitik - Donald Trump verschrottet den Freihandel

Für Donald Trumps Zollpolitik gibt es erfolgreiche historische Vorbilder. Dass er an diese Erfolge anknüpfen kann, erscheint aber unwahrscheinlich. Sollte sich der Einbruch an den Aktienmärkten mit dem Vertrauensverlust in der Wirtschaft aufschaukeln, könnte es zum Absturz der Weltwirtschaft kommen.

Thomas Mayer

Autoreninfo

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Davor bekleidete er verschiedene Funktionen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers und – bevor er in die Privatwirtschaft wechselte – beim Internationalen Währungsfonds in Washington und Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Thomas Mayer promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und hält (seit 2003) die CFA Charter des CFA Institute. Seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten-Herdecke. Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Die Vermessung des Unbekannten“ (2021) und „Das Inflationsgespenst“ (2022).

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Donald Trumps Liebe zu Zöllen war bekannt. Dass er aber so heiß in sie verliebt ist, hat die Märkte dann doch überrascht. Am „Liberation Day“, der in die Geschichte als Tag der Verschrottung des globalen Freihandels eingehen könnte, verkündete er Zölle von 10 bis 50 Prozent. Hatte Finanzminister Scott Bessent vorher noch die Märkte damit etwas beruhigt, dass über die anfangs veröffentlichten Zölle verhandelt werden könnte, verfestigte sich schnell der Eindruck, dass Trumps Zollpolitik todernst gemeint ist. 

Tatsächlich ist sie Teil eines geplanten grundsätzlichen Umbaus der Handels- und Finanzpolitik, bei der Zölle zu mehr wirtschaftlicher Autarkie führen und die Zolleinnahmen einen Teil der Einkommensteuer ersetzen sollen. Widerspenstigen Handelspartnern soll auch mit dem Entzug von militärischem Schutz gedroht werden, wenn sie sich nicht fügen. Das macht frühere Partnerländer der USA, die sich darauf verlassen hatten, besonders erpressbar. Nimmt man Trumps Gelüste nach einer Vergrößerung des Staatsgebiets der USA hinzu, drängt sich der Vergleich mit dem US-Präsidenten William McKinley auf. Dieser verfolgte gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine protektionistische Wirtschaftspolitik und verleibte den USA vormals eingeständige Länder wie Hawaii, Puerto Rico und Guam ein.

McKinley war erfolgreich. In seiner Amtszeit erholte sich die US-Wirtschaft von der Wirtschaftskrise von 1893. Die Industrie wuchs, in der Stahlerzeugung, im Maschinenbau und in der Telekommunikation. Die Landesteile wurden mit Eisenbahnen vernetzt. Im Jahr 1900 band McKinley den US-Dollar fest ans Gold und gewann damit das Vertrauen von Investoren und der Finanzwelt. Seine Schutzzölle für die junge Industrie ließen die heimische Produktion und die Unternehmensgewinne steigen.

Der Fokus auf bilaterale Handelsbilanzen statt der gesamten US-Leistungsbilanz ist abwegig

Dass Donald Trump an die Erfolge McKinleys anknüpfen kann, erscheint aber unwahrscheinlich. Als größte Volkswirtschaft der Welt sind die USA über den Bedarf an Schutzzöllen weit hinaus. Für Ökonomen völlig bizarr ist der Fokus der Handelspolitik auf bilaterale Güterhandelsströme. Zur Aufstellung einer Zolltabelle errechneten Trumps Berater in einem ersten Schritt „effektive“ Zölle anderer Länder auf US-Importe. Dazu wurde das Handelsbilanzdefizit der USA mit dem jeweiligen Land durch den Wert der von den USA von diesem Land importierten Güter geteilt. Der Quotient aus diesen Werten soll den Zollsatz angeben, der nötig wäre, um die bilaterale Handelsbilanz zwischen den USA und dem entsprechenden Land auszugleichen. Wäre also das Handelsbilanzdefizit der USA so groß wie die Importe – und der Quotient eins –, müssten alle Importe aus diesem Land mit einem Zoll von 100 Prozent belegt und damit eliminiert werden. 

Die Liste der so berechneten „effektiven“ Zölle reicht von 10 Prozent bis 97 Prozent. Von dieser Tabelle wurde in einem nicht näher erklärten Verfahren (möglicherweise einfach durch Halbierung der höheren Werte) eine Liste „reziproker“ Zölle mit Werten von 10 bis 50 Prozent abgeleitet, die demnächst in Kraft treten sollen. Die Europäische Union liegt mit 20 Prozent im Mittelfeld, am härtesten erwischt es – warum auch immer – mit 50 Prozent das kleine Land Lesotho im Süden Afrikas. China ist mit 34, Vietnam mit 46 Prozent dabei. Noch sind ein paar Produkte wie kritische Mineralstoffe oder Pharmazeutika und der Handel mit Kanada und Mexiko, der aber teilweise schon mit einem Zoll von 25 Prozent belegt ist, von den neuen Zöllen ausgenommen. Im Durchschnitt dürften die Zölle dennoch von 2 Prozent auf über 20 Prozent steigen.

Kein Wunder, dass die Finanzmärkte auf die Ankündigung mit Entsetzen reagiert haben. Der Fokus auf bilaterale Handelsbilanzen statt der gesamten US-Leistungsbilanz ist abwegig. Der Versuch, diese Bilanzen mit Zöllen statt mit einer Änderung der die US-Nachfrage treibenden expansiven Fiskalpolitik ausgleichen zu können, ist zum Scheitern verurteilt. Und der Umbau der Staatseinnahmen von traditionellen Steuern zu Zöllen dürfte sich als ein undurchführbares Unterfangen erweisen.

Gleichzeitig steigt mit den Zöllen die Inflation, sodass es zur „Stagflation“ kommen dürfte

Mit seiner konfusen Politik schafft Trump im Gegensatz zu McKinley Verwirrung und Unsicherheit. Das dürfte sich auch auf die Wirtschaft auswirken. Erste Schätzungen rechnen mit einem Wachstumsverlust für die USA von einem Prozentpunkt allein durch die Zölle. Die lange erwartete Rezession ist damit wahrscheinlicher geworden. Gleichzeitig steigt mit den Zöllen die Inflation – nach ersten Prognosen der Deutschen Bank um bis zu 2 Prozent –, sodass es zur „Stagflation“ kommen dürfte. Wachstumsverluste werden auch die von den Zöllen betroffenen Länder erleiden. 

Sollte sich der Einbruch an den Aktienmärkten mit dem Vertrauensverlust in der Wirtschaft aufschaukeln, könnte es zu einem Absturz der Weltwirtschaft kommen. Ein Hauch der Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er-Jahre liegt in der Luft. Damals zwang ein Einbruch am Aktienmarkt zusammen mit einem globalen Handelskrieg die Wirtschaft weltweit auf die Knie. Heute dürften die Zentralbanken der Wiederholung dieses Desasters mit einer expansiven Geldpolitik vorbeugen – und damit die Inflation weiter befeuern.

In seiner ersten Amtszeit legte Donald Trump auf die Zustimmung der Finanzmärkte zu seiner Politik großen Wert. Davon ist gegenwärtig nichts mehr zu sehen. Er scheint seine Politik mit der Brechstange durchsetzen zu wollen. Doch am Ende wird er am Verdikt des berühmten österreichischen Finanzministers Eugen von Böhm-Bawerk aus dem 19. Jahrhundert scheitern: Ökonomisches Gesetz bricht politische Macht. Hoffen wir in unser aller Interesse, dass es nicht zu lange dauert, bis dies geschieht.

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Theodor Lanck | Do., 3. April 2025 - 19:55

Vielleicht erlebt Trump in Kürze seinen Liz-Truss-Moment, nicht wegen unverantwortlicher Steuersenkungen, sondern wegen untragbarer Zollerhöhungen. Anders als zu McKinleys Zeiten sind die Finanzmärkte zu groß und zu unabhängig, sprich: zu mächtig, als dass eine Regierung (auch der USA) sich länger gegen diese stellen könnte. Es sei denn, Trump führte auch Kapitalverkehrskontrollen ein...

Christoph Kuhlmann | Do., 3. April 2025 - 19:57

Beide Indizes haben noch enorm viel Luft nach unten. Aktien, die bereits 20-30% auf ihren 52 Wochen Höchststand abgegeben haben, haben heute weitere 7% verloren. Die Konsequenzen der Zölle für viele Unternehmen sind noch gar nicht abzusehen. Wenn diese Zölle ein halbes Jahr bestand haben, dürfte eine globale Rezession die Folge sein. Auch ohne Gegenmaßnahmen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 4. April 2025 - 08:05

einsetzen, solange, wie es zum Schutz US-amerikanischer Produkte nötig scheint?
Dafür ist eine bilaterale Vorgehensweise evtl. sinnvoll, sollte jedoch im Gesamtzusammenhang der US-Wirtschaft gesehen werden.
Es ist dann nicht nachhaltig, wenn Trump auf eine ökonomische Strukturpolitik im eigenen Land verzichtet?
Europa sollte genau mit jener beginnen und damit einer sinnvollen Autonomie.
Ich bin nicht einfach so für unregulierten Freihandel und unstrukturierte Märkte.
Es braucht Absicherungen, z.B. eine Finanzmarkttransaktionssteuer und vieles mehr, wovon Experten sehr viel besser sprechen können.
Die Weltwirtschaft geht schon nicht unter...
Immer diese Panik.
Kurzfristig kann man notleidender Industrie staatlicherseits unter die Arme greifen oder andere, stabilere Standorte mitaufbauen helfen und sei es im eigenen Land, z.B. High Tech?
Warum restriktiv agieren, wenn es auch produktiv geht?
Europa ist ein großer Markt und zuverlässig!
Trump weiss, dass Grönland eine Zukunft Amerikas ist

zu holen, erinnere aber an "Die offenen Adern Lateinamerikas" von Eduardo Galeano und dass die USA , Nordamerika, incl. Grönland noch offene Rechnungen mit Europa haben könnten.
Man muss doch auch in die Zukunft schauen.
Als völliger Laie gefragt, kann man den Ländern dort nicht auch so eine Art "Targetzonen" anbieten, um Disruptionen besser bewältigen zu können?
Es kann natürlich nicht sein, dass wir den Amis ihren Way of Life oder wirtschaftlichen Expansionen finanzieren, aber atmende Beziehungen sind allemal besser als gar keine oder sehr restriktive?
Auf der Website von Prof.Dr. Sinn steht etwas zu unseren Targetschulden, bzw. Vermögen in Europa.
Zugegeben bin ich sehr konfliktavers, wenn es auch anders geht.

Klaus Funke | Fr., 4. April 2025 - 15:49

Ich denke, in einem Vierteljahr wird Trump klein beigeben. Das hat er sich nicht richtig überlegt. Ist alles zu unausgewogen und überstürzt. Die Finanzeliten sind mächtiger als Trump oder die USA. Man lässt ihn eine Weile spielen und zieht dann den Stecker. Oder: Es findet sich ein neuer Lee H. Oswald...