Innenministertreffen der EU. Eine breite Mehrheit von EU-Staaten hat sich nach jahrelangen Verhandlungen auf Pläne für eine weitreichende Reform des EU-Asylsystems verständigt / picture alliance

EU-Staaten einigen sich auf verschärfte Asylverfahren - „Der Kompromiss ist ganz und gar kein einfacher“

Die EU-Staaten haben sich auf eine weitreichende Reform des Asylsystems geeinigt. Vor allem der Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive soll härter werden. Entsprechende Gesetze könnten noch vor der Europawahl im Juni 2024 verabschiedet werden.

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Die Asylverfahren in der EU sollen angesichts der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden. Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg stimmte am Donnerstag eine ausreichend große Mehrheit an Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne, wie der schwedische Ratsvorsitz am Donnerstagabend nach stundenlangen schwierigen Verhandlungen mitteilte.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Es waren keine leichten Entscheidungen, für alle die hier am Tisch stehen, aber es waren historische.“

Vorgesehen in den nun vereinbarten Reformplänen ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie allerdings letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte. Bundesinnenministerin Faeser sagte nach der Entscheidung allerdings, dass sich die Bundesregierung gemeinsam mit Portugal, Irland und Luxemburg weiter für Ausnahmen einsetzen wird. Denkbar ist auch, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln.

Mehr Solidarität mit belasteten Mitgliedstaaten

Neben den verschärften Asylverfahren sehen die am Donnerstag beschlossenen Pläne auch mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vor. Sie soll künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Zudem sollen die Reformpläne weitreichende Kooperationsprojekte mit Nicht-EU-Ländern ermöglichen. Nach Angaben der zuständigen Kommissarin Ylva Johansson könnten abgelehnte Asylbewerber künftig grundsätzlich auch in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden. Einzige Voraussetzung soll sein, dass sie eine Verbindung zu diesem Land haben. Wie diese aussehen muss, soll im Ermessen der EU-Mitgliedstaaten liegen, die für das jeweilige Asylverfahren zuständig sind.
 

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Die Bundesregierung hatte sich eigentlich dafür stark gemacht, einen reinen Transitaufenthalt in einem Drittstaat nicht als Verbindung anzuerkennen, sondern nur zum Beispiel durch im Land lebende Familienangehörige. Diese Forderung musste allerdings am Donnerstag im Laufe der Verhandlungen aufgegeben werden, um eine Einigung auf die Pläne für die Asylreform zu ermöglichen. Sollte sie beschlossen werden, könnte damit zum Beispiel Italien über das Mittelmeer kommende Menschen in das Land zurückschicken, wenn sich die Regierung in Tunis einverstanden damit erklärt. Um sie zu einer Zustimmung zu bewegen, könnte etwa finanzielle Unterstützung geleistet werden.

In einer Erklärung zu der Einigung wird auch festgehalten, unter welchen Voraussetzungen Behörden in der EU Asylanträge ohne detaillierte Prüfung für unzulässig erklären können. Dies soll demnach möglich sein, wenn sie von Flüchtlingen gestellt werden, die über einen sicheren Drittstaat eingereist sind. Voraussetzung dafür soll sein, dass die Menschen auch in diesem sicheren Drittstaat effektiven Schutz gewährt bekommen könnten.

Die noch ausstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen.

Arbeit an der Umsetzung steht an

An der Reform wird bereits seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 intensiv gearbeitet. Damals waren Länder wie Griechenland mit einem Massenzustrom an Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert und Hunderttausende konnten unregistriert in andere EU-Staaten weiterziehen. Dies hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn nach der sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylbewerber da registriert werden, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben. Dieses Land ist in der Regel auch für den Asylantrag zuständig.

Nicht unterstützt wurde die Reform bei dem Treffen von den Ländern Polen, Ungarn, Malta, der Slowakei und Bulgarien. Tschechien machte nach der Einigung deutlich, dass es sich nicht an dem Solidaritätsmechanismus beteiligen will. Polen und Ungarn hatten sich bereits in der Vergangenheit ähnlich geäußert. Faeser ließ sich davon allerdings am Abend nicht die Laune verderben. „Ich finde, das lässt sich wirklich sehr gut sehen“, sagte sie kurz nachdem es im Sitzungssaal Applaus zur erfolgreichen Abstimmung gegeben hatte. Jetzt müsse man an der Umsetzung und den konkreten Ausgestaltungen arbeiten.

Grüne sind verärgert

Vorher könnte vor allem den Regierungspolitikern der Grünen noch Ärger drohen. Aus den Reihen der deutschen Grünen war noch kurz vor der Abstimmung Kritik gekommen. Der Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke sagte: „Die Reform schafft keine faire Teilung von Verantwortung, das ist für Staaten wie Italien ein zentrales Problem.“ 

Auch wären die Regelungen zur Verteilung von Geflüchteten wirkungslos, „wenn Staaten sich einfach rauskaufen können und stattdessen Grenzschutz finanzieren“. Damit würden „überfüllte Massenlager“ zum neuen Standard – dem dürfe Faeser nicht zustimmen. Mit Blick auf Faesers Spitzenkandidatur in Hessen sagte Pahlke, die Bundesinnenministerin müsse das Wohl Flüchtender im Blick haben und nicht die Taktik für ihren Landtagswahlkampf.

Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte hingegen die Zustimmung der Parteiführung. „Der Kompromiss ist ganz und gar kein einfacher. Zur Ehrlichkeit gehört: Wenn wir die Reform als Bundesregierung alleine hätte beschließen können, dann sähe sie anders aus“, schrieb sie am Donnerstag in einer Erklärung. „Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Wer meint, dieser Kompromiss ist nicht akzeptabel, der nimmt für die Zukunft in Kauf, dass niemand mehr verteilt wird.“

Quelle: dpa
 

CDU-Politikerin Serap Güler über die Silvesterkrawalle in Berlin
 

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Die Cathy | Fr., 9. Juni 2023 - 07:43

Ich verpflichte mich hiermit feierlich, diesem Personenkreis zugehörige Personen in der Anzahl aufzunehmen, wie sie bei führenden Grünen Persönlichkeiten aus Vorständen und Fraktionen in der BRD in deren privaten Haushalten Aufnahme finden....

Ingo Frank | Fr., 9. Juni 2023 - 07:44

wie sich der (faule ?) Asylkompromiss sich auf die zukünftigen Umfragewerte der „niemand will sie Partei“ auswirken. Und ob das nun europäisch „gelöste“ Asylproblem als zentrales politisches Alleinstellungsmerkmal der AFD, wie immer und überall behauptet wird, einen Effekt bringt.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Detlev Bargatzky | Fr., 9. Juni 2023 - 08:02

... dieses Beschlusses, wenn sie schriftlich fixiert, verbindlich vereinbart und in Form der Aufnahmeeinrichtungen realisiert sind.
Und zu guter Letzt müssen sowohl die wirksamen Verfahren inkl. der "versprochenen" Rückführungen umgesetzt und die vielen deutschen Sonderwege ("Fachkräfte" wg. der Demoskopie, diskrete Transporte aus Afghanistan etc. endlich geschlossen werden.

Und das wird bis 2024 sicher nicht funktionieren!

Aber erst dann wäre ich von dieser Vereinbarung halbwegs überzeugt.

Martin Janoschka | Fr., 9. Juni 2023 - 08:07

Das wurde aber auch Zeit. Mittlerweile war man sich in Europa ja über eine gemeinsame Politik schon lange einig - bis auf die bremser und Befürworter der unbegrenzten Migration, Deutschland und Luxemburg.
Das die deutschen Grünen aufjaulen war zu erwarten, aber Europa wird nun einmal nicht an den Ansichten der deutschen grüninnen und grünen genesen. Für deren mindermeinung war weder in den Bevölkerungen noch in der europäischen Politik noch Platz.
Und jetzt zügig und vor allem konsequent durchsetzen. Auf armutsmigranten, fast ausschließlich ungebildet und ungelernte junge Männer, kann ganz Europa gut verzichten.

Hans Jürgen Wienroth | Fr., 9. Juni 2023 - 08:25

Das Wohl der Flüchtenden ist für Herrn Pahlke und seine Parteikollegen viel wichtiger als das Wohl der in diesem Land lebenden Menschen.
Bis dieser faule Kompromiss wirken kann, wird er zu einer noch größeren Fluchtwelle führen, weil jeder noch vorher kommen will.

Sabine Jung | Fr., 9. Juni 2023 - 09:45

zusammenfassend kann man sagen, es bleibt größtenteils wie es ist. Rückführung geht ja auch dann nicht, weil erhebliche Gefahren in den Ländern sind, wo die Asylanten herkommen. Und manche Länder wie Ungarn und Polen können sich eben freikaufen, wenn sie keine Asylanten mehr nehmen.
Also alles wie gehabt.

Maria Arenz | Fr., 9. Juni 2023 - 09:51

Deutschland hat seit Ausbruch der Willkommenskultur 2015 mehr Asylbewerber aufgenommen als alle anderen EU-Staaten zusammen und das wird entgegen ihrer Annahme schon allein deshalb so bleiben weil wir schon so viele aufgenommen haben, die auch weiterhin immer mehr ihrer Landsleute nachziehen werden- völlig rationales Verhalten der Leute. Die sich neben Deutschland für großzügigere Regeln beim Hereinlassen einsetzenden Irland, Portugal und Luxemburg sind übrigens nicht nur absolut sondern auch bezogen auf Asylbewerber pro 1000 Einwohner absolute Schlußlichter bei der praktischen Fernstenliebe. Da niemand dort hinwill, können sie leicht mehr Großzügigkeit fordern. Daß Grün-Rot-Deutschland trotz bereits mehr als evidenter Überforderung mit den Folgen des seit 2015 beschrittenen Sonderwegs immer noch nicht zu Verstand gekommen ist, hat mit derselben irrationalen Grundbefindlichkeit dieser Kreise zu tun, mit der sie auch Energiepolitik betreiben. Irre, einfach irre.

Naumanna | Fr., 9. Juni 2023 - 10:19

Warum haben die Länder Polen Ungarn Malta Slowakei und Bulgarien die Reform nicht unterstützt? Das fehlt hier im Artikel, um den Prozess nachvollziehen zu können.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 9. Juni 2023 - 16:10

Die einen werden natürlich versuchen, den Beschluss so restriktiv zum Selbstschutz durchzuführen. Während andere bereits die Lücken suchen, an der ein oder anderen Schraube zu drehen. Und unsere GRÜNEN werden solange nörgeln, bis Olaf vergessen hat, dass man zugestimmt hat und Baerbock und den Grünen freie Hand lassen, die Bestimmungen nach aller Regel der Kunst auszuhebeln. Und noch liegt ja nur eine Absicht vor, eine Ankündigung zu verschärfen. Wie das inhaltlich ganz konkret, Punkt für Punkt ausgestaltet wird und auch von jedem umgesetzt wird wage ich zu bezweifeln. Man will sich in der Migrationspolitik verschärft bewegen, das ist der Tenor. Nur ob alle in eine Richtung gehen werden und mit welcher Ausdauer? Ich glaube dieses ganze Theater erst dann, wenn mal etwas konkret absehbar ist, Jedenfalls für einen fetten Krach bei den GRÜNEN dürfte es reichen. Das wäre natürlich der größte Erfolg.