- Im Land des Feuers
Wegen seiner geografischen Lage und seinen Ölreserven ist Aserbaidschan interessant für die EU, die USA und Russland gleichermaßen. Noch verirren sich Westeuropäer selten in das Land, das der Türkei kulturell nahesteht und mit Israel kooperiert. Das soll sich ändern. Ein Besuch.
Baku, Anfang September. In der aserbaidschanischen Hauptstadt am kaspischen Meer startet unsere Reise durch den Kaukasus. Aserbaidschan ist das östlichste Land der Region, liegt im Clinch mit seinem westlichen Nachbarn Armenien und ist ein enger Verbündeter der Türkei. Der Name Aserbaidschan heißt „Land des Feuers“.
Von den rund zehn Millionen Einwohnern leben 2,2 Millionen in der Hauptstadt. Gepflegte Parkanlagen, moderne Hochhäuser und Springbrunnen säumen Bakus Straßen. Das historische Zentrum ist die mittelalterliche Altstadt, die mit ihren kleinen Gassen, Antiquitätenläden und Dutzenden Katzen das Gegenteil zur sonst modernen Stadt darstellt. Baku, oder auch „Baki“, wie es die Einheimischen nennen, ist eine Mischung aus Moderne und Tradition.
Unser Hotel liegt nicht weit entfernt vom Palast der früheren Schirwanschah-Dynastie, die das Land vom 8. Jahrhundert bis zum 16. Jahrhundert regierte. Der Besitzer erzählt uns, dass er der nationale Judo-Champion sei. Diese Sportart wird im Land sehr geschätzt. In zwei Jahren soll in Aserbaidschan die Judo-Weltmeisterschaft stattfinden. Was die öffentliche Sicherheit angeht, dürfte das kein Problem werden. In Baku sind zahllose Kameras installiert, auch die Polizeipräsenz ist enorm. Präsident Ilham Äliyev ist seit 22 Jahren an der Macht in einem Land, das laut Demokratieindex als autoritärer Staat gilt. Also fahren wir zwischendurch raus aus Baku. Weg von den vielen Kameras.
In bester sowjetischer Tradition
Aserbaidschan ist mit seinen 87.000 km² nur etwas größer als Bayern (70.000 km²). Das Klima im Land verändert sich entsprechend der Region. Ist es im Süden an der Küste noch feucht-tropisch mit viel Regen, weist es nördlich davon ein arides Steppenklima auf. Die Hauptreligion im Land ist der Shia-Glaube, die zweitgrößte Richtung des Islams. Außerhalb der Hauptstadt wird auf überdimensionierten Tafeln der gefallenen Soldaten der Konflikte mit dem Nachbarn Armenien gedacht. In bester sowjetischer Tradition werden sie als Helden der Unabhängigkeit gefeiert und geehrt.
In der Umgebung machen wir Ausflüge zu einigen Sehenswürdigkeiten, wie etwa zum ersten mechanische Erdölbohrturm der Welt, der im Jahr 1847 errichtet wurde. Die Förderung des schwarzen Goldes ist die Lebensgrundlage des Landes. Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts förderte Baku die Hälfte des weltweiten Erdöl-Bedarfes. Oft sieht man unterwegs auch Porträts von Heidar Alijew, dem Vater des aktuellen Präsidenten. Er leitete das Land seit der 1991 erworbenen Unabhängigkeit und blieb bis 2003 im Amt. Unter seiner Amtszeit begann der Erdölboom und führte zu einem rasanten Aufstieg von Aserbaidschans Wirtschaft.
Kommt ihr aus Russland?
Inzwischen nimmt die Ölförderung allerdings ab. Unser Guide etwa glaubt, dass in 30 bis 40 Jahren Schluss sei mit der Ölförderung. Heißt auch: In den nächsten Jahrzehnten muss Aserbaidschan seine Industrie diversifizieren, wenn es seinen Wohlstand aufrechterhalten will. Dabei spielen der Agrarsektor und andere Industrien eine Rolle. Aber auch der Tourismus. Während unseres Aufenthaltes laufen in Baku die Vorbereitungen für die Formel 1, die seit einigen Jahren in der Hauptstadt gastiert. Durch solche Prestige-Events sollen auch Touristen ins Land gelockt werden.
Aserbaidschan ist, so ein Fazit unseres Besuchs, ein spannendes Reiseland. Doch Westeuropäer sieht man dort bisher selten. Die meisten Touristen kommen aus den arabischen Ländern oder Russland. Russischkenntnisse sind in Aserbaidschan daher von Vorteil. Englisch oder Deutsch wiederum ist nicht weit verbreitet. In Restaurants lautet die erste Frage daher immer, ob wir aus Russland kommen. Es wird schnell normal für uns, auf Russisch oder der Landessprache angesprochen zu werden. Antworten wir darauf „Salam“, erfreut das die Menschen, mit denen wir in Aserbaidschan nur gute Erfahrungen machen.
Die Flamme wird kleiner
Seit der Unabhängigkeit kämpfte Aserbaidschan zweimal gegen Armenien, 1994 unterlag es, 2020 gewann es hingegen den Krieg. In beiden Konflikten ging es um die Provinz Bergkarabach, die völkerrechtlich Aserbaidschan gehört, jedoch mehrheitlich von Armeniern bewohnt wurde. Nach dem Sieg 2020 flohen die armenischen Bewohner aus dem Gebiet. Der Konflikt zwischen beiden Ländern hält bis heute in Form von Grenzstreitigkeiten an, wobei fast wöchentlich Menschen sterben. Daher auch die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes: „Vor Reisen in die Region Karabach und das gesamte Grenzgebiet zu Armenien wird gewarnt.“
Vom Ölbohrturm geht es weiter zu den Schlammvulkanen südlich der Stadt. Diese sind ein Naturphänomen, welches viele Touristen anzieht. Auch wir wollten diese merkwürdigen Gebilde unbedingt sehen. Der Schlamm soll gut sein für die Haut. Doch obwohl viele Aserbaidschaner diesen Ort besuchen, gibt es dort kaum Infrastruktur. Der Weg mit dem Mini-Bus führt über Schlaglöcher und hier und da gerade so die steilen Hügel hinauf. Doch vor Ort gibt es außer kleinen Kratern nicht viel zu sehen.
Spannender ist da schon der Feuerberg, der eher an eine Feuerquelle erinnert. Aus dem Steinboden in Yanardag entweicht Gas, welches bereits seit Tausenden von Jahren brennt. Diese immerwährende Flamme aus dem offenen Steinboden wurde schon in der Antike verehrt. Seit Aserbaidschan am Feuerberg Gas fördert, wird die Flamme jedoch kleiner und kleiner – und droht bald zu erlöschen. Von drei Feuerstellen existiert bereits jetzt nur noch eine im „Land des Feuers“.
Ein Ärgernis für Teheran
Wegen seiner geografischen Lage und seinen großen Ölreserven ist Aserbaidschan auch im Fokus der EU, der USA und Russlands. Die Regierung kann sich so die besten Deals schnappen, ohne sich einer Seite vollends anzuschließen. Das Land dient somit als Brücke zwischen Europa und Asien. Wichtigster Wirtschaftspartner ist die Türkei. Beide Länder verbindet auch eine ähnliche Kultur. Im Land sind immer wieder Türkei-Flaggen zu sehen und im Teehaus werden zum schwarzen Tee türkische Baklava serviert. Mit seinen christlichen Nachbarländern kann Aserbaidschan dagegen weniger anfangen.
Gemeinsamkeiten bestehen außerdem zu den im Iran ansässigen Azari, deren Kultur jener der Aserbaidschaner ebenfalls sehr ähnlich ist. Das iranische Regime sieht das kritisch. Zu groß die Angst, dass immer mehr Azaris übersiedeln wollen, weil Aserbaidschan einen besseren Lebensstandard verspricht. „Aserbaidschanische Iraner“ gibt es heute schon viele. Zu viele, findet Teheran. Ein weiteres Ärgernis ist, aus der Perspektive Teherans, Aserbaidschans gutes Verhältnis zu Israel.
Die Kooperation der beiden Länder reicht von Öllieferungen über Waffenlieferungen bis zur generellen Unterstützung. Der Iran bezichtigte Aserbaidschan bereits, Agenten des Mossad zu beherbergen, um iranische Einrichtungen zu überwachen. Doch geopolitisch versucht Aserbaidschan vor allem, sich nicht eindeutig zu positionieren. Politische Leitlinie des Landes ist es, seine Unabhängigkeit zu wahren und seinen Wohlstand zu mehren. Einen Nato-Beitritt hat das Land bisher nicht geäußert, kein Wunder mit Russland und dem Iran als Nachbarländer.
Ein verschlossenes Tor an der Grenze
Nach Baku geht es für uns weiter nach Shaki, einer Stadt im Westen des Landes. Der dortige Palast des Shaki Khans ist im gesamten Kaukasus bekannt und das Symbol eines lokalen Fürsten des 18. Jahrhunderts. Außerdem liegt im Norden der Stadt die alte christliche Kirche der „Albaner“. Einer Volksgruppe, auf die Aserbaidschaner ihre Wurzeln beziehen, die aber nichts mit den europäischen Albanern zu tun hat. Von Shaki wollen wir über die aserbaidschanisch-georgische Grenze weiterreisen.
Einheimische jedoch warnen uns, dass die Grenze geschlossen sei. Wir wollen es trotzdem wagen und suchen uns einen Taxifahrer. Er fährt uns für 20 Euro zum 160 Kilometer weit entfernten Grenzübergang. Dort erwartet uns tatsächlich ein verschlossenes Tor. Doch als wir uns schon am Ende unserer Reise wähnen – von unserem Taxi waren nur noch die Rücklichter zu sehen – wird uns das Tor von einem Soldaten geöffnet. Nach zwei Passkontrollen überqueren wir die Grenzbrücke und verlassen Aserbaidschan, das „Land des Feuers“. In Georgien begrüßen uns Europa-Fahnen und Polizei statt Militär am Grenzposten. Salam.
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Russland hat vielfache Möglichkeiten Pipelines von Aserbeidschan nach Europa zu unterbrechen. Die Rohstoffe dort sind wohl eher für China interessant, weil es Russland kontrollieren kann. Möglicherweise auch für die Türkei. That's it.
Wie ich schon an anderer Stelle beschrieb. Die geopolitischen Konflikte laufen entlang der Lage der Rohstoffquellen und ihrer Transportwege.
In den jeweiligen Staaten die an Russland Grenzen, stehen die Bevölkerungen nicht einheitlich in einem politischen Lager!
Jene, die Neigungen zur westlichen Lebensart verspüren, oder einfach oppositionelle Kräfte, werden vom "Westen" benutzt, um diese Bevölkerungsteile an die Macht zu bringen. Sie werden zu trojanischen Pferden aufgebaut, um die Rohstofferschließung und den Handel damit (Verteilung) unter westliche Kontrolle zu bringen.
Das ganze wird heuchelnder Weise mit "Freiheitskampf" im Westen beschrieben. Aber schauen wir doch unsere Freiheiten, Corona (Aufhebung von Grundrechten), Meinungsfreiheit (DSA Digitaler Service Act), Parteienausgrenzung und vieles mehr.
Betreibt friedlichen Handel miteinander, keine Kriege darum, respektiert die anderen Staaten und untergrabt sie nicht für eure eigenen Machtinteressen!