Wer in Chicago gewählt hat, bekommt einen Sticker als Dankeschön und um andere Bürger zum Wählen zu animieren / picture alliance

Harris oder Trump? - So funktioniert das US-Wahlsystem

Weil die Amerikaner ihren Präsidenten nicht direkt wählen, kann auch derjenige Kandidat an die Macht kommen, der weniger Stimmen bekommen hat. Wie geht das? Fragen und Antworten zur Funktionsweise des US-Wahlsystems.

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Insgesamt fünfmal ist das bisher passiert: In den USA kann auch der Kandidat Präsident werden, der insgesamt weniger Wählerstimmen auf sich vereint. Zuletzt war das 2016 der Fall: Obwohl die Demokratin Hillary Clinton über 2,5 Millionen mehr Wählerstimmen als ihr Konkurrent bekam, hieß der US-Präsident fortan Donald Trump. 

Warum kann auch der Kandidat mit weniger Stimmen gewinnen? 

Das liegt am Wahlsystem in den USA: Die Wähler können nicht direkt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Das entscheidet die Wahlversammlung („Electoral College“). Die besteht aus insgesamt 538 Wahlleuten aus allen Bundesstaaten. Präsident wird, wer mindestens 270 Stimmen erhält. 

In jedem Bundesstaat gibt es eine bestimmte Anzahl von Wahlleuten, die abhängig von der Einwohnerzahl ist. In Staaten mit vielen Menschen sind es mehr: etwa 54 Wahlleute in Kalifornien. Dort, wo nicht so viele Menschen wohnen, sind es weniger: 3 Wahlleute in North Dakota. 

Das US-Wahlsystem hält dabei eine weitere Besonderheit bereit: In den meisten Bundesstaaten bekommt der Präsidentschaftskandidat, der sich die Mehrheit beim Volk sichern kann, die Stimmen aller Wahlleute. Wählerstimmen für den unterlegenen Kandidaten verfallen also.

Wie könnte ein mögliches Szenario aussehen? 

Dazu ein Szenario für die anstehende Wahl: Falls der Republikaner Trump in Florida mit nur 50,1 Prozent der Stimmen gewinnen sollte, bekäme er die Stimmen aller 30 Wahlleute des Bundesstaats. Die Gegenkandidatin Kamala Harris ginge in diesem Fall leer aus. Es gilt das Prinzip: „Winner takes it all“.

Woher kommt das Prinzip? 

Als 1787 die Verfassung der USA geschrieben wurde, trauten die Gründungsväter den Bürgern nicht zu, den Präsidenten selbst zu wählen. Wahlberechtigt war vorerst nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, nämlich protestantische weiße Männer mit Grundbesitz. Parteien und Vorwahlen gab es auch nicht. Als Ausweg wurde das „Electoral College“ eingesetzt. Versuche, dieses System abzuschaffen und den Präsidenten direkt zu wählen, sind bisher gescheitert.

Warum ist Wählen in den USA so kompliziert?

Das dezentral organisierte US-Wahlsystem erlaubt den einzelnen Staaten viel Freiraum in der Gestaltung des Wahlablaufs. Das hat zur Folge, dass die Wahlen nicht in großem Stil beeinflusst werden können. Doch die organisatorische Bandbreite der insgesamt rund 10.000 Wahlbezirke birgt auch Unsicherheiten. Zur Transparenz sind vielerorts Wahlbeobachter beider Parteien zugelassen.

Warum dauert die Auszählung so lange?

Zuerst einmal wegen der schieren Größe der USA: Die Auszählung von voraussichtlich rund 160 Millionen Stimmen in verschiedenen Zeitzonen erfordert erhebliche Ressourcen. Besonders die Briefwahlstimmen verzögern in einigen Staaten den Prozess, weil sie dort erst am Wahltag geöffnet und bearbeitet werden dürfen. 

Während die meisten Staaten – wie Georgia – bestimmte Schritte vorziehen, geht das etwa im bevölkerungsreichsten Staat unter den sieben „Swing States“, in Pennsylvania, und auch in Wisconsin nicht. Allerdings nutzten 2020 viele Amerikaner pandemiebedingt die Briefwahl, was diesmal weniger erwartet wird. Ein weiteres Hindernis können komplizierte Stimmzettel oder Anforderungen für den Identitätsnachweis sein, die in einigen Staaten vorgeschrieben sind.

Können die ersten Ergebnisse täuschen?

Absolut. Einige Staaten beginnen mit der Auszählung der am Wahltag abgegebenen Stimmen. Diese kommen dann oft eher den Republikanern zugute, weil Demokraten tendenziell stärker die Briefwahl nutzen. Dies kann dann zunächst einen Vorsprung für Trump suggerieren, der sich durch die später ausgezählten Briefwahlstimmen zugunsten der Demokraten verschieben könnte – ein Phänomen, das Raum für Falschbehauptungen bietet.

Könnte ein knappes Ergebnis eine Nachzählung auslösen?

Ja. In einigen Staaten wird dann automatisch nachgezählt. Bei größeren Abständen können die Kandidaten in manchen Staaten eine Nachzählung beantragen. Das Ergebnis ändert sich dadurch allerdings fast nie, sagen Wahlexperten.

Wann steht fest, wer gewonnen hat?

Da es in den USA keine zentrale Wahlleitung gibt, sind alle Blicke auf die „Decision Desks“ der Medienhäuser gerichtet – sie rufen auf Basis von Wählerbefragungen und ersten Stimmauszählungen einen Sieger oder eine Siegerin in den einzelnen Bundesstaaten aus. Ob noch in der Wahlnacht feststehen wird, wer insgesamt gewonnen hat, ist unklar. 2020 dauerte das mehrere Tage. 

Bis es ein hochoffizielles Ergebnis gibt, braucht es ohnehin deutlich mehr Zeit. Die Resultate aus allen Bundesstaaten müssen offiziell zertifiziert werden: auf lokaler Ebene, von den Bundesstaaten und schließlich vom US-Parlament. Bei diesem komplizierten Prozedere, das sich bis in den Januar zieht, kann es quasi an jeder Stelle Verzögerungen geben – etwa durch politischen Druck. 

Können Zweifler dieses Prozedere juristisch beeinflussen?

Es ist zu erwarten, dass Trump-Unterstützer auch diesmal auf juristischem Weg gegen die Ergebnisse vorgehen werden, sollte Trump verlieren. Bei der Wahl 2020 führten solche Klagen in einigen Bundesstaaten zu kurzen Auszählungsstopps. Bereits jetzt laufen Dutzende Klagen, die hauptsächlich in „Swing States“ und von republikanischer Seite eingebracht wurden. dpa

 

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Jens Böhme | Di., 5. November 2024 - 09:13

Ein versifftes Wahlsystem. Eigentlich nur für Show und Kirmes geeignet. Was fehlt, ist das Kandidat selbst im vollen Umfang den Wahlkampf finanzieren bzw. Spenden dafür eintreiben muss.

Ernst-Günther Konrad | Di., 5. November 2024 - 11:49

Es ist ein gewachsenes amerikanisches System, das uns Europäern sicher komisch vorkommt. Die Amis selbst müssen wissen, ob sie es beibehalten oder nicht. Typischer dpa-Artikel. Zum Schluss wieder die wahrheitswidrige Behauptung, das nur REPS die Wahl angefochten haben bzw. wieder anfechten werden. Tatsächlich haben dies gleichermaßen auch Demokraten getan, aber das ist wohl irgendwie eine andere Anfechtung.

Albert Schultheis | Di., 5. November 2024 - 13:35

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Ich erinnere mich sehr gut daran, als Georg W. Bush gegen Al Gore gewann, wie die Dems einen Bohai veranstalteten, die Wahlmaschinen wären damals ge-rigged worden. Damals lagen die Reps nur um 500.000 Stimmen vorne! Aber wahrscheinlich waren auch diese Behauptungen damals nicht nur an den Haaren herbeigezogen, genauso wenig wie die Klagen Trumps über die Wahlfälschung durch Biden und Clinton.

Hans Jürgen Wienroth | Di., 5. November 2024 - 13:12

Es gibt in diesem Artikel den Hinweis: „Ein weiteres Hindernis können komplizierte Stimmzettel oder Anforderungen für den Identitätsnachweis sein, die in einigen Staaten vorgeschrieben sind“.

Wie kann ich ohne Identitätsnachweis wählen? Gibt es Wählerverzeichnisse, oder kann jeder, der an einen Stimmzettel kommt, wählen, also auch frisch eingewanderte? Wie werden die Stimmzettel eingesammelt und wie wird sichergestellt, dass jeder nur einen Stimmzettele und nicht einen ganzen Stapel in die Sammel-Boxen wirft?

Das System scheint mir doch sehr Manipulationsanfällig zu sein, zumindest, wenn diese in großem Stil, also organisiert geschehen.