Sturmwellen über einem Korallenriff im Roten Meer / dpa

Unterwasser-Datenkabel beschädigt - Sabotage im Roten Meer?

Über Unterseekabel werden bereits mehr als 97 Prozent des globalen Internetverkehrs abgewickelt. Nachdem Huthi-Rebellen vor wenigen Wochen gedroht hatten, solche im Roten Meer zu beschädigen, gibt es nun entsprechende Berichte. Die Sache ist ernst.

Autoreninfo

Antonia Colibasanu ist Analystin bei Geopolitical Futures und Dozentin an der rumänischen National Defence University mit Sitz in Bukarest.

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Unbestätigten Berichten israelischer Medien zufolge sind Unterwasser-Datenkabel in der Nähe des Jemen im Roten Meer – die Systeme AAE-1, Seacom, Europe India Gateway und TGN – beschädigt worden. Bislang hat nur Seacom eine Unterbrechung des Dienstes bestätigt. Die Berichte kommen einige Wochen, nachdem Huthi-Rebellen, die in Solidarität mit der Hamas regelmäßig Schiffe in der Region angreifen, mit der Sabotage von Unterseekabeltrassen gedroht haben. Die Ursache für die Schäden bleibt jedoch unbestätigt; weder die Huthis noch eine andere Partei hat sich zu den Anschlägen bekannt.

Der Vorfall fällt in eine Zeit, in der in Europa die Besorgnis über die Sicherheit von Unterseekabeln wächst. Die Europäische Kommission hat am 21. Februar einen Bericht veröffentlicht, in dem sie allen Mitgliedstaaten empfiehlt, die Verwundbarkeit von Unterseekabeln zu bewerten und Maßnahmen zu deren Schutz zu ergreifen. Doch die Bedenken reichen viel weiter zurück. Im Jahr 2022 hatte der französische Präsident Emmanuel Macron angekündigt, dass seine Regierung jeden möglichen Angriff auf die Unterwasser-Telekommunikationsinfrastruktur ernst nehmen würde. Er sprach das Thema sogar bei einem spontanen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs an, kurz nachdem die Nord-Stream-2-Pipeline beschädigt worden war.

Beschädigung mit dramatischen Folgen

Die ganze Sache ist durchaus ernst zu nehmen. Obwohl sich die meisten Diskussionen über die Kollateralschäden des Gaza-Krieges und des Krieges in der Ukraine auf Energieinfrastrukturen und Satelliten konzentrieren, zeigt der jüngste Vorfall, dass Unterseekabel relativ leicht anzugreifen sind und dass jede Beschädigung dieser Kabel dramatische Folgen haben kann.

Etwa 16 Unterseekabel durchqueren die Meerenge von Bab el-Mandeb, die an ihrer engsten Stelle 26 Kilometer breit ist. Die Kabel sind für die Verbindung von drei Kontinenten – Europa, Asien und Afrika – von entscheidender Bedeutung und erfüllen jeweils eine spezifische Funktion für den Telekommunikationssektor. Das AAE-1-Kabel (Asien-Afrika-Europa-1) verbindet Südostasien und China über den Nahen Osten und Ägypten mit Europa. Es überträgt riesige Datenmengen zwischen diesen Regionen und ist daher für die Wirtschafts- und Kommunikationsverbindungen von entscheidender Bedeutung. 
 

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Das EIG (Europe India Gateway) verbindet Europa und Indien direkt miteinander und bietet eine wichtige Strecke mit hoher Bandbreite für den Datenaustausch und den Internetverkehr zwischen diesen Regionen. Das Seacom-Kabelsystem verbindet Europa, Afrika und Indien und stellt eine wichtige Internet- und Kommunikationsinfrastruktur dar, die auch für Südafrika wichtig ist. Das TGN (Tata Global Network) ist zwar technisch gesehen kein eigenständiges System, beruht aber auf einer Partnerschaft zwischen Seacom und Tata Communications, die dieselbe Kabelinfrastruktur wie Seacom nutzt und eine ähnliche Rolle wie Seacom bei der Verbindung von Europa, Afrika und Indien spielt.

Kein Internet in Dschibuti

Einer der größten „Vorteile“ eines Angriffs auf diese Kabel besteht darin, dass es praktisch unmöglich ist, in Echtzeit festzustellen, ob sie beschädigt wurden. Die Auswirkungen sind möglicherweise nur für die Endverbraucher spürbar, die langsamere Internetgeschwindigkeiten, höhere Latenzzeiten und zeitweilige Ausfälle erleben. Die in den israelischen Berichten zitierten Netztechniker stellen beispielsweise fest, dass eines der Kabel, und zwar EIG, „seit Wochen nicht funktioniert“. Seacom teilte am 26. Februar mit, dass eine Beschädigung des Kabels zwischen Kenia und Ägypten zu zweitägigen Unterbrechungen der Internetverbindung in Dschibuti führte. (Auch hier wurde der Schaden zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts nicht von unabhängiger Seite bestätigt).

Es ist unklar, wie schnell die Kabel repariert werden können. Seacom hat bereits erklärt, dass Wartungs- und Reparaturarbeiten angesichts der Lage des Unterseekabels und der Spannungen in dem Gebiet schwierig sind. In der Tat sind Reparaturen bekanntermaßen zeitaufwändig: Das defekte Teil muss gefunden und entfernt werden, bevor es wieder angeschlossen werden kann, und die Flotte der Schiffe, die Reparaturen durchführen können, ist in der Regel im Voraus für Routinewartungen gebucht. (Übrigens: Viel Glück bei der Suche nach einem Schiff, das bereit ist, in ein aktives Kriegsgebiet zu fahren).

Es geht also nicht nur darum, dass jemand seine Lieblingssendung nicht mehr online streamen kann. Die Unterbrechung von Kabeln wirkt sich auch auf Finanztransaktionen zwischen Regionen aus und kann den internationalen Handel sowie Investitionen beeinträchtigen. Außerdem kann es zu Verzögerungen bei Abrechnungen und höheren Kosten kommen. Und dann ist da noch die mögliche Unterbrechung der Lieferkette. Unternehmen, die in ihrer Lieferkette auf diese Kabel für die Kommunikation und den Datentransfer angewiesen sind, müssen mit Verzögerungen rechnen, die sich auf die Lieferzeiten auswirken und zu Lieferengpässen führen können.

Die Ursache ist noch unklar

Obwohl noch unklar ist, was genau die Ursache für die Verzögerungen war, können Berichte aus der Branche etwas Licht ins Dunkel bringen. Historisch gesehen ist die häufigste Ursache für Unterbrechungen von Unterseekabeln menschliches Versagen – Verankerung, Fischerei und ähnliches. Die Daten über feindliche Operationen sind nicht gut belegt, aber es wurden Risikoszenarien in Betracht gezogen. Anlande-Stationen für Unterseekabel, an denen das Kabel austritt und mit der landgestützten Infrastruktur verbunden wird, befinden sich in der Regel an Stränden oder in Städten und stellen somit eine potenzielle Schwachstelle dar. 

Angreifer können Kabel-Anlandestellen durch Spionage, gezielte Stromausfälle, Sprengstoffsabotage oder sogar Raketenangriffe im Falle eines kinetischen Krieges angreifen. Einzelne Schwachstellen, wie etwa die Konzentration von Kabeln auf eine einzige Trasse oder eine mangelnde Vielfalt von Trassen, erhöhen die Möglichkeit eines konzertierten Angriffs auf zahlreiche Kabel und setzen die Reparaturkapazitäten unter Druck.

Insgesamt dürfte eine Untersuchung kaum Aufschluss über die Ursache der aktuellen Schäden geben. Neben Sabotage durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure gibt es weitere potenzielle Bedrohungen wie versehentliche Beschädigungen durch Fanggeräte, Schiffsanker oder Naturereignisse wie Erdrutsche unter Wasser. In jedem Fall macht der Vorfall deutlich, wie wichtig Redundanz in der Unterseekabelinfrastruktur ist, insbesondere angesichts der zunehmenden Abhängigkeit von Unterseekabeln für Kommunikation, Datenübertragung und wirtschaftliche Aktivitäten.

Wenn man über den aktuellen Konflikt im und um das Rote Meer hinausschaut, ist das Potenzial für größere Störungen klar. Weltweit sind die wichtigsten Unterseekabelsysteme diejenigen, die die am weitesten entwickelten Volkswirtschaften miteinander verbinden: das transatlantische, das transpazifische und das innerasiatische oder eurasische System.

Unterseekabel sind von entscheidender Bedeutung

Die transatlantische Verbindung stützt sich auf zwei Systeme: das Atlantic Cable System (ACS), das 1858 verlegt wurde und das erste erfolgreiche transatlantische Telegrafenkabel war, sowie das America Europe Connect-1 und 2 (AEC-1 und AEC-2), ein wesentlich jüngeres Netz mit einer viel höheren Kapazität. Im pazifischen Raum ist eine der wichtigsten Verbindungen das Asia-America Gateway Cable System, das Südostasien und das Festland der Vereinigten Staaten mit Zwischenstationen in Guam und Hawaii verbindet. Ein weiteres ist das kürzlich aktivierte JUNO-System, das die höchste Kapazität unter den transpazifischen Verbindungen aufweist und die USA, Japan, Guam und Singapur miteinander verbindet.

Die wichtigste eurasische Verbindung ist das System FLAG Europe-Asia (FEA), früher bekannt als Fiber-optic Link Around the Globe (FLAG). FEA hat Anlandestellen in 13 Ländern Europas, Asiens und Afrikas und deckt eine riesige Strecke von etwa 28.000 Kilometern ab, was es zu einem der längsten Unterwasserkabelsysteme der Welt macht. Natürlich durchquert diese Route einige geopolitisch angespannte Gebiete, so dass es Duplikate gibt – darunter auch eines, das Europe-India Gateway, welches Berichten zufolge im Roten Meer beschädigt wurde. Noch länger ist das 2-Afrika-System, das sich über mehr als 45.000 Kilometer erstreckt und 33 Länder in Afrika, Europa und Asien miteinander verbindet. Dieses Netz umrundet Afrika fast vollständig und reicht bis in den Persischen Golf, bevor es in Mumbai endet, was die wachsende Bedeutung des globalen Südens in der Weltwirtschaft verdeutlicht.

Unterseekabel sind von entscheidender Bedeutung. Über sie werden bereits mehr als 97 Prozent des Internetverkehrs abgewickelt. Und mit dem Wachstum der digitalen Kommunikation und des digitalen Austauschs sowie dem Aufstieg der Länder des globalen Südens wird ihre Bedeutung weiter zunehmen. Gleichzeitig verstärken geopolitische Spannungen die Befürchtung, dass diese Kabel Opfer vorsätzlicher Angriffe oder Kollateralschäden werden könnten, zumal potenzielle Angreifer mehr über ihre Schwachstellen erfahren. Technologische Verbesserungen haben zwar die Informationsübertragung vereinfacht, aber sie haben es auch staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren leichter gemacht, Unterseekabel anzugreifen, um ihre Leistung zu unterbrechen oder zu verändern.

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Ernst-Günther Konrad | Di., 5. März 2024 - 10:45

Ist das Kabel nun durch einen Anschlag beschädigt worden oder aus Materialermüdung. Haben die Huthis es gemacht oder andere, um es ihnen in die Schuhe zu schieben, um Gründe für weitere Angriffe zu haben. Kann und ist man in der Lage schnell zu reparieren und will man das im konkreten Fall überhaupt? Auch die Frage. Cui bono? Ich schrieb schon zu anderen Artikeln. Die Zukunft der neuen Art Kriege zu machen, dürfte auch darin liegen, Strom, Internet, Satelliten, Wasserversorgung zu zerstören oder lahm zu legen. Man könnte zwar dann wieder auf ganz kommerzielle Art Krieg führen, aber wenn die Kommunikationswege gestört werde, brauchen wir wieder Feldtelefone, Brieftauben und Motorradkuriere? Ich verstehe von der Technik nichts. Aber als Laie stellt sich mir die Frage, warum man keine Kontrolleinheiten an einem solchen Kabel installieren kann, um wenigstens den Ort des Schadens zu lokalisieren. Oder ist und war das mal wieder zu teuer? Können Huthis überhaupt solche Schäden verursachen?

Sabine Lehmann | Di., 5. März 2024 - 20:12

Ich gestehe noch nicht wirklich darüber informiert gewesen zu sein, auf "gut deutsch": ich hatte bis dato keine Ahnung. Deshalb finde ich diesen Artikel sehr interessant u. habe sogleich angefangen mich etwas schlau zu machen. Dabei stieß ich zufällig auf ein Projekt zwischen Deutschland und Norwegen, das auch über ein Unterwasserkabel funktionieren soll. Es geht aber nicht um Datenübertragung, sondern um Strom. Ob es jetzt tatsächlich wie geplant funktioniert, weiß ich nicht, denn die Infos dazu im Netz sind spärlich.
Es handelt sich um ein Energieprojekt zur Speicherung von überschüssiger Wind-Energie, die in Norwegen angekommen, über das Wasserkraftwerk einer Talsperre gespeichert werden soll. Das Projekt heißt NordLink, Netzbetreiber ist TenneT und begann im Jahr 2019. Das Kabel reicht von Büsum über Dänemark bis zu einem Norwegischen Fjord. Der Betreiber versichert, damit mehrere Hunderttausende deutsche Haushalte mit Strom versorgen zu können. Ob das korrekt ist, keinen Schimmer.