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Bond-Bösewicht Christoph Waltz - „Der Feind sitzt in Ihrem Büro“

Im neuen James Bond „Spectre“ spielt Christoph Waltz den Bösewicht. Die „kreativere“ Rolle, findet der Schauspieler. Im Cicero-Interview spricht er über Ehrfurcht und erklärt, warum die Bond-Figur auch nach über fünfzig Jahren als Held überzeugt

Autoreninfo

Dieter Oßwald studierte Empirische Kulturwissenschaft und schreibt als freier Journalist über Filme, Stars und Festivals. Seit einem Vierteljahrhundert besucht er Berlinale, Cannes und Co. Die lustigsten Interviews führte er mit Loriot, Wim Wenders und der Witwe von Stanley Kubrick.

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Er spielte schon den Roy Black und in der „Entführung des Richard Oetker“. Auch in „Tatort“, „Derrick“ und „Der Alte“ trat er öfter auf. Doch der Durchbruch kam für den in Wien geborenen Christoph Waltz erst mit einer Glanzrolle als diabolischer SS-Offizier in „Inglorious Basterds“ von Quentin Tarantino. Für diese Rolle seines Lebens bekam Waltz die Palme in Cannes sowie den Oscar. Der zweite Academy Award folgte für seine Darstellung als Kopfgeldjäger in Tarantinos Sklavendrama-Western „Django“. Nun kommt Christoph Waltz als Bösewicht im neuen James Bond „Spectre“ auf die Leinwand.

 

Cicero: Herr Waltz, es dürfte etwas schwierig sein, über Ihre Rolle im Bond zu reden, ohne zu viel preiszugeben…
Christoph Waltz: Das ist überhaupt nicht schwierig, sondern ganz einfach: Über diese Rolle rede ich gar nicht! 

[[{"fid":"67300","view_mode":"copyright","type":"media","attributes":{"height":457,"width":345,"style":"height: 225px; width: 170px; margin: 2px 5px; float: left;","title":"Die Schauspieler Daniel Craig (l-r), Naomie Harris und Christoph Waltz spielen im neuen James-Bond-Film «Spectre». Foto: picture alliance","class":"media-element file-copyright"}}]]Dann ganz allgemein und unverfänglich: Empfinden Sie es als Ritterschlag, in einem James-Bond-Film den Bösewicht zu spielen?
Ein Ritterschlag? Das weiß ich nicht. Bei uns wird man ja nicht mehr zum Ritter geschlagen. Aber in England, wo das noch passiert, ist man nicht selber derjenige, der das entscheidet. Das geht vom Büro der Queen aus. Ich weiß schon, was Sie meinen, aber ich ducke die Sache mit dem Ritterschlag gerne weg. Ich bin ja nur der Schauspieler und mache das, was im Drehbuch steht.

Mit wie viel Ehrfurcht nähert man sich einem Unternehmen wie Bond?
Hoffentlich mit wenig. Ich denke mir immer: Mit wie viel Ehrfurcht muss ein Dirigent Wagner begegnen? Und was macht er damit? Er muss es ja so zum Klingen bringen, dass der Zuhörer Einblick in die Materie gewinnt, auch wenn das ein schlechter Ausdruck ist. Ich will nur helfen, die Geschichte zu erzählen. Und mit Ehrfurcht kann ich nicht wirklich operieren. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich vor den Bond-Bösewichten Ehrfurcht habe, eher Respekt und Bewunderung. Nie würde ich es also Respektlosigkeit nennen. Aber so eine gewisse Irreverenz den Vorgängern gegenüber ist, glaube ich, nicht verkehrt.

Warum sind böse Figuren eigentlich reizvoller für Schauspieler...
...die sind nicht eigentlich reizvoller! Sie können reizvoller sein.

Würden die meisten Schauspieler nicht sagen, dass sie gern den Bösen spielen?
Meistens ist ja der Bösewicht auch die interessantere Rolle – die beweglichere, die lebhaftere, die kreativere. Die dramatische Funktion des Bösewichts ist es, die Widerstände zu schaffen, die der Held überwinden muss.

Hat das auch etwas Therapeutisches für Sie? Weil Sie doch sonst privat ein so reizender Mensch sind?
Woher wollen Sie das wissen?

[video:Trailer: James Bond 007 „Spectre“]

Naja, was man so hört und wie man Sie bei Interviews erlebt…
Also, wenn man sein Sensorium ein bisschen auf die Rolle ausgerichtet hat, lässt sich das Therapeutische wohl nicht verhindern. Und wie Fritz Teufel damals so schön gesagt hat: ,Wenn‘s der Wahrheitsfindung dient, warum nicht?'

Sie haben gesagt, dass Sie sich ungern spezialisieren. Aber haben Sie das als Bösewicht nicht schon getan?
Es tut mir ein bisschen weh, wenn Sie das so sagen, weil Sie nur das äußere Klischee damit bezeichnen. Und weh tut es mir auch, weil ich mich sofort als gescheitert sehe, Ihnen da Feinheiten und Unterschiede vor Augen zu führen.

Wie sind Sie mit Bond das erste Mal in Berührung gekommen?
Mit dem Auto. Im Jahr 1962 gab es mich zwar schon, aber noch als Autospielenden. Ich hatte den Aston Martin DB5, wo man auf Knopfdruck den Fahrer rauskatapultieren konnte und hinten hat er Raketen rausgeschossen und ein Schutzschild hochgefahren. Und er war groß und teuer. Also ein besonderes Geschenk war das.

Wären Sie selbst gerne mal James Bond gewesen als junger Mann?
Nein, mir war der Unterschied damals immer sehr klar.

Bond-Filme bestechen traditionell durch die exotischen Drehorte. Wo hat es Ihnen am besten gefallen?
Jeder Ort hat seine Besonderheiten. Mir persönlich hat das anthropologische Museum in Mexico City am besten gefallen, aber das hat mit unserem Film nichts zu tun. Und für den Verlauf der Geschichte ist das, was mir am besten gefallen hat, in Pinewood im Studio entstanden.

Haben Sie Sehnsucht nach Deutschland oder Österreich?
Mir geht es sehr gut im Moment.

In letzter Zeit haben Sie in keinem aufsehenerregenden deutschsprachigen Film mehr mitgespielt.
Das ist keine böse Absicht oder Arroganz meinerseits. Aber ich habe interessanterweise fast keine Angebote aus Deutschland. Und wenn, dann kann das den Angeboten in Amerika nicht das Wasser reichen. Ich sehe die Angebotssituation aber gar nicht unter nationalen Gesichtspunkten.

Im letzten Bond haben viele die humoristische Seite vermisst, die ja frühere Filme hatten. In „Spectre“ ist eine Rückkehr erkennbar. Sehen Sie das auch so?
Genau so. Ich finde Ironie, eine der schönsten britischen Eigenschaften, kommt da wieder zum Schwingen. Es ist nicht so, dass sie ganz gefehlt hat. Es war vorher nur schwieriger, diese Schwingungen aufzunehmen. Das ist jetzt wieder vergnüglicher geworden. Der Film ist also ein bisschen altmodischer, was ja auch Teil des Vergnügens ist, James Bond zu sehen.

Früher war der Feind immer Russland oder ein anderes „böses“ Land. Im neuen Film sind es das Internet und die Datenwolke. Man hat ja manchmal das Gefühl, der Feind sitzt eventuell schon im eigenen Büro. Geht Ihnen das auch so?
Eventuell? Unter Garantie sitzt der Feind in Ihrem Büro! Das ist ja das, was wirklich besorgniserregend ist. Es sind nicht mehr nur Eventualitäten. Es sind unvermeidbare und irreversible Tatsachen. Es ist einer der wesentlichen Gründe, warum Bond als Held und Figur mehr als fünfzig Jahre überleben konnte. Weil die Problematik immer eine aktuelle ist. In den 60er Jahren war es die Bedrohung eines atomaren Kriegs, heute ist es diese Cloud. Keiner weiß gar nichts. Ein bisschen wie die Großwetterlage.

Wie lange überlegt man, wenn man das Angebot des Bond-Bösewichts bekommt? Ruft man den Landsmann Klaus Maria Brandauer an und fragt nach seinen Erfahrungen damit?
Ich habe leider nicht seine Nummer gehabt, sonst hätte ich mich unter Garantie gemeldet. (Lacht). Es ist zwar ein wunderbares und herzliches Verhältnis, das man zu diesem Familienunternehmen der Bond-Produzenten aufbaut, aber es ist nicht eine kalkulierte Entscheidung, die an einen herangetragen wird. Das ist ein langes Gespräch, das in diesem Fall fünf Jahre gedauert hat, und zwar ganz unkonkret. Das emergiert mehr als dass es entschieden wird.

Ohne zu viel verraten zu wollen: Gäbe es die Möglichkeit, dass Sie noch ein weiteres Mal mitmachen?
Vorstellen kann ich mir alles. Ich kann mir genauso gut vorstellen weiterzumachen wie nicht weiterzumachen. Und das ist im Moment überhaupt nicht die Frage. Es ist noch ziemlich viel mit diesem Film zu tun, auch wenn das nicht so aussieht. Und wenn das alles eine runde Sache ist, fangen sie an, über den nächsten Film nachzudenken. Ich könnte mir vorstellen, dass dann viel wichtigere Personalfragen zu lösen sind. Daniel Craig soll ja mal gesagt haben, er schlitzt sich lieber die Handgelenke auf, als noch einmal Bond zu spielen.

Unterschrieben haben Sie noch nicht für ein weiteres 007-Abenteuer?
Sie sind so ein Faktenschaffer!

Entschuldigung…
Nein, nein überhaupt nicht! (Lacht)

Das Interview führte Dieter Oßwald. Fotos: picture alliance

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