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Geplant war ein Schauprozess nach dem Krieg / picture alliance

80. Jahrestag des Hitler-Attentats - Würdeloses Gedenken an Georg Elser

Vor 80 Jahren wäre es Georg Elser fast geglückt, Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller zu töten. Doch an den einfachen Handwerker aus Schwaben wurde sich auffällig schlechter erinnert als an Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Ausgerechnet ein RAF-Terrorist änderte dies

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Wolf Reiser (64) lebt und arbeitet in München als Buchautor, Reporter und Essayist. Mehr hier

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Meine Familie mütterlicherseits war mit den Elsers verwandt und ich kann mich als gerade eingeschulter Bub noch gut erinnern an diese vielen dörflich-albschwäbischen Familienfeste der Adenauerzeit mit Käseigeln, Mohrenköpfen, dem überzuckerten „Kleiner Reblaus“-Schaumwein und hausgemachtem Eierlikör. Gegen Mitternacht aber kehrte zuverlässig der Schatten des „Führers“ zurück: 100 Prozent Vollbeschäftigung, die Autobahnen, kurz mal die „Polacken“ und „Froschschenkel“ abgeräumt und ja, Russland, ein Fehler, der Winter. Und von den Lagern habe man erst weit nach der Niederlage erfahren. Aber wer provoziert, der muss nun mal auch mit einem Gong rechnen, ganz einfach, basta, Prost.

Dieser Elser, der in den Zwanziger Jahren nur ein paar Häuser entfernt gewohnt hatte, wurde dagegen wie eine Familienschande totgeschwiegen, erzeugte angewidertes Kopfschütteln, und wenn sein Name mal doch fiel, dann wurde er als Verräter, Stalinist oder Handlanger Churchills abgenudelt. Manchmal hielt meine Mutter dagegen, so von wegen Zivilcourage und Stolz, doch dann wurde sie sogleich von der erregten Mehrheit zum Reblausholen in den Keller geschickt.

Ein RAF-Terrorist entdeckte Georg Elser

Es dauerte ein halbes Jahrhundert, bis die ersten halbwegs würdevollen Zeitungsartikel erschienen. Bis dahin wurde die Nation mit den immer gleichen Stauffenberg-Ritual-Events daran erinnert, wie renitent sie eigentlich war oder gewesen hätte sein können.

In den achtziger Jahren arbeitete ich in den Semesterferien in einem Heidenheimer Biergarten und Theaterclub. Eines Abends stand ein dürrer und langhaariger Mann an der Bar. Er bestellte ein paar Bacardi-Cola und widmete sich der Lektüre eines Papierstapels. Sehr spät erst gab er sich mir zu erkennen. Sein Name war Peter Paul Zahl. Ich kannte natürlich seinen Namen und seine vage Vita. Der Schusswechsel mit den Gendarmen 1972, versuchter Mord in zwei Fällen, RAF-Intellektueller, Dichter, Anarchist, viele Jahre Knast, inklusive Hungerstreik.

Während der letzten beiden Jahre seines Gefängnisaufenthalts schrieb er das 1982 veröffentlichte Theaterstück Johann Georg Elser. Ein deutsches Drama, und Peymann hatte das in Bochum am Schauspielhaus im selben Jahr inszeniert. Dieser beeindruckende Mann kam dann relativ schnell nach seiner Entlassung auf unsere Alb und schaffte es tatsächlich im März 1984, eben dieses Stück in dem sonst so unfassbar spießigen Naturtheater als Autor und Regisseur auf die Bühne zu kriegen. Der Stern, so glaube ich mich zu erinnern, druckte im selben Jahr einige Buchkapitel daraus ab, Hans Magnus Enzensberger schrieb eine wohlwollende Würdigung, und wenig später kam Klaus Maria Brandauers Elser-Film in die Kinos.

Georg Elser war ein einfacher Mann

Endlich kam Elser Ehre zuteil. Vereine wurden gegründet, weitere Theaterstücke inszeniert, Denkmäler errichtet, Bücher und Artikel geschrieben und kleine Museen gegründet. Ich verbrachte damals noch ein paar zauberhafte Tage mit Herrn Zahl. Ein linker Terror-Outlaw brachte mir und uns allen in der Kleinstadt – nebenbei Geburtsort von „Wüstenfuchs“ Rommel – jenen „Local Hero“ zurück ins Bewusstsein.

Der 1903 geborene Georg Elser war ein schwäbischer Handwerker, ein einfacher Mann, ein Eigenbrötler und Tüftler und in seiner Art durchaus typisch für den calvinistischen Süden. Er galt als akkurater Schreiner, stolz, solide, etwas schrullig, auch selbstbewusst und von starkem Gerechtigkeitssinn geprägt. Ohne sich übermäßig zu engagieren, wählte er immer kommunistisch und gehörte für kurze Zeit dem Roten Frontkämpferbund an. Zudem spielte er Flöte, Ziehharmonika, Kontrabass und war Mitglied beim örtlichen Trachten- und Gesangsverein.

Elser sah die Vorzeichen einer Welt aus Leichenbergen

Als die Nationalsozialisten von 1938 an immer aggressiver gegen die Grenzziehungen des Versailler Vertrages vorgingen, wuchs Elsers Unbehagen in der Kultur. Im März erfolgte der Einmarsch der Wehrmacht in Österreich, und Ende September holte Hitler dank des „Münchner Abkommens“ das Sudetenland „heim ins Reich“. Für Elser waren das nur erste Vorzeichen weiterer Expansion in Richtung großem Krieg, angekündigter Judenvernichtung und eine imaginierte Welt aus Leichenbergen.

Bei den Gestapo-Verhören wird er später sagen: „Die von mir angestellten Betrachtungen zeitigten bereits 1937 das Ergebnis, dass die Verhältnisse in Deutschland nur durch eine Beseitigung der augenblicklichen Führung geändert werden könnten. Unter der Führung verstand ich die ‚Obersten‘, ich meine damit Hitler, Göring und Goebbels. Durch meine Überlegungen kam ich zu der Überzeugung, dass durch die Beseitigung dieser drei Männer andere Männer an die Regierung kommen, die an das Ausland keine untragbaren Forderungen stellen, die kein fremdes Land einbeziehen wollen und die für eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Arbeiterschaft Sorge tragen werden.“

Todesmut, Hingabe und Humanismus

In München versammelten sich jedes Jahr am 8. und 9. November die Spitzenkräfte der Nazis. Das Datum erinnerte an Hitlers gescheiterten Putsch von 1923. Traditionell hielt er dann im Haidhausener Bürgerbräukeller vor den „alten Kämpfern“ eine zornfauchende Anrede. Kurz nachdem sich Elser 1938, also genau ein Jahr vor seinem Attentat, einen ersten Überblick über eine mögliche Katharsis verschaffte, nahm die Gewalt, vor allem gegen Juden, eine neue Dimension an, und im Verlauf der sogenannten Reichskristallnacht standen Synagogen in Flammen, Geschäfte wurden geplündert, Menschen auf offener Straße totgeprügelt.

Ende April 1939 zog Elser nach München und mietete in der Türkenstraße eine kleine Werkstatt an, in der er in akribischer Kleinarbeit einen Zeitzünder konstruierte. Es kamen da einige typisch schwäbische Eigenschaften in ihrer positiveren Zusammensetzung zum Tragen: Todesmut, Hingabe, Humanismus, Perfektionismus. Nahe Heidenheim hatte er sich in den Monaten zuvor als Hilfsarbeiter in einem Steinbruch verdingt, Sprengstoff abgezweigt und in einem Obstgarten, in dem ich später als Kind spielte, erste kleine Versuche angestellt.

Am 8. November explodierte die Bombe

Ab August 1939 wurde er Stammgast im Bürgerbräukeller und wartete allabendlich eine günstige Gelegenheit ab, um sich unbemerkt in der Besenkammer zu verstecken. Dort verharrte er mehrere Stunden, bis das Gasthaus abgeschlossen wurde. 32 Nächte lang höhlte er die Säule hinter dem Rednerpult aus, um seine Bombe mit Zeitzünder darin zu deponieren. Er arbeitete auf entzündeten Knien beim Schein einer Taschenlampe und unter Verwendung von Meißel, Bohrwinde und Steinbohrer.

Da kein Geräusch nach außen dringen durfte, nutzte er den WC-Spülungslärm, der alle zehn Minuten einsetzte. Die anfallenden Späne versteckte er in einem zusammengerollten Teppich. Er arbeitete bis drei Uhr nachts, verzog sich dann für einen Kurzschlaf in die Kammer und wartete ab, bis die Bierschwemme am Morgen wieder aufgeschlossen wurde. Nachdem er sein geniales Höllenkonstrukt eingesetzt hatte, stellte er am 4. November die Uhren auf den Abend des 8. November ein.

Am 8. November explodierte die Bombe auf die Sekunde genau um 21:20 Uhr. Es gab aber Nebel in Berlin-Tempelhof, Nebel in München, Nebel überall. Kurzerhand stornierten die Nazi-Logistiker den Flug und entschieden für einen Sonderzug. Deswegen redete Hitler etwas kürzer und verließ um 21.07 Uhr den Saal, also 13 Minuten vor der Explosion. Deren Wucht zerlegte die Säule, die Decke stürzte ein und meterhoher Schutt türmte sich auf. Acht Menschen wurden getötet und 63 teilweise schwer verletzt.

Man folterte ihn und bunkerte ihn ein

Elser wurde eine Stunde vor der Explosion nahe Konstanz von zwei Zollbeamten verhaftet, als er versuchte, zu Fuß in die Schweiz zu fliehen. Tags darauf saß er in den Münchener Gestapo-Büros und gestand. Als Hitlers erklärter Lieblingsfeind wurde er unzähligen Verhören ausgesetzt. Sämtliche Protokolle bestätigen, dass er seine Tat auf eigenen Entschluss, ohne Mitwisser oder politische Gesinnungsfreunde plante und durchführte. Man folterte ihn in Berlin und bunkerte ihn ohne Gerichtsverfahren im KZ Sachsenhausen ein. Anfang 1945 steckte man ihn ins KZ Dachau, wo man dem geschätzten Sonderhäftling eine geräumige Zelle mit Hobelbank zur Verfügung stellte, die er unter anderem zur Herstellung schöner Schachfiguren nutzte.

Hitler war felsenfest davon überzeugt, dass Elser ein Mann der alliierten Geheimdienste war. In seinen Memoiren schrieb der SS-Brigadeführer Walter Schellenberg, dass Hitler von dem SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich verlangte: „Ich möchte wissen, um was für einen Typ es sich bei diesem Elser handelt. Man muss den Mann doch irgendwie klassifizieren können. Berichten Sie mir darüber. Im Übrigen wenden Sie alle Mittel an, um diesen Verbrecher zum Reden zu bringen. Lassen Sie ihn hypnotisieren, geben Sie ihm Drogen; machen Sie Gebrauch von allem, was unsere heutige Wissenschaft in dieser Richtung erprobt hat. Ich will wissen, wer die Anstifter sind, ich will wissen, wer dahintersteckt.“

Würdelose Peinlichkeiten in München

Eine autorisierte Notiz zeigt, dass man Elser nach Kriegsende einen großen Schauprozess machen wollte. Da aber alles anders kam, wurde der 42-jährige Elser auf Befehl der obersten Führung am 9. April 1945 von einem SS-Offizier im KZ Dachau erschossen, nur ein paar Tage vor der Befreiung. Und auch sein Leichnam wurde verbrannt.

Hätte sich Peter Paul Zahl in seinem Gefängnis nicht zufällig mit Elser beschäftigt, würde dieser, wenn überhaupt, als armer Irrer, traumatisierter Amokläufer oder anonymer Massenmörder auf dem Mülleimer der Geschichte vermodern. Mauseseelenallein, ohne Position, ohne Geld, ohne eingeweihte Freunde oder ein einflussreiches Netzwerk, welches etwa der Familie des ebenfalls bei uns im Süden aufgewachsenen Claus Schenk Graf von Stauffenberg zur Verfügung stand, machte er sich auf den Weg, einen Tyrannen zu beseitigen.

Der Umgang Münchens mit Elser offenbart eine Serie an würdelosen Peinlichkeiten. Der winzige nach ihm benannte Platz fehlt auf dem offiziellen Stadtportal, immer wieder verschiebt der traditionell SPD geführte Stadtrat das Errichten von Gedenktafeln, und ein Antrag zum Bau eines knapp 20.000 Euro teuren Brunnens geht ins mittlerweile zwanzigste Jahr. Statt jener Skulptur, die der Bildhauer Alfred Hrdlicka kurz vor seinem Tod der Stadt fest zugesagt hatte, hängt heute eine schäbige Neonplastik an der Seitenwand einer Schule und weitgehend unsichtbar hinter dem Geäst mächtiger Kastanien. Immerhin bietet das gegenüberliegende Café Zeitgeist ein Elser-Frühstück an: zwei Eier im Glas.

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Christa Wallau | Fr., 8. November 2019 - 14:38

dürfte es zu Hunderttausenden in Deutschland geben, solche, die den Nazis tapfer Paroli geboten haben u. dafür büßen mußten.
Viele von ihnen starben in KZs vor 1945, die Davongekommenen in den Jahrzehnten danach. Kaum einer dieser stillen Helden wird noch leben.
Von ihnen redet niemand mehr, während diejenigen, die Mitläufer waren oder sogar Funktionen im NS-Staat innehatten, nach dem Zusammenbruch aus ihren Löchern krochen u. in der BRD nicht selten noch große Karriere und sich einen "Namen" machten.
Nein, es geht nicht gerecht zu auf der Welt - alles andere als das!
Aber den vielen charaktervollen Widerständlern, von deren Taten nur wenige wissen (wenn überhaupt), sollte post mortem die Ehre erwiesen werden mit dem klaren Bekenntnis, daß es auch heute noch Deutsche gibt, die ihr Andenken dankbar bewahren. Ich plädiere daher für einen staatlichen Tag des Gedenkens an alle unbekannten deutschen Widerständler gegen Hitler u. seinen Machtapparat. Es gab mehr davon als wir ahnen.

Manfred Bühring | Fr., 8. November 2019 - 15:22

Der sogenannte Widerstand der militärischen Eliten nahm doch erst dann Form an, als der von den gleichen Eliten bejubelte "größte Feldherr aller Zeiten" desaströs in seinem wahngetriebenen Mehrfronten-Eroberungs- und Vernichtungskrieg an Russland scheiterte. Das Attentat erfolgte erst, nachdem die Westalliierten in der Normandie gelandet waren und die Ostfront unter dem Druck der Roten Armee zusammenbrach. Die deutschen Militäreliten wären gerne gemeinsam mit den Allierten gegen Russland marschiert, scheiterten aber mit diesem verrecherischen Ansinnen an den Alliiierten.
Und da kommt dann so ein einfacher Handwerker daher und reklamiert den Widerstand bereits in der Frühphase des Faschismus für sich! Welch en Armutszeugnis für die Nachkriegseliten, sich von "so jemandem" den moralischen Spiegel vorhalten lassen müssen. Da feiern wir doch lieber unsere Eliten, die es ja schon immer gewusst haben und alle Antifaschisten waren ....

Juliana Keppelen | Fr., 8. November 2019 - 16:19

Antwort auf von Manfred Bühring

Wir Deutschen sind Obrigkeitshörig und da macht ein "von Graf" doch wesentlich mehr her als ein "nur Handwerker".

Josef Olbrich | Fr., 8. November 2019 - 16:45

Antwort auf von Manfred Bühring

Herr Bühring es steht mir nicht zu ihre Meinung zu bewerten, nur bitte ich, das Wort Faschisten nicht für das dritte Reich zu verwenden. Es waren Nationalsozialisten, die den Terror ausübten; die Faschisten herrschten in Italien. Erst als Hitler die Sowjetunion 1941 überfiel, erlies Stalin den Befehl an alle kommunistischen Organisationen, in Zukunft Nationalsozialisten, die ja bis dahin Verbündetet waren, nur noch als Faschisten zu bezeichnen. Diese Wort hat sich bis heute besonders in linken Kreisen, aber auch sonst noch für die Bezeichnung der Nationalsozialisten gehalten. Das aber wird der Geschichte der grauenhaften Taten, die die Nationalsozialisten verübt haben, nicht gerecht.

Dr. Schober | Sa., 9. November 2019 - 07:16

Antwort auf von Josef Olbrich

Tja, Herr Olbrich was ist denn nun der Unterschied zwischen Nazis und Faschisten?
Mussolini wollte einen Ständestaat, mit König an der Spitze, von dem er sich dann auch absetzen lies.
Sowas war mit Hitler nicht zu machen. Den Exkaiser lies er abblitzen.
Auch wenn's schwer fällt: deshalb hiesen die auch Nationalsozialisten.

Helmut Bachmann | Fr., 8. November 2019 - 19:21

Antwort auf von Manfred Bühring

Der militärische Widerstand scheiterte 39 an der Apeasementpolitik. Aber schwarz/weiß ist schöner, gelle?

Hans Page | Sa., 9. November 2019 - 16:26

Antwort auf von Helmut Bachmann

Das ist mir auch aufgestoßen. Warum wird nicht klar gesagt dass die Wehrmacht schon seit 1936 Pläne hatte Hitler zu beseitigen, seine „erfolgreiche“ Politik (Rheinland, Spanien, Anschluss, München etc) machten es jedoch unmöglich einen Putsch gegen den damals höchst populären Führer durchzuziehen. Bombenkrieg und Kriegsopfer und Vernichtung wurden erst ab 1942 bewusst (Stalingrad!!). Von den konkreten Naziverbrechen wussten die meisten Leute konkret kaum was; wie auch - es gab nur den Volksempfänger und auf Gerüchte verbreiten stand die Todesstrafe. Das war ja auch dann das Schicksal der Sophie Scholl.

Joachim v. Hauff | Mo., 11. November 2019 - 11:53

Antwort auf von Hans Page

"Wir wussten ja von nichts". Wie oft musste man sich das schon anhören? Das mag auf die entlegensten Höfe im Thüringer Wald zutreffen, aber sobald es in die Städte ging, lässt sich diese ungeheure Lüge nicht mehr halten. Die Kolonnen die durch die Straßen zu den Bahnhöfen geführt wurden, die Erschießung der Schwachen auf dem Weg dorthin, endlose Züge die gen Osten fuhren und immer leer zurückkehrten. Das war für jeden sichtbar! Der Volksempfänger hat nicht das Wissen darum verhindert, sondern nur das Ignorieren erleichtert. Wer behauptet, das Volk hätte nur aphatisch zusehen können, der vergisst den 9. 11 1938. Der Mob rekruiterte sich aus allen Schichten und der kollektive Zerstörungswahn zog viele in seinen Bann, sodass die Gauleiter am Abend selbst noch Erstaunen und Verwunderung durchfunkten,wie überwältigt sie von der breiten Beteiligung sind. Der Wehrmacht hingegen ging es immer nur um sich selbst. Opposition gab es nur zur Taktik und Strategie. Die Verbrechen wurden hingenommen.

Wolfgang Z. Keller | Fr., 8. November 2019 - 20:37

Antwort auf von Manfred Bühring

Diese ersten drei Kommentare finde ich absolut zutreffend und genieße auch die Zurückhaltung manch anderer Dauerkommentator*innen.
Dass sich das, mit 4-jähriger Unterbrechung Mitte der 70er, Dauer-SPD-regierte München nicht nur mit dem Erbe als ehemalige "Hauptstadt der Bewegung", sondern genauso mit einem tapferen Georg Elser oder mutigen Kurt Eisner (verantwortlich 1918 für die Ausrufung des Freistaates Bayern, die Einführung des 8-Stunden-Tages, das Frauenwahlrecht und die Pressefreiheit) bis vor kurzem unsäglich schwer tat und es immer noch tut, um es höflich auszudrücken, scheint mir seit 1914 an der tiefinneren moralischen Verbundenheit beim Gros jeder SPD-Führungsriege "mit der Macht" zu liegen.
Schon von daher ist m.E. von dieser Ebene niemals echter Widerstand gegen staatlichen und/oder politischen Machtmissbrauch zu erwarten, so sehr das viele Basismitglieder oder Restanhänger sich auch erträumen, erhoffen oder wünschen.

Heidemarie Heim | Fr., 8. November 2019 - 15:24

Zu meinem Beschämen muss ich zugeben, das ich diesen Mann bis zu meinem ersten Besuch unserer Hauptstadt nicht kannte. Ich konnte mich auch nicht erinnern, ob er in irgendeinem Geschichtsbuch oder während des Unterrichts in meiner Schulzeit in den 60ern-Ende der 70er Jahr Erwähnung fand. Auch v. Stauffenberg wurde wenn überhaupt in aller Kürze,lückenhaft und mit einer gewissen Peinlichkeit abgehandelt, was ich als Schulkind so bewusst nicht wahrnahm. Erst als ich etwas älter im Unterricht Nachfragen nach den Nazigräueltaten,begangen in den ebenfalls mit wenigen Sätzen in unseren Lehrbüchern abgehandelten Konzentrationslagern oder den Nürnberger Prozessen stellte, machte man mir deutlich,das mein Interesse an diesen Dingen nicht gerade auf Gegenliebe traf. So stieß ich auf Georg Elser,als ich den Blick auf Berliner Boden richtend eine mitten im Gehweg eingelassene Tafel mit seinem Namen fand.Beim Versuch diese zu fotografieren wurde ich zwar angerempelt,
aber nun kannte ich ihn! FG

helmut armbruster | Fr., 8. November 2019 - 16:27

ich weiß es nicht.
Falls nicht, dann wäre das eine weitere Schande für unser Land.

Alfred Werner | Sa., 9. November 2019 - 13:03

fehlt mir hier bei der Diskussion etwas. Wer waren die 8 Toten und 63 teils Schwerverletzten, die auf Elsers Konto gehen. Uninteressante und unwichtige Kollateralschäden ? Ein etwas ungutes Gefühl habe ich da schon.

Wilfried Düring | Sa., 9. November 2019 - 18:17

Antwort auf von Alfred Werner

Das Regime hätte ohne Hitler nicht überlebt. Das Entsetzen über die ungeheuerlichen Verbrechen dieses Regimes war groß. Ich erinnere an General Johannes Blaskowitz; ab Oktober 1939 Militärbefehlshaber im besetzten Polen: 'Die Einstellung der Truppe zur SS und Polizei schwankt zwischen Abscheu und Hass. JEDER Soldat fühlt sich angewidert und abgestoßen durch diese VERBRECHEN, die in Polen von Angehörigen des Reiches und Vertretern der Staatsgewalt begangen werden. Man versteht nicht, wie derartige Dinge, ... , ungestraft möglich sind.' formulierte Blaskowitz in einer Denkschrift.
Blaskowitz wurde umgehend abgesetzt und beging später Suizid.
Wenn Hitler knapp 20 min länger gebleiben wäre, hätten Millionen Menschen nicht sterben müssen! Dieser Gedanke macht schwindelig.
Der Georg Elser Arbeitskreis erinnert auf seiner gleichnamigen Webseite (einfach googlen) auch - namentlich - an ausnahmslos alle Opfer des Elser-Attentates; darunter eine 30-jährige Kellnerin und Mutter zweier Kinder.

Abgesehen von Blaskowitz schwachen Lippenbekenntnissen, war die Wehrmacht von Anfang in die Todesmaschinerie eingebunden und war vor allem einer der größten Profiteure der Enteignungs- und Entmenschlichungskampagnen in den besetzten Gebieten. Besonders die Feldintendanten der Wehrmacht hatten großes Interesse daran, möglichst viel Vermögen und Bestitz einzukassieren, weil sie dadurch die Ostexpansion und das Vorrücken auf den Balkan kofinanzierten. Das Schicksal der dahinterstehenden Leben und Existenzen war dabei herzlichst egal. Auf dieses Ziel war die Wirtschaftspolitik seit 1936 ausgelegt und so wurde ein Großteil der Besatzungskosten durch Enteignungen gedeckt (Bsp. Griechenland 1943 zu etwas 40%). Der Irrglaube der auch so ehrhaften, moralischen und missverstandenen Wehrmacht lässt sich nicht halten.

Ulrich Jarzina | Sa., 9. November 2019 - 20:37

Neben Elser wären auch Leute wie der spätere Bundestagspräsident Gerstenmeier, Generaloberst Beck, oder der Leipziger OB Goerdeler zu nennen, die bereits im Zuge der Sudetenkrise '38 versuchten, Hitler politisch(!) auszuschalten und zu dem Zweck Kontakt mit den späteren Alliierten aufgenommen hatten. Gerstenmeier sollte später jedoch in der FAZ (21.3.75) sagen: "Was wir im deutschen Widerstand während des Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: Dass der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde."

Dass Stauffenberg im Gegensatz zu so vielen anderen Widerstandskämpfern nicht in Vergessenheit geriet, hat vor allem einen Grund: Die Wiederbewaffnung Deutschlands und der NATO-Beitritt. Hier brauchte man das Vorbild eines "guten" Soldaten, um diesen Schritt zu rechtfertigen. Würden andere Mitglieder des dt. Widerstands bekannter,müssten sich vor allem die Briten einige sehr unangenehme Fragen gefallen lassen.

Alexander Mazurek | Sa., 9. November 2019 - 22:34

… ist für mich weitaus ehrenwerter als die "Helden" um Stauffenberg, denen es viel zu spät nur um Schadensminimierung und Eigennutz ging.