- Hier begann die Umerziehung der Deutschen
Dem Amerika Haus erging es wie vielen US-Einrichtungen während und nach dem Kalten Krieg: Je selbstbewusster die Amerikaner ihre Werte in der Welt vertraten, desto häufiger wurden ihre Symbole Ziele von Angriffen. C/O Berlin erinnert in einer Freiluftausstellung in der Hardenbergstraße erstmals daran
Im Februar 1966 klatschen sechs Eier auf die Fassade: Bei einer Demonstration des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds gegen den Vietnamkrieg wird das Berliner Amerika Haus an der Hardenbergstraße zum Symbol für die umstrittene Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Die Geste des Leiters, einige Demonstranten zum Gespräch nach drinnen zu bitten, überzeugt die Kriegsgegner vor der Tür nicht. Viele Berliner sind empört – die Amerikaner, die Wahrer von Freiheit und Wohlstand in West-Berlin, als Zielscheibe deutschen Protests? Umgehend entschuldigen sich Studenten der Freien Universität in einem Schreiben an den Hausdirektor für die Eierwürfe ihrer Kommilitonen. Doch in den Folgejahren spitzen sich die antiamerikanischen Proteste zu. Aus Eiern werden Steine, aus Steinen Brandsätze.
Nach den Angriffen bauten die Amerikaner ihre Kulturvertretung allmählich zur Festung aus. Dabei setzten sie in der Anfangsphase des Amerika Hauses ganz bewusst auf eine offene Informationskultur.
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Zunächst eröffnete der United States Information Service 1946 ein Kultur- und Informationszentrum an der Einemstraße. In den Jahren darauf entstanden Pläne für einen Neubau. Nicht ohne Grund wählten die Amerikaner dafür das Grundstück an der Hardenbergstraße in der Nähe des Bahnhofs Zoo. Auf dem Gelände hatten die Nationalsozialisten in einer Kunsthalle ihre Vorstellungen von Kunst gezeigt. Das Amerika Haus sollte als Schaufenster amerikanischer Kultur mit der Nazipropaganda brechen.
Der Berliner Architekt Bruno Grimmek entwirft das Gebäude Mitte der 1950er Jahre im modernen Stil. Schnörkellos, offen und leicht zugänglich soll es sein. Offenheit erhebt Grimmek zum Leitprinzip des Neubaus. Ein nahezu ebenerdiger Eingang ruft den Berlinern zu: Hier seid ihr willkommen! Lange Fensterfronten durchziehen die Fassade und mildern die klotzige Grundstruktur. In der Nachbarschaft offenbart das Amerika Haus einen scharfen Kontrast zur ausladenden Barockfassade des Oberverwaltungsgerichts, das direkt gegenüber liegt.
In den ersten Jahren nach der Eröffnung des Neubaus spiegelte das Programm des Amerika Hauses die Offenheit seiner Architektur wider. Bekannte Künstler aus den USA, darunter Robert Rauschenberg und Gordon Parks, zeigten dort erstmals ihre Werke in Deutschland. Jazz-Konzerte und Englisch-Kurse brachten den Deutschen den amerikanischen Lebensstil näher. Neben Ausstellungen und Konzerten war es in den Anfangsjahren vor allem die öffentliche Bibliothek, die Interesse bei den Berlinern aus Ost und West weckte. Tageszeitungen, Bücher und Fachzeitschriften vermittelten ein umfassendes Bild der Nachkriegswelt. Wie in anderen Städten der jungen Bundesrepublik war das „offene Haus“ damit wichtiger Baustein im Re-Education-Programm.
Der Mauerbau 1961 spaltete Berlin, Europa und die Welt. Wie kein anderes Bauwerk stand die Mauer für die ideologische Trennung zwischen West und Ost. Den Amerikanern ging es nun mehr denn je darum, Köpfe und Herzen für ihre Weltsicht zu gewinnen. Wiederum spielten die 29 westdeutschen Amerika Häuser dabei eine wichtige Rolle. Schon kurz nach der Mondlandung 1969 konnten die Westberliner an der Hardenbergstraße einen Stein vom Mond bewundern – die Botschaft: die USA als Land des technologischen Vorsprungs. Das beeindruckte nicht jeden Deutschen: Die Kritik am „amerikanischen Kulturimperialismus“ wuchs und entlud sich schließlich in teils gewalttätigen Protesten in der Spätphase des Vietnamkriegs. 1973 zogen fast wöchentlich Protestzüge am Haus vorbei. Im Dezember 1969 entging die Einrichtung einem Sprengstoffanschlag nur, weil der Zünder der Paketbombe versagte.
Die Angriffe gingen bis Anfang der 1980er Jahre weiter. Langsam verabschiedeten sich die Amerikaner vom einstigen Leitmotiv der Offenheit. Je erfolgreicher die USA ihr Politik- und Wirtschaftsmodell in der Welt durchsetzen konnten, desto häufiger waren Symbole der Supermacht Angriffen ausgesetzt. Der Sturm auf die amerikanische Botschaft in Teheran im November 1979 und der Selbstmordanschlag auf die US-Vertretung in Beirut im April 1983 bestätigten die Sorge der amerikanischen Regierung. Spätestens nach den Terroranschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia 1998 siegte das Prinzip Sicherheit auch in Berlin: Vorabanmeldungen und Sicherheitsschleuse warteten seitdem auf die Hausbesucher. Bürger waren nicht mehr willkommen: Nur noch geladene Gäste durften an Veranstaltungen teilnehmen. Antiamerikanismus gibt es bis heute, wie nicht zuletzt einige der Reaktionen auf die Enthüllungen Edward Snowdens im NSA-Skandal gezeigt haben.
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Das Ende des Amerika Hauses zeichnete sich gleich nach der Wiedervereinigung ab: Aus amerikanischer Sicht war die „mission accomplished“ – Kapitalismus und Demokratie siegten in weiten Teilen Europas über Kommunismus und Totalitarismus. Deutschland verlor den besonderen Status in der Außenpolitik Washingtons, die sich neuen Aufgaben zuwandte. Zwei Jahre vor der Einweihung der neuen US-Botschaft am Pariser Platz im Juli 2008 schlossen die USA das Amerika Haus und gaben das Grundstück zurück an die Stadt Berlin.
Nach Jahren der Zwischenlösungen hat das Gebäude bald einen neuen Mieter: Die renommierte Galerie C/O Berlin wird dort im Frühjahr 2014 einziehen. Zusammen mit dem Museum für Fotografie, das wenige Meter entfernt liegt, soll ein internationales Zentrum für Bildkunst entstehen. Bis Ende des Jahres wird das alte Amerika Haus dafür renoviert. Derzeit versperren ein Gerüst und eine große, weiße Plane mit schwarzem C/O Berlin-Schriftzug den Blick auf das Gebäude.
Für die aktuelle Ausstellung über die Geschichte des Amerika Hauses hat C/O Berlin die Fläche vor dem Haus von Unrat befreit. Aus dem hellen Kies ragen die Metallfüße großflächiger Tafeln empor, auf denen rund 120 Fotografien zu sehen sind. Nachts beleuchten Bodenlampen die Ausstellung, die für jeden bei freiem Eintritt somit rund um die Uhr zugänglich ist. Mit der Galerie kehrt das Prinzip der Offenheit an den Standort zurück.
Die C/O Berlin-Ausstellung „Bourgeoisie, Swing und Molotow-Cocktails. Das Amerika Haus im Wandel der Zeit“ an der Hardenbergstraße 22-24 ist noch bis zum 15. September 2013 rund um die Uhr zu sehen. Kurator ist Dr. Hans Georg Hiller von Gaertringen. Der Eintritt ist frei.
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