Robert Habeck beim Bundesparteitag / dpa

Schwachkopf-Affäre - Habeck wirft Schmutz auf sein Opfer

Mithilfe der Staatsmacht lässt Robert Habeck einen 64-Jährigen drangsalieren. Sein Verhalten im „Schwachkopf“-Skandal ist nicht nur schäbig. Es steht auch beispielhaft für den Hochmut der Grünen im Umgang mit Kritik.

Ferdinand Knauß

Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Der „Schwachkopf“-Skandal erscheint wie ein besonders prägnantes Beispiel für den neuen Oben-Unten-Konflikt in der bundesrepublikanischen Gesellschaft: Der Bundeswirtschaftsminister, frisch gekürter Kanzlerkandidat, Idol seiner grünen Partei („Team Robert“), von der gesamten Presse und dem wohlsituierten Juste Milieu zwischen Prenzlauer Berg und Freiburger Studenten-WG verehrt, lässt mit Hilfe der bewaffneten Staatsmacht einen 64-jährigen pensionierten Feldwebel und Vater einer Tochter mit Down Syndrom drangsalieren. 

Nur weil er auf X (@ichbinsfeinet) ein Bildchen weiterverbreitet hat, auf dem Habeck in satirischer Abwandlung einer Schwarzkopf-Werbung als „Schwachkopf. Professional“ bezeichnet wird, rückte bei ihm im Dörfchen Burgpreppach in aller Frühe – er war nach eigenen Angaben „im Schlafanzug, barfuß“ – die Polizei an, beschlagnahmte seine Computer und verängstigte die Tochter. Habeck hatte ihn angezeigt wegen des Posts. Zur juristischen Bewertung hat Volker Boehme-Neßler hier alles geschrieben

Sinnbild der Entfremdung der politischen Elite und ihrer Verachtung

Aus Nichtjuristensicht kann man auch einfach feststellen: Millionen Menschen haben sich schon seit Jahrhunderten im Straßenverkehr, auf dem Fußballplatz, in der Kneipe, unterm Weihnachtsbaum oder sonstwo als „Schwachkopf“ oder sehr viel ordinärer beschimpfen lassen (müssen) und andere ebenso tituliert. Kaum jemand meint deswegen Anzeige erstatten zu müssen. Wenn Staatsanwälte und Polizisten jedesmal dagegen vorgehen würden, hätten sie buchstäblich nichts anderes zu tun.

Aber die Affäre ist eben längst keine juristische mehr. Sie erscheint wie ein Sinnbild der Entfremdung der politischen Elite und ihrer Verachtung gegenüber jenen Menschen, die nicht zu den glücklichen Erleuchteten auf dem Pfad der erlösenden Transformation gehören, sondern sich unter finanziellen Existenzsorgen mit den Vorgaben des Schicksals und der Regierenden durchschlagen müssen. 

Ein größerer Gegensatz als der zwischen Robert Habeck und Stefan Niehoff ist kaum vorstellbar. Klar, wer hier Goliath und wer David ist. Die Schwachkopf-Affäre wirft auf Habeck ein ähnliches Licht, wie das hochmütige Wort vom „basket of deplorables“ (Korb der Kläglichen) für Trump-Wähler 2016 auf Hillary Clinton.

Dass Niehoff nicht gerade ein Glückskind des Lebens, aber wohl auch kaum eine große Gefahr für den inneren Frieden Deutschlands ist, müsste eigentlich auch Habeck spätestens nach einem Blick auf die Berichte und Bilder von Niehoff und der Hausdurchsuchung mitbekommen haben. Spätestens nach Bekanntwerden dieser Berichte hätte ein einigermaßen einfühlsamer Mensch eigentlich einsehen müssen, wie unverhältnismäßig seine Anzeige und vor allem diese Hausdurchsuchung war.

Am Küchentisch ist Platz für Habeck

Habeck hätte sich öffentlich bei dem Mann entschuldigen können. Er hätte sagen können, dass das vom Amtsgericht Bamberg im Durchsuchungsbeschluss behauptete „öffentliche Interesse an der Strafverfolgung“ natürlich ebenso unsinnig sei wie der darin geäußerte Vorwurf, mit seinem Bildchen Habeck „generell zu diffamieren“ und „seine Amtsgeschäfte zu erschweren“. Das ist einfach nur lächerlich. 

Habeck hätte seine Anzeige deswegen sofort zurückziehen können. Damit hätte er Souveränität bewiesen. Er hätte zusätzlich auch echte menschliche Größe bewiesen, wenn er die Einladung Niehoffs via nius.de angenommen hätte. Der ludt ihn in Anspielung auf Habecks skurriles Kanzlerkandidatur-Küchentisch-Video an seinen eigenen Küchentisch ein – wo ihm vorher die Polizeibeamten von der Kripo Schweinfurt den Durchsuchungsbeschluss präsentiert hatten.

Doch Habeck tat das Gegenteil. Im Rahmen des Grünen-Parteitags, der vor allem eine Beweihräucherung seiner Person war, wurde er – endlich – auch von den öffentlich-rechtlichen Medien auf den Fall angesprochen. In der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Habeck?“ sagt er zwar, er wolle beim nächsten Mal, wenn ihn jemand „Schwachkopf“ nennt, „in den Akten genauer hingucken“. Aber dann behauptet er, es gehe in der Pressemitteilung „um etwas ganz anderes“, da wären „andere Aufklärungstatbestände“. Aber genau das stimmt nicht. 

Der Durchsuchungsbeschluss ist allein durch die Schwachkopf-Beleidigung gegen ihn begründet. Im Bericht aus Berlin der ARD sagt Habeck: „Natürlich ist Schwachkopf nicht die schlimmste Beleidigung, die jemals ausgesprochen wurde. Was aber daraus dann passiert ist, dass nämlich die Staatsanwaltschaft daraus dann den Laptop oder das Endgerät beschlagnahmt hat, also ins Haus reingegangen ist, hat mit meiner Anzeige nur als Auslösendes, glaube ich, zu tun. Denn in der Erklärung der Polizei war ja von rassistischen Hintergründen die Rede, oder antisemitischen Hintergründen die Rede. Deswegen denke ich, dass das zwar die gleiche Person ist, aber diese Anzeige nur Auslöser war.“

Diese Sätze sind sprachlich und semantisch wirr (was soll das bedeuten, dass seine Anzeige „nur Auslöser war“?), aber vor allem enthalten sie eine extreme Unterstellung gegen Niehoff, ein Rassist und Antisemit zu sein, was viel folgenreicher ist als ein „Schwachkopf“. So ein Vorwurf kann die soziale Existenz eines Menschen schwer und irreparabel schädigen.  

Im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts, der auf nius.de gezeigt wird, und der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft wird die Durchsuchung aber alleine mit der Beleidigung Habecks begründet. Ergänzend steht in der PM dann noch: 

Es besteht weiterhin der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung gem. § 130 StGB, da dem 64-Jährigen darüber hinaus vorgeworfen wird, im Frühjahr 2024 auf der Internetplattform „X“ eine Bilddatei hochgeladen zu haben, auf der ein SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift „Deutsche kauft nicht bei Juden“ sowie u.a. der Zusatztext „Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!“ zu sehen ist. Die Wohnungsdurchsuchung erfolgte im Zusammenhang mit einem bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet.

Das „Kauft nicht bei Juden“-Bild, das Niehoff geteilt hatte und auf das sich die Staatsanwaltschaft und indirekt nun auch Habeck berufen, ist wohl eher ein unpassender Vergleich heutiger Zustände mit jenen während des NS-Regimes, aber wohl kaum antisemitisch zu interpretieren, da Niehoff die damaligen Boykotte und Pogrome ja gerade nicht rechtfertigt, sondern vor Zuständen wie im NS-Regime warnt. Strafrelevant jedenfalls dürfte der Post nicht sein.  

„Schwachkopf“ und Habeck sind nun unzertrennlich

Habeck hat mit seiner Strafanzeige wegen Beleidigung (eine von über 800 seit Amtsantritt) einerseits ein klassisches kommunikatives Eigentor geschossen. Das Ergebnis ist, dass das beleidigende Meme nun millionenfach verbreitet wird und derzeit wohl fast jeder, der die alltägliche Beleidigung „Schwachkopf“ ausstößt oder hört, an den Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidaten der Grünen denkt. „Du Habeck!“ könnte bald selbst zu einem Code-Schimpfwort werden, so wie das neue Verb „Scholzen“ für das von Kanzler Scholz perfektionierte Drumherumreden und Vernebeln steht. 

Aber die Affäre dürfte eben auch von vielen Menschen, die ähnlich leben wie Niehoff und sich von der Politik gegängelt und in ihrem bescheidenen Wohlstand bedroht fühlen, als beispielhaft für den Hochmut einer grün dominierten politischen Klasse wahrgenommen werden. Habeck ist in seinem gesamten Habitus eine Art Idol für die grüne Partei, die ihn gerade auf dem Parteitag frenetisch feierte, und für weite Teile des arrivierten, materiell abgesicherten und moralisch überheblichen Juste Milieu des Landes. 

Man gibt sich im „Team Robert“ stets gefühlsbetont und macht vermeintlich Politik für die Benachteiligten dieser Welt. Doch in der Schwachkopf-Affäre hat Habeck nun hinter dieser Fassade des Küchentischgesprächs unter Freunden gezeigt, was auch in ihm steckt. Wenn einmal ein wirklich vom Schicksal nicht gerade bevorzugter Mann seinen Unmut gegen ihn und seine „Wir verändern die Realität in Deutschland“-Politik auf derbe Weise öffentlich macht, schlägt jener Habeck, der so gerne seine Parteifreunde herzt, erbarmungslos zu. Und wenn der Getroffene dann als Opfer kenntlich wird, und er selbst in schlechtes Licht zu geraten droht, wirft er eben noch einen Rassismus-Vorwurf hinterher. 

Habeck fügt also, um sich selbst zu rechtfertigen, seinem Opfer noch mehr Schaden zu. Er opfert buchstäblich den Leumund von Stefan Niehoff, um sich nicht entschuldigen zu müssen. Es steht zu befürchten, dass Habeck damit bei vielen Menschen kommunikativ durchkommt, für die er ein Idol ist, und die Menschen wie Niehoff für „deplorable“ und für zumindest potentielle Rassisten oder sonstwie moralisch missraten halten. 

Aber bei vermutlich noch mehr Menschen, die so ähnlich leben wie Niehoff oder jedenfalls einen Mann wie ihn nicht für verachtenswert halten, wird Habecks Verhalten das latente Misstrauen oder gar die Ablehnung gegen die Grünen und ihre Politik noch verstärken. Der Riss, der durch die Gesellschaften der westlichen Welt geht, ist in Deutschland durch Robert Habeck noch ein bisschen tiefer geworden.   

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