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Peter Tauber - Merkels Chefkonstrukteur

Peter Tauber ist die neue Unbekannte in der Spitzenpolitik. Als CDU-Generalsekretär ist er die rechte Hand der Kanzlerin. Mit Angela Merkel hat er eine Agenda vereinbart, die die Schlagkraft der Partei modernisieren soll

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Hundert Tage ist das Kabinett Merkel III nun im Amt. Weil Angela Merkel fast die absolute Mehrheit erreicht hat, ist sie in der Partei unangefochten. Weil sie in der XXL-Koalition gegen eine XXS-Opposition regiert, fühlt sie sich auch nach außen stark. Deshalb wagt sie ein innerparteiliches Experiment. Es ist ein Versuch, der ebenfalls vor hundert Tagen begonnen hat. Am Tag vor ihrer Vereidigung zur Bundeskanzlerin stellte Parteichefin Merkel ihn vor: den neuen CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

Peter wer? Das sagte sich leicht damals und das fragen viele bis heute. Noch immer kann Tauber weitgehend unerkannt durch Berlin radeln oder joggen. Er ist noch nicht zu dem Gesicht der CDU geworden. Das sollte er auch nie. Für Merkel hat Tauber eine viel wichtigere Funktion. Er ist der Chefkonstrukteur, damit ihre Partei nicht eines Tages in sich zusammenbricht.

Sekretäre der Macht
 

Generalsekretär – das sind zwei Berufe in einem. Es ist einerseits der General wie beim Militär, also ein Offizier der höchsten Rangklasse. Unter den bisherigen dreizehn CDU-Generalsekretären waren echte Haudegen wie Heiner Geißler oder Volker Rühe. So ein Typ ist Peter Tauber nicht – und will es auch nicht werden.

Der andere Wortteil, der Sekretär, bedeutet wörtlich „Geheimschreiber“. Einer, der sich um die Korrespondenz im höheren Auftrag kümmert. Oft waren solche Subalternen weit besser in Schrift und Sprache als ihre Vorgesetzten, was im Übertragenen Sinne auch in der CDU galt. Manager, die vor allem in der Partei wirken, waren Bruno Heck, Kurt Biedenkopf bis hin zu Ronald Pofalla und Hermann Gröhe. Auch Tauber hat diese Aufgabe. Er soll die CDU für das digitale Zeitalter wappnen.

Wer ist nun Tauber? Außerhalb Hessens, wo er einst die JU anführte, kannte ihn kaum jemand in Partei und Presse, als Merkel ihn vor hundert Tagen präsentierte. In den ersten Porträts wird er wegen seiner Netz-Aktivitäten als Nerd bezeichnet. Wegen seiner strengen Haltung zum Lebensschutz hat man ihn eilig rechts einsortiert.

Dabei hat Tauber den freundlichsten aller Glückwünsche zur Berufung als CDU-Generalsekretär von einem SPD-Urgestein erhalten: Rainer Krätschmer, Bürgermeister des tiefroten Spessart-Städtchens Wächtersbach erinnert in der Gratulation an seinen Anteil in Taubers steiler Karriere. Der SPD-Mann hat ihn in die Politik geholt, wenn auch unfreiwillig.

Über Rot zu Schwarz
 

Als Jugendlicher suchte Tauber den ersten politischen Kontakt bei jenem SPD-Bürgermeister Krätschmer – und blitzte ab. Tauber und seine Freunde verlangten einen Platz zum bolzen. Ihr Bürgermeister habe die Buben aber gar nicht ernst genommen und nach Hause geschickt, deshalb hätten sie am Ort die Junge Union gegründet, sagt Tauber. „Oft habe ich bewusst Gegenpositionen eingenommen. Je mehr darauf eingekloppt wird, desto härter werde ich.“

In der Jungen Union stieg Tauber zügig auf zum hessischen Landesvorsitzenden und entwarf die „RoKo“-Kampagne für Roland Koch. Darin bewarb die JU ihren Ministerpräsidenten in Form einer Karikatur, weißer Schopf und dicke Lippen. Als „RoKo“ sollte Koch bei der Jugend punkten. Diesen Landtagswahlkampf 2003 gewann die CDU mit absoluter Mehrheit, einmalig in Hessen.

Dennoch wurde der junge Tauber nicht zum Vertrauten oder gar Duzfreund des Landesvaters. Zu sehr nervte er Koch und dessen Kabinett mit eigenmächtigen JU-Aktionen. Wegen seiner harten Haltung gegen Abtreibung hielten ihn die Linken in der CDU für rechts und wegen seines Kampfes gegen Studiengebühren die Rechten für verantwortungslos.

Tauber will sich nicht verorten lassen. Gesellschaftspolitisch hält er sich in vielem für weit liberaler als die Parteimehrheit, etwa in Rechtsfragen für gleichgeschlechtliche Paare. Zugleich ist das „positiv Patriotische“ für ihn wichtig – seine Reden beendet er stets mit „Hurra“. Überhaupt hat er Freude an vermeintlichen Gegensätzen: In seinem Büro im Adenauer-Haus stehen oben im Regal die Standardwerke großer Historiker zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, allen voran seines eigenen Doktorvaters Lothar Gall. In der Reihe darunter heißen die Bücher „Bierzelt oder Blog. Politik im digitalen Zeitalter“, „Nerd Attack“ und „Ich bin dann mal offline“.

Das offline-Buch scheint Tauber nicht überzeugt zu haben. Er greift mindestens so oft zum Handy wie einst Pofalla zur Zigarettenpackung. Tauber twittert selbst, er hat auch keinen Ghostwriter für seinen Blog „Schwarzer Peter“. So erreiche er 20.000 Leute direkt und sei damit unter den Top Ten der Union.

Merkel verspricht sich von ihm, dass er auf neuen Wegen neue Leute für die CDU zu gewinnt. Warum, sagt er selbst analytisch gradlinig: „Wir haben zu wenig Frauen, zu wenig Junge und zu wenig Zuwanderer.“ Nach ihnen soll Tauber in der weiten Netzwelt fischen. Tauber fordert seine Partei auf, selbstbewusst das digitale Zeitalter anzugehen. Er vertrat schon 2012 die These, dass man die „linke Deutungshoheit im Netz durchbrechen“ müsse.

Merkels Modernisierer
 

Als Generalsekretär hat er mit Merkel eine „Agenda“ vereinbart, wie die Schlagkraft der Partei modernisiert werden soll. Merkel verlangt nicht von ihm, die Partei inhaltlich neu auszutarieren zwischen Rechts, Links und Mitte. Er muss die CDU auch nicht groß profilieren. Taubers Job ist es, Merkels Wirken als erfolgreich darzustellen, vor allem in bisher für die CDU wenig zugänglichen Kanälen. Um möglichst viele Netzaffine zu erreichen, muss er die passenden Schlagwörter und Symbolbilder posten. Sein Ziel ist es, die Strukturen der CDU so zu erneuern, dass sie auch noch in einem Jahrzehnt eine Mitgliederpartei ist und nicht zur Funktionärspartei verkommt.

„Strukturreformen“ stehen dazu für Tauber ganz oben auf seiner To-do-List. „Das klingt für Medien nicht sehr sexy, ist für uns aber enorm wichtig.“ Von den 470.000 CDU-Mitgliedern seien die meisten noch direkt geworben worden, weil irgendwer aus der Partei sie einst angesprochen habe. „Heute treten 25 Prozent der Neumitglieder online ein“, sagt Tauber. „Viele kennen vor Ort gar keinen CDU-Politiker persönlich und werden auch nicht gekannt.“ Auch diese Mitglieder müssten eingebunden werden – auf Facebook und Twitter eben, wenn schon nicht durch den Ortsverband. Auf der CDU-Seite kann nicht nur jedes Mitglied am Programm zur Europawahl mitschreiben, sondern auch die Vorschläge der anderen gewichten.

In der virtuellen CDU-Welt ist Peter Tauber bekannt. In Reden auf Parteiveranstaltungen stellt er sich der Basis als Erneuerer vor. „Wir müssen uns gewahr werden, dass viele Antworten von 1980 nicht mehr im Jahr 2014 richtig sind“, ist so ein Satz. Wehrpflicht, Kernenergie, Familienbild – vieles hat sich schon verändert. Das hält Tauber für notwendig, obwohl er selbst einst in allen Punkten anders dachte als Reserveoffizier, früherer Atomkraftbefürworter und gläubiger Protestant. „Es reicht nicht, nur zurückzublicken und das vermeintlich gewesene Gute zu bejammern anstatt in die Zukunft zu schauen.“ Allein Demographie und Digitalisierung würden Deutschland „in den nächsten 15 Jahren auf eine Art und Weise verändern, die wir nicht erahnen“.

Mancher glaubt zu ahnen, dass Peter Tauber selbst eine große Veränderung ist in der CDU. Seit er sich der Öffentlichkeit als „ledig“ vorgestellt hat, wird geraunt: Der ist doch schwul. Tauber ist das wurscht. Seine Freundin ist Ärztin, und er hat ihr halt versprochen, sie aus seinem neuen Job herauszuhalten. Das Paar teilt sich in Berlin eine Hinterhauswohnung; übrigens im „roten Wedding“, Hochburg der SPD.

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