- Der Mann für alle Fälle
Wolfgang Schäuble war ein Kämpfer, nie allein in eigener Sache, sondern immer zugleich um der übergeordneten Sache unserer Demokratie und ihres inneren Zusammenhalts willen. Wir verneigen uns vor einem Großen, der die jüngere Geschichte unseres Landes entscheidend mitgeprägt hat.
Wolfgang Schäuble war einst ein großer und begeisterter Tennisspieler, und ich kannte ihn noch als solchen zu jener Zeit. Es war diese unglaublich vitale innere Kraft und seine intellektuelle Beweglichkeit, die ihn so sehr, nicht nur auf dem Tennisplatz, sondern sein ganzes Leben und Wirken hindurch auszeichnete und über viele seiner Kaste erhob. Diese vitale innere Kraft und Beweglichkeit hat ihn nie verlassen, auch seit ein tragischer Schicksalsschlag ihm die äußere nahm. Sie war so ansteckend, dass Menschen ihm in Scharen folgten, obgleich er oftmals mit Härte ihnen und auch sich selbst begegnete.
Er war ein Kämpfer, nie allein in eigener Sache, sondern immer zugleich um der übergeordneten Sache unserer Demokratie und ihres inneren Zusammenhalts willen. Seine Kraftquelle war neben der Familie sein evangelisch-christlicher Glaube und sein daraus gespeistes Denken. Es trug bisweilen calvinistische Züge und war authentisch von tiefer persönlicher Bescheidenheit und unabdingbarer Disziplin geprägt. Diese hat ihm nicht zuletzt jene Kraft beschert, die uns alle als Bürger über so viele Jahrzehnte so segensreich beschenkt hat. Sein Vorbild wird durch diese Kraft über den Tag hinaus erstrahlen.
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Wolfgang Schäuble hatte an viele Weichenstellungen der jüngeren Geschichte unseres Landes wesentlichen, ja bisweilen essenziellen Anteil. Seine unvergessliche Rede im deutschen Bundestag, die schlussendlich den Ausschlag für eine Mehrheit pro Umzug nach Berlin gab, macht ihn zu einem, nein, zu dem Vater der Berliner Republik.
Seine essenzielle Rolle bei der Entwicklung der Verträge zur deutschen Einheit in einem Duktus des Zusammenkommens, was zusammengehört, oder auch seine beispielhafte persönliche Disziplin, die er Jahre später als Finanzminister zur leuchtenden Richtschnur haushalterischen Handelns machte und die in die Geschichte als „schwarze Null“ eingehen wird, sind nur einige wenige Streiflichter seines Wirkens, die an diesem Tag wie in einem Film im Gedächtnis ablaufen.
Schäuble war ein Denker in langen Linien
Dass er in einer dramatischen Nacht in Brüssel, aus dem Krankenhaus heraus, die Vergemeinschaftung der Schulden Europas verhindern konnte, mag vielen nicht mehr im Gedächtnis sein, war aber retrospektiv vielleicht seine weitreichendste Entscheidung und Errungenschaft. Man stelle sich nur einen Moment lang vor, es wäre seinerzeit die gesamtschuldnerische Haftung innerhalb der EU im Rahmen von Euro-Bonds eingeführt worden. Deutschland, als letzter Hort von Bonität, wäre fortan für alle künftigen Schulden der Mitgliedstaaten eingestanden.
Dagegen würden die sogenannten Sondervermögen der Ampel-Regierung schuldentechnisch zum reinen Nasenwasser verkommen und wir würden heute über ganz andere, wahrscheinlich existentielle Herausforderungen für den Euro-Raum sprechen. Wolfgang Schäuble hat dies vorausgesehen, mit der ihm eigenen analytischen Kraft und Weitsicht. Dabei ist ihm diese Entscheidung als überzeugtem Europäer und mit großer Leidenschaft für die deutsch-französische Freundschaft kämpfender Politiker wahrhaft nicht leichtgefallen, aber er hat sich eben nie nur von der Emotion, sondern stets zugleich auch von seiner Ratio leiten lassen und das „respice finem“ zu seinem Credo gemacht. Er war ein Denker in langen Linien und vielschichtigen Sphären, die man in der heutigen Politikerkaste so schmerzlich vermisst und die trotz aller Strukturbrüche und fraktalen Geometrie unserer Zeit so essentiell für ein trittsicheres Bewegen in die Zukunft sind.
Eine andere legendäre Figur der Nachkriegsgeschichte, in diesem Fall der leichten Muse, Harald Juhnke, hat einst gesungen: „Ich bin der Mann für alle Fälle.“ Wolfgang Schäuble war der Mann für alle Fälle der Bonner und Berliner Republik, und es entbehrt nicht einer historischen Tragik, dass der Fall, für den er sich sein Leben lang vorbereitet hat, nie eingetreten ist. Man halte an diesem Tag inne und denke für einen Moment daran, was gewesen wäre, hätte Wolfgang Schäuble dieses Land sechzehn Jahre lang regiert. Wir verneigen uns vor einem Großen und vor dem Unerfüllten.
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heute bei Ach:gut reinschauen, dort sind 3 vergangene Beitraege angehaengt, mehr muss ich/man von diesem Menschen nicht wissen. Nicht die kleinste..!! Traene....
sprechen Bände.
Und immer wieder fragt man sich, warum er der "Unerfüllte" werden musste.
Er hatte es in der Hand, das Ruder wieder in die Hand zu nehmen. Warum nur fehlte ihm der Mut? 2015 stand die Tür offen, aber man ließ die Zerstörerin an der Macht.
Wenn Schäuble uns, bzw. seinen Nachfolgern in der Politik eines gelehrt hat:
"Wenn die Stunde kommt, habe den Mut. Das Land ist wichtiger als parteipolitische Loyalität"
Man kann angesichts des katastrophalen Zustandes dieses Landes, der verkommenen politischen Kultur, dem drohenden Absturz in die Lächerlichkeit und Bedeutungslosigkeit nur hoffen, dass andere den Mut haben werden, "undenkbare" Wege zu gehen.
Denn letztendlich - und das sage ich nicht gerne - ist Schäuble mit seinem Lebenswerk gescheitert.
Es droht nicht nur der Zusammenbruch seines geliebten Landes. In Folge dessen droht auch der Zusammenbruch seines geliebten Europas.
Rote und Grüne müssen für lange Zeit weg vom Ruder!