Komiker Hirschhausen in der Anatomischen Sammlung der Berliner Charité / Dominik Butzmann

Öffentlich-Rechtliche - Das Hirschhausen-Syndrom

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten berufen sich gerne auf Unabhängigkeit und Integrität. Doch manch ein Star von ARD und ZDF ist in Interessenkonflikte verstrickt. Ein Paradebeispiel: Fernseharzt Eckart von Hirschhausen.

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Cornelia Stolze ist Wissenschafts- journalistin in Hamburg.

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Die Empörung war groß. Ein Eklat, ein übles Schauspiel, regelrechter Betrug sei das Interview der Pro7-Moderatorin Linda Zervakis mit Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Digitalmesse re:publica 2022 gewesen. So lautete der Vorwurf zahlreicher Medienmacher, nachdem Anfang März bekannt geworden war, dass Scholz seine Fragestellerin nicht nur selbst für den Auftritt ausgesucht hatte. Zervakis hatte für diesen und einen weiteren Einsatz im November 2022 auch insgesamt mehr als 12.000 Euro vom Kanzleramt erhalten. 

„Keine Spur von Unabhängigkeit“, prangerte ein Kommentator des Tagesspiegel das Verhalten der Journalistin an. Zervakis habe sich zu Scholz’ Gehilfin gemacht. „Regierungs-PR, die als journalistische Fragestunde verkleidet wurde.“ Alles Fake, erlogen von vorn bis hinten, ereiferte sich auch die CDU-Bundestags­abgeordnete Ingeborg Gräßle. 

Ein gefragter Mann

Der Eifer, mit dem sich die Kritiker auf die Moderatorin stürzten, erstaunt. Denn Interessenkonflikte im Journalismus sind weit verbreitet und existieren in beträchtlichem Ausmaß auch bei Mitarbeitern von ARD und ZDF. Das zeigte erst kürzlich eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion: Bundesministerien und Bundesbehörden haben von 2018 bis Anfang 2023 an 197 Journalistinnen und Journalisten rund 1,47 Millionen Euro gezahlt. Mehr als die Hälfte ging an Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen

Fest steht, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist. Denn Interessenkonflikte im Journalismus entstehen an etlichen Stellen. Sie kommen zustande durch Nebentätigkeiten von Moderatoren, Redakteuren und Autoren für Pharmafirmen, Krankenversicherungen, Behörden oder Ministerien. Sie spiegeln sich wider in Mitgliedschaften von Journalisten in Parteien, NGOs oder Funktionen als Beirat von kommerziellen Unternehmen. Und sie treten zutage, wenn sich Medienschaffende zum Zugpferd für Werbetreibende oder für Kampagnen der Regierenden machen lassen. So hat etwa die NDR-Moderatorin Bettina Tietjen im Frühjahr 2019 mehrere Veranstaltungen für den US-Medikamentenhersteller Biogen moderiert. Die ARD-Moma-Moderatorin Okka Gundel wiederum führte im Februar 2022 durch einen Kongress zum Thema Brustkrebs, der unter anderem von Pharmakonzernen wie Astrazeneca und Pfizer finanziert wird.

Zur Meisterschaft auf diesem Gebiet hat es jedoch ein anderer Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebracht. Ob WDR, HR oder NDR – der TV-Moderator und Komiker Eckart von Hirschhausen ist seit Jahren ein gefragter Mann in der ARD. Er präsentiert nicht nur Shows wie „Frag doch mal die Maus“. Seit Jahren tritt er auch in Sendungen zu medizinischen Themen wie „Hirschhausens Check-up“ und „Hirschhausens Sprechstunde“ auf. Nebenbei bestreitet er Soloprogramme im Kabarett, veröffentlicht Bücher, CDs und DVDs und sammelt Preise, soviel er kann. Vom „RTL Comedy Coup“ bis hin zum „Münchhausen-Preis“ der Stadt Bodenwerder. 

Hirschhausens erster Corona-Film

Beim WDR ist man stolz auf derlei Produktivität und Prominenz im eigenen Haus. Hirschhausen sei „einer der profiliertesten Wissenschaftsjournalisten unseres Landes“, konstatiert Programmdirektor Jörg Schönenborn in einer Pressemitteilung vom September 2021. Als einer der bekanntesten Ärzte Deutschlands habe sich dieser für eine verständliche Vermittlung der medizinischen Hintergründe der Pandemie engagiert. Auch Christine Strobl, Programmdirektorin der ARD, lobt die fruchtbare Zusammenarbeit. „Ein Arzt, der gute Laune verbreitet und unterhaltsam ist, dabei glaubwürdig und vertrauensvoll bleibt, den brauchen wir in der ARD.“ 

Zu diesem Zeitpunkt hat Hirschhausen für den WDR bereits zwei viel beachtete Filme zu Corona gemacht. „Hirschhausen auf Intensiv“ lautet der Titel des ersten Stückes, das bereits kurz nach dem ersten Lockdown, am 12. Mai 2020, ausgestrahlt wird. In der größten Gesundheitskrise unserer Zeit, heißt es in der Ankündigung, sei der Arzt und Moderator zurück zu seinen medizinischen Wurzeln gegangen. Im Universitätsklinikum Bonn habe Hirschhausen „hautnah miterlebt, wie sich das Notfallzentrum auf einen unbekannten Ansturm von infektiösen Patienten vorbereitet“. 

 

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Ganz Deutschland ist zu dieser Zeit noch geschockt von den Bildern aus Bergamo. Die Angst vieler Menschen ist groß, bald selbst mit Atemnot auf einer Intensivstation zu liegen und um Luft zu ringen. Gleichzeitig kämpft die Regierung mit wachsender Kritik. Etliche Experten halten viele der Maßnahmen für falsch und überzogen. Seit Ende März 2020 sorgt zudem ein internes Papier aus dem Bundesinnenministerium für Wirbel. Die Autoren des Schriftstücks empfehlen der Regierung, in der Öffentlichkeit gezielt die Angst vor Corona zu schüren. 

Als Impfproband vor die Kamera

Am 1. Februar 2021 sendet der WDR den zweiten Film des prominenten Journalisten. „Hirschhausen als Impfproband“ heißt die Dokumentation, die passend zum Impfstart in Deutschland ausgestrahlt wird und in der Hirschhausen angeblich „alle Schritte vor der Zulassung eines neuen Impfstoffs maximal transparent machen“ will. Er habe sich überlegt, schildert er seine Motivation, „was mein Beitrag sein könnte, damit wir den Impfstart in Deutschland nicht durch Wissenslücken und Misstrauen in den Sand setzen“. Impfen sei für ihn „sinnvoll, sicher und solidarisch“. Als ehemaliger Arzt in der Kinderheilkunde habe er erlebt, sagt Hirschhausen in einem Interview, „was für ein Segen wirksame Impfungen sind“.

Für den Film entschließt sich Hirschhausen zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er tritt nicht nur als Journalist des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, als Arzt und als Prominenter vor die Kamera. Er präsentiert sich als Testperson einer klinischen Studie, in der ein noch nicht zugelassener Impfstoff an ihm ausprobiert wird.

Fragen zu etwaigen Nebenwirkungen nerven den Mediziner, wie er damals in einem Interview gesteht. Der Nutzen der Impfung sei glasklar belegt, sagt er. Der Schaden der Impfung sei auch ziemlich klar: „Zwei Tage mit Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl, Unwohlsein. So wie bei jedem anderen Infekt auch.“ Natürlich könne man nach ein paar Monaten noch nicht wissen, was möglicherweise die Langzeitschäden sein könnten. Aber dafür gebe es einen „klaren und transparenten Prozess, damit nichts übersehen wird“. Jeder könne direkt beim Paul-Ehrlich-Institut seine unerwünschten Reaktionen melden

Problematische Interessenkonflikte

Dass es damit nicht getan ist und Tote nichts mehr melden können, hat Hirschhausen offenbar nicht bedacht. Nur wenig später, im März 2021, treffen die ersten Meldungen von tödlichen Hirnblutungen nach Injektionen mit dem Wirkstoff von Astrazeneca ein. Für Hirschhausen selbst dagegen geht das Experiment als Impfproband bestens aus. Keines der möglichen Risiken sei eingetreten, berichtet er später. Kein Wunder, so Hirschhausen. Inzwischen wisse er, dass er „durch die Zufallsverteilung zur Kontrollgruppe gehörte“.

Auch mit seinem dritten Corona-Film „Hirschhausen – Corona ohne Ende?“ aus dem Dezember 2021 tritt der Journalist für die Impfung ein. Dieses Mal widmet er sich dem Thema Long Covid. Hirschhausens Film zeigt das Schicksal mehrerer Menschen, die – so der WDR – an den „komplexen Folgeerkrankungen der Pandemie auf Hirn, Lunge, Gefäßsystem und auch die Psyche“ leiden. Eine der Patientinnen, die der Journalist besucht, ist seit Monaten auf einen Rollstuhl angewiesen. Das, so Hirschhausens Botschaft, sei verhinderbar – durch die Impfung. Wer sich unsicher sei, ob er sich impfen lassen möchte oder nicht, könne zwei Dinge abwägen: „eine sichere Impfung. Und ein unsicheres Schicksal von fast jedem zehnten Covid-Patienten: die Langzeitfolgen der ungeschützten Infektion“. 

Was die Öffentlichkeit von der ARD nicht erfährt: Der sogenannte Wissenschaftsjournalist Hirschhausen ist beim Thema Impfen in zahlreiche Interessenkonflikte verstrickt. Er steht in den Diensten des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesentwicklungsministeriums und der Landesregierung von Baden-Württemberg. Er liefert Beiträge für Publikationen des RKI und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Er wird gebucht als Redner und Moderator für Tagungen medizinischer Fachgesellschaften. Er ist als „Botschafter“ für das Bundesentwicklungsministerium, für die Agenda 2030 der Vereinten Nationen aktiv. Er macht Selfies mit Ärztefunktionären und Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Mit dem jetzigen Amtsinhaber, Karl Lauterbach, ist Hirschhausen auf Du und Du. Für den WDR aber ist das alles kein Problem. Auf Nachfrage von Cicero teilt der Sender mit, dass sich Hirschhausen zur Vermeidung von Interessenkonflikten im Vorfeld mit den Redaktionen abspreche.

„Wer sich nicht impfen lässt, ist ein asozialer Trittbrettfahrer“

Somit dürfte beim WDR die lange Chronik der Verflechtungen bekannt sein: Schon im Frühjahr 2018 – zwei Jahre vor der Corona-Krise – unterstützt Hirschhausen eine politische Impfinitiative der EU. Gemeinsam mit dem damaligen EU-Kommissar für Gesundheit Vytenis Andriukaitis veröffentlicht er am 27. April 2018 einen Meinungsartikel in der Welt, in dem er schreibt: „Wer sich nicht impfen lässt, ist ein asozialer Trittbrettfahrer.“ Fakt sei: „Impfen ist sicher, sinnvoll und solidarisch.“

Kurz vor der Corona-Krise, im Dezember 2019, tritt Hirschhausen auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Intensivmedizin (DIVI) als Keynote-­Speaker auf. Jener Ärztevereinigung also, die später in der Pandemie Schlagzeilen mit fragwürdigen Zahlen und Daten zur Belegung von Intensivbetten und zur Rolle der Ungeimpften macht. Einer der Industriepartner und Sponsoren des Kongresses ist der US-Konzern Pfizer, der auch ein Industriesymposium und mehrere Kurse auf dem Kongress finanziert. Präsident der DIVI ist zu dieser Zeit Uwe Janssens.

Im Mai 2019 hatte sich Hirschhausen ebenfalls an einer Impfkampagne beteiligt, die von Pharmafirmen wie GSK, Pfizer und Sanofi-Aventis gesponsert wird. Der Startschuss der Kampagne fällt bei einem Expertensymposium der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, zu dem neben Hirschhausen auch Lothar Wieler als Redner geladen ist. Ziel der Aktion ist es, skeptische oder noch unsichere Patienten mit guten Argumenten und Empathie davon zu überzeugen, dass sie sich impfen lassen. 

Im Dienste des World Health Summit

Mitbeteiligt an der Aktion sind der Deutsche Ärzteverlag, der das Deutsche Ärzteblatt herausgibt, sowie Cornelia Betsch, Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt. Hirschhausen interviewt Betsch später für seinen Film „Impfproband“ – als Expertin für gute Impfkommunikation. Betsch wird im November 2021 in den Expertenrat des Bundeskanzleramts berufen. 

Hirschhausen ist zudem Botschafter des sogenannten World Health Summit (WHS). Seit Jahren erhält der Geld von Unternehmen wie Pfizer, Johnson & Johnson, Roche, Bayer sowie von Stiftungen wie der Rockefeller Foundation und der Gates Foundation. Dabei sind diese Firmen und Stiftungen, wie der WHS selbst beschreibt, nicht nur Sponsoren, sondern auch „strategische Partner“. Partner des WHS ist auch die internationale, von der Gates Foundation unterstützte Impf­allianz GAVI. Zwischen 2019 und 2022 hat Hirschhausen an insgesamt acht verschiedenen Panel-Diskussionen und Workshops des WHS aktiv als Chair oder Sprecher teilgenommen.

Im Juni 2021 veröffentlichen das RKI, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ein 80-seitiges gelbes Buch mit dem Titel „Das Impfbuch für alle“. Laut BMG soll es dazu beitragen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger „verlässlich über das Impfen informieren und mit einem guten Gefühl entscheiden können“. Mit von der Partie ist Eckart von Hirschhausen. Sein Name schmückt die Titelseite des Buches. „Deutschlands bekanntester Arzt und Wissenschaftsjournalist“, heißt es im Vorwort, hat darin seine persönlichen Erfahrungen und seine Sicht zum Thema Impfen gerne in den Kommentaren in diesem Buch eingebracht.  

Nebenwirkungen werden nicht systematisch erfasst

Für das„Impfbuch“ habe Hirschhausen „keine Zahlungen vom BMG erhalten“, teilt das Ministerium mit. Auf Nachfrage räumt man jedoch ein, dass „Honorarzahlungen über die jeweils beauftragten Agenturen erfolgten“. Von 2017 bis heute habe Hirschhausen zudem sieben Moderationen für das BMG übernommen. Über die Höhe der Honorare sei „zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ Stillschweigen vereinbart worden.

Der Tenor des Buches: Impfen ist wichtig. Das neue Wirkprinzip mit mRNA als Impfstoff sei ein „Senkrechtstarter“. Die klinischen Studien mit den Impfstoffen von Moderna und Biontech hätten eine „hohe Wirksamkeit“ und „kaum Nebenwirkungen“ erbracht. Und selbst wenn Nebenwirkungen auftreten sollten, so die Botschaft, seien diese meist harmlos und würden schnell erkannt. Denn Impfstoffe würden gerade in den ersten Monaten nach der Zulassung „sehr intensiv auf Nebenwirkungen hin beobachtet“. 

In Wirklichkeit kann von einer systematischen Erfassung solcher Nebenwirkungen keine Rede sein. Die vermeintliche Überwachung der neuartigen Impfstoffe besteht hierzulande in einem sogenannten Spontanmeldesystem. Das heißt: Nebenwirkungen werden von den zuständigen Stellen nur erfasst, wenn Ärzte oder Geimpfte den Verdacht einer Nebenwirkung haben und aus eigener Initiative eine Meldung abgeben. 

Immer fleißig #dranbleibenBW

In der Realität laufen die Betroffenen oft gegen Wände. Ärzte sind zwar verpflichtet, Hinweise von Patienten auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) oder an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu melden. Doch manch ein Arzt glaubt den Betroffenen nicht oder findet schlicht keine Zeit, um die aufwendigen Meldungen vorzunehmen. Dass Patienten ihren Verdacht auch selbst bei den Behörden melden können, wissen viele Bürger nicht. All das führt dazu, dass nur ein kleiner Bruchteil aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen erfasst wird. Dennoch wurden dem PEI bis Ende Oktober 2022 mehr als 50.000 Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen berichtet. Das geht aus dem letzten Sicherheitsbericht des PEI vom Dezember 2022 hervor. 

Die Wirkstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson kommen in dem „Impfbuch für alle“ nicht so gut weg. Zu diesen findet sich ein Satz, der auf die Bildung von Hirnthrombosen als möglicher Schaden hinweist. Dass auch eine Impfung mit den Wirkstoffen von Biontech und Moderna schädigen kann, erfahren die Leser der BMG-Lektüre nicht. Einen Monat nach Erscheinen des „Impfbuch für alle“, im Juli 2021, geben beide Hersteller sogenannte Rote-Hand-Briefe zu ihren Produkten heraus. Die Anzahl der Fälle von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen nach einer Impfung ist so groß geworden, dass sich eine Warnung mit einem solchen öffentlichen Schreiben nicht mehr vermeiden lässt. 

Auch das Land Baden-Württemberg will seinen Beitrag zu mehr Covid-­19-Impfungen leisten. Im Rahmen seiner Impfkampagne #dranbleibenBW entwickelt das dortige Gesundheitsministerium dafür ein interaktives Internetangebot, das im März 2022 an den Start geht. Präsentiert wird der neue „Impf-O-Mat“ von zwei Medizinern: dem TV-Moderator Eckart von Hirschhausen und der Influencerin Natalie Grams-Nobmann. Erklärtes Ziel der Ärztin ist, mit dem Impf-O-Mat weitere Menschen für die Corona-Schutzimpfung zu erreichen. Hirschhausen will den Menschen im Land mit dem neuen Angebot ein „wichtiges und niedrigschwelliges Informationsangebot mit personalisierter, verständlicher und origineller Vermittlung von Inhalten in dialogischer Form“ liefern. 

Wie bist du nur so toll, Karl?

Anfang April 2022 geht auf der Plattform „FragDenStaat“ eine Anfrage zum Impf-O-Mat ein. Der Antragsteller will wissen, welche Kosten im Rahmen der Impfkampagne für das Internetangebot entstanden sind. Die Antwort folgt wenige Tage später: Bis zu diesem Zeitpunkt sind nach den Angaben des baden-württembergischen Gesundheitsministeriums Kosten von 142.176,65 Euro angefallen. Rund die Hälfte davon, 73.985,37 Euro, entfallen auf die Honorare der Darsteller Hirschhausen und Grams-Nobmann.

Der Löwenanteil des Honorars, so zeigt sich später, geht an den prominenten männlichen Darsteller im Impf-O-Mat. Wie Recherchen des Portals pleiteticker.de ergaben, erhielt Eckart von Hirschhausen für die Kampagne ein Honorar für Beratung und Konzeption von 71.400 Euro. Hirschhausen trat dafür in 30 kleinen Videos mit einer Gesamtlaufzeit von 56 Minuten und 23 Sekunden auf. Pro Videominute erhielt der ARD-Journalist damit rechnerisch 1260 Euro. Natalie Grams-Nobmann, die in der Kampagne als gleichberechtigtes Gesicht erscheint, erhielt eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 2585,37 Euro. 

Unterstützt wurde das Projekt unter anderem vom RKI, das dem BMG und somit Karl Lauterbach als amtierendem Minister untersteht. Hirschhausen „kennt und schätzt“ den Politiker seit langem, wie er in einem Interview mit Lauterbach für den Stern verrät. Das Gespräch erscheint im März 2021, als Lauterbach schon in vielen Talkshows präsent, aber noch nicht Gesundheitsminister ist. Als bildstarken Hintergrund für das Interview treffen sich die beiden – mitten in der Corona-­Pandemie – zum „Schlagabtausch“ beim Tischtennisspiel. 

Von professioneller Distanz zwischen dem Reporter und dem SPD-Politiker, die zu den Grundregeln journalistischer Arbeit gehört, ist in dem Gespräch wenig zu erkennen: „Du steckst jede Menge Prügel ein, Karl. Was macht das mit dir?“, fragt Hirschhausen. Er will wissen, wann Lauterbach schläft, warum er auf Salz verzichtet, wie er den Aufstieg aus einfachen Verhältnissen zum Harvard-­Professor geschafft hat und wie es ihm gelingt, wissenschaftlich immer top informiert zu sein. „Wann immer ich dich treffe“, sagt Hirschhausen bewundernd zu Lauterbach, „staune ich, was du alles an aktuellen Studien kennst und zitieren kannst.“ In dem Oktober 2022 gesendeten ARD-Film „Hirschhausen und Long Covid“ gaukeln beide dem Publikum dagegen professionelle Distanz vor. Beide verwenden keinerlei Formulierung mit „Sie“ oder „Du“, und Hirschhausen spricht Lauterbach mit „Herr Gesundheitsminister“ an. 

Wer nicht mitimpft, soll die Approbation verlieren

Im Herbst 2021 findet die Bundestagswahl statt – und spült Karl Lauterbach ins Amt des Bundesgesundheitsministers. Viele Politiker haben sich bis dahin öffentlich gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. Doch nur wenige Wochen nachdem die neue Ampelkoalition im Amt ist, legt sie einen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht von Mitarbeitern im Gesundheitswesen vor. Am 10. Dezember 2021 wird darüber im Bundestag abgestimmt. 

Wenige Tage zuvor, am 7. Dezember 2021, war Hirschhausen mal wieder in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ zu Gast. Mit in der Runde sitzt der Intensiv­mediziner Uwe Janssens, der im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Intensivmedizin DIVI ist. Zwei Jahre zuvor hatte Hirschhausen in den Diensten der DIVI gestanden – als Redner des Festvortrags bei der Eröffnung des DIVI-Kongresses. Alle Gäste der Talkshow sind sich einig: Ohne allgemeine Impfpflicht geht es nicht. Jenen, die sich keinen der verfügbaren Covid-Impfstoffe injizieren lassen wollen, hält Hirschhausen entgegen, dass es „eine Körperverletzung ist, andere mit seinen ungeschützten Aerosolen zu belästigen“. An anderer Stelle geht der TV-Arzt auch mit Medizinern hart ins Gericht. Ärzten, die von der Impfung abraten, sagt er, müsse man seiner Meinung nach die Approbation entziehen. 

Auch die amerikanische Bill & Melinda Gates-Stiftung hat großes Interesse daran, die Anzahl der Impfungen weltweit zu steigern. Sie ist nicht nur einer der größten Sponsoren der Weltgesundheitsorganisation WHO. Auch Hirschhausen ist der Gates-Stiftung zu Dank verpflichtet. Für die von dem TV-Moderator im März 2020 gegründete Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen hat er eine Finanzspritze von 1,27 Millionen Euro erhalten. Die zugehörige Kampagne trägt den Titel „Gesundheit ist ansteckend“. Hirschhausens neue Stiftung, deren geschäftsführender Gesellschafter er ist, ist zudem offizieller Partner des pharmanahen World Health Summit WHS, dessen Botschafter der Journalist wiederum ist. 

Eine lange Liste an Auftraggebern

Eng verbunden sind Hirschhausen und seine neue Stiftung auch mit der Berliner Firma Brückenköpfe, die im Lobbyregister des Bundestags geführt wird. Nach eigenen Angaben umfassen die Interessen- und Vorhabenbereiche der Brückenköpfe eine Vielzahl von Themen im Gesundheitsbereich – von Arzneimitteln bis hin zu Gesundheitsförderung. Als Tätigkeit beschreibt die Firma unter anderem die „Begleitung und das Management von Projekten im Gesundheitswesen“ sowie die Finanzierung und Co-Finanzierung und die Beteiligung an Start-ups und Unternehmen im Gesundheitswesen sowie deren Management.

Mit der Lobbyismus-Firma teilt sich die Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen nicht nur die Büroadresse, auch die Geschäftsführerin der Stiftung taucht bei den Brückenköpfen auf: als sogenannte Senior Projekt-Managerin. Eckart von Hirschhausen ist zudem gleichzeitig einer der Gesellschafter der Brückenköpfe. Die Liste ihrer Auftraggeber spricht für sich. Neben dem Deutschen Hebammenverband, dem BKK Dachverband oder der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung findet sich dort auch: die Pfizer Pharma GmbH. Für Eckart von Hirschhausen aber alles kein Problem. Von Cicero gefragt, ob der Journalist, Lobbyist, Arzt, ARD-Moderator und Netzwerker nicht vor Interessenkonflikten stehe, hat er eine kurze Antwort: „Nein.“

 

Cover 0623Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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Christa Wallau | Do., 1. Juni 2023 - 12:40

darauf kommt's doch an, oder?

Nein - ehrlich - geht es eigentlich noch verrückter?
Was sich inzwischen alles "wissenschaftlich" bzw. "Wissenschaftler" nennt, das ist abenteuerlich.
Und wie viele auf dieser populistischen Welle mitschwimmen und dabei unverschämt Geld abschöpfen, das ist erschreckend. Es dürfte sich um Millionen handeln.
Die Verflechtungen zwischen den meisten Forschern, der Politik und der Pharma-Industrie sind derart eng, daß kein Mensch mehr unterscheiden kann zwischen den wenigen Ergebnissen neutraler (unabhängiger) Forschung und den vielen Veröffentlichungen, hinter denen ein weltweites, geschicktes Marketing steckt.
Die Selbst-Vermarktung eines Eckart von Hirschhausen ist nur ein kleiner Fisch im großen Weltenmeer.
Die Gesundheit der Menschen - wenn es überhaupt noch um sie geht - rangiert ganz
weit hinten, besonders bei der WHO.
Erst kommt der Profit, dann die Moral. SO sieht's aus.
Lauterbach & CO. (= seine treue Clique) sitzt weiter fest im Sattel...

Jens Böhme | Do., 1. Juni 2023 - 13:30

Ich glaube von Hirschhausen, wenn er keine Interessenkonflikte bei sich sieht, solange der Geldhahn sprudelt.

. . . und nein, Herrn Hirschhausen würde ich nicht mal eine Schuld geben - die alleinige Schuld an diesen Interessenkonflikten liegt im gesamten System, die diese Konflikte ermöglichen. Herr Hirschhausen nimmt nur mit, was ihm geboten wird, und das ist im gewissen Sinne legitim und in diesem Fall sogar von Herrn Prof. Lauterbuch gedeckt.

Peter William | Do., 1. Juni 2023 - 21:53

leider scheint es auch bei E. v. Hirschhausen so zu sein. Die Gagen die mit zunehmender Bekanntheit fällig werden als absurd zu beschreiben wäre ein unangemessene Untertreibung. Aber wundert das irgendwen bei unserem ÖRR? Manche nennen ihn grünrot versifft, dass trifft zu ist aber zu wenig präzise. Wenn ein Kai Gniffke meint, der aktuelle Rundfunkbeitrag sei eine Gnade und die Öffentlichen mit Weltkonzernen wie Netflix konkurrieren wollen denke ich an ganz andere Vokabeln. Vetternwirtschaft, Selbstbedienung, Geldverschwendung, Hybris, Selbstherrlichkeit, Ignoranz und vor allem eine besserwisserische und moralisierende Abgehobenheit bei kompletter Unfähigkeit, siehe EVSC, die wohl nur für ein Gremium zutreffen kann das sich selbst verwaltet und unabhängig von jeglicher Kontrolle, auch marktwirtschaftlicher, vor sich hinwurschtelt auf unterstem Niveau. Eine Reform ist nicht nur überfällig sondern wirklich dringend nötig um die Glaubwürdigkeit dieser ehemaligen Institution wiederherzuste

Achim Koester | Fr., 2. Juni 2023 - 08:05

Geht dieser Preis auf den berühmten Baron zurück, der z.B. auf der Kanonenkugel ritt? Dann ist er mehr als verdient, und ich wüsste noch weit mehr Kandidaten zu nennen, nicht nur bei ARD und ZDF.

hermann klein | Fr., 2. Juni 2023 - 12:08

So sind sie halt unsere Hypermoralisten im gebührenfinanzierten grün/linken Mainstream-Staatsfernsehen: HIRSCHHAUSEN, Böhmermann, Resch, Restle, Lanz usw.
Es ist behaglicher, dazu fiskalisch gewinnbringender „die Maus zu befragen“ als täglich in seiner Arzt-Praxis Kranke und Hilfsbedürftige zu behandeln - Komiker-Dr. Hirschhausen-.

Brigitte Miller | Fr., 2. Juni 2023 - 13:55

für diese Darstellung der Verhältnisse.
Angesichts der Realität ist es abenteuerlich, Herrn von Hirschhausen in Zusammenhang mit Wissenschaft zu bringen, so beliebt er auch sein möge.
Ob seine Blutgerinnsel, die er dann mit HELP-Apherese behandeln liess (und die er unverzüglich als Mittel der Wahl empfahl für diese Problematik ) wirlich von Covid-19 stammten oder nicht doch von der "sicheren Impfung", sei dahingestellt. Obduktionen an Geimpften sprechen eher für diese Version.
Und ob eine Atemwegserkrankung eine derartige Panik verdient, schaut man die IFR-Berechnungen von John Ioannidis an, eine derartige Verunglimpfung durch einen Mediziner von Andersdenkenden, ist eine berechtigte Frage.