- Rehkeule als Weihnachtsschmaus
Unser Genusskolumnist freut sich auf seinen Festtagsbraten. Es gibt geschmorte Rehkeule. Doch wer eigentlich keinen Wildgeschmack mag und ihn durch Buttermilch oder Beize eliminieren will, sollte lieber etwas anderes essen, lautet seine Empfehlung.
Natürlich ginge es auch anders, wie ich in meiner letzten Kolumne dargelegt habe. Aber jetzt, so kurz vor Weihnachten, bin ich friedfertig gestimmt und beuge mich ausnahmsweise dem genusskulturellen Mainstream, der unerschütterlich am Prinzip des „Hauptgangs“ festhält – bei dem es sich besonders an Weihnachten um einen „festlichen Braten“ handeln soll. Aber Gans muss ja wohl nicht sein, oder? Zumal große Zusammenkünfte unter Pandemiebedingungen wohl deutlich seltener stattfinden werden als normalerweise üblich, und für zwei bis vier Personen ist eine solide Gans wohl etwas überdimensioniert. Ohnehin hat Wild als Festtagsbraten in den vergangenen Jahren beträchtlich an Boden gewonnen – und kommt in der Regel auch bei mir auf den Tisch.
Nicht einlegen oder mit Speck umwickeln
Da gab es im Laufe der Jahre schon alles Mögliche: Hirsch, Wildschwein, Elch, Rentier, Zebra, und sogar einen Känguru-Rollbraten. Diesmal setze ich auf einen Klassiker: die Rehkeule. Alle Wildarten haben ihre geschmacklichen Eigenarten, deswegen: Bitte keine fertigen „Wildgewürz“- Mischungen verwenden, denn dann hat man die Kontrolle über sein (kulinarisches) Leben verloren. In Kürze wird die Geschmackspolizei eine entsprechende Fatwa erlassen. Bereits jetzt bei Strafe verboten ist das „Beizen“ oder „Marinieren“ einer Rehkeule. Das machen nur Menschen, die eigentlich kein Wild mögen und den Geschmack so gut wie möglich verdrängen wollen, etwa durch 24 Stunden in Buttermilch. Eine weitere Unsitte ist es, die Keule vor dem Braten mit Speckscheiben einzuwickeln, weil sie sonst angeblich „zu trocken“ wird. Das ist – mit Verlaub – Unfug.
Das findet auch der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl. Bei der Speck-Variante müsse er an Menschen denken, „die auch Wachskerzen verzehren oder Döner-Pizza essen“. Man müsse halt „gegebene Beklopptheiten hinnehmen, in Zeiten, in denen ein wohl insgesamt orientierungsloses Publikum auch Mario Barth oder Lady Bitch Ray als irgendwie ,lustig‘ oder ,unterhaltsam‘ ansieht“.
Sorgfältige Auswahl der Kräuter und Gewürze
Klare Worte, aber jetzt geht’s ran an die Keule. Das Fleisch mit einem geeigneten Messer vom Knochen lösen (kann man auch vom Fleischer erledigen lassen) und vorsichtig Sehnen und Häute entfernen. Locker mit Küchengarn binden. Mit Würzmischung einreiben, die man am besten in einem Mörser zubereitet. Unverzichtbar sind Rosmarin, Wacholderbeeren, Piment und natürlich Salz und schwarzer Pfeffer. Optional gerne noch Thymian, Lorbeerblatt, Senfkörner, Majoran und etwas Chili. Nicht empfehlenswert in diesem Fall dagegen Knoblauch und Nelken. Von der Geschmackspolizei verboten sind gelegentlich empfohlene Zutaten wie Zimt, Liebstöckel und Kümmel. Kein Reh soll für derartige Freveltaten sterben.
Öl in einem Bräter erhitzen und die Rehkeule darin von allen Seiten scharf anbraten. Klein geschnittenes Wurzelgemüse (Möhre, Sellerie, Petersilienwurzel, Lauch) dazugeben und etwas anbräunen. Mit Wildfonds (am besten selbstgemacht) ablöschen und den Bräter in den auf 200 Grad vorgeheizten Ofen schieben. Zweimal Fonds nachgießen, nach 20 Minuten Deckel auf den Bräter, Ofen auf 160 Grad runterschalten und je nach Größe der Keule 60–90 Minuten schmoren. Dabei die Keule zwei Mal wenden. Wichtig: Unbedingt Kerntemperatur mit dem Fleischthermometer kontrollieren. Bei 60 Grad ist die Keule gut durch, aber noch saftig. Bei 65 Grad und mehr ist sie hinüber ...
Einen guten Lemberger als Begleiter
Bratensatz abgießen, pürieren und durch ein Sieb passieren. Jaja, ich weiß, Küchenpuristen rümpfen jetzt die Nase, Pürieren ist da nicht gern gesehen. Ich steh aber drauf. Keule abgedeckt warmstellen. Bratensatz gegebenenfalls etwas einkochen und mit Rotwein und Crème fraîche zu einer Soße veredeln. Ein kleiner Schuss Cognac kann auch nicht schaden. Ein Löffel Preiselbeeren ist zumindest nicht verboten. Als Beilagen schmecken Klöße aller Art, Blaukraut oder Rosenkohl. Und natürlich sollte bei diesem Festgericht auch ein anständiger Rotwein nicht fehlen. Ein oft unterschätzter Traumpartner für die Rehkeule ist Lemberger, in Österreich als Blaufränkisch und in Ungarn als Kekfrankos bekannt. Gerne mal was richtig Gutes aus Württemberg, etwa von den Weingütern Dautel, Schnaitmann oder Haidle. Na dann: Frohe Weihnachten!
Geschmorte Rehkeule
Zutaten für 4 Personen
1 kg Rehkeule (Gewicht ohne Knochen)
400 ml Wildfonds
1 Suppengrün
Rosmarin, Wacholderbeeren, Piment (optional weitere Kräuter und Gewürze)
Öl (zum Anbraten)
Für die Soße
Rotwein, Crème fraîche, Cognac, Preiselbeeren (optional)
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"Wie heißt dat Reh mit Vornamen?
Kartoffelpü!"
Da Tochtern & friend nicht kommen können (Quarantäne dräut) fällt Weihnachten wie auch in 2020 wieder aus.
Okay, ich bin kein Weihnachtsfan, jedoch wäre ich solch einer Rehkeule/Rehrücken nicht abgeneigt.
Geringer Aufwand mit viel Ergebnis!
Ja klar: Knödel - Serviettenknödel passen prima.
Rosenkohl wäre ebenfalls trefflich, jedoch bekomme ich davon extremes Bauchweh.
Man kann mMn nach auch auf Pilze wechseln.
In der Tat ist die Sauce die wahre Abrundung eines gelungenen Bratens.
Sollte nach der Verkostung noch etwas Wein in der Flasche sein, kann man ihn für die Sauce verwenden - zum Glück bin ich Biertrinker!
Portwein ist auch denkbar: nicht zu herb, trocken.
Ein sehr schöner Artikel!
Eines noch: Was bitte ist "Wildgewürz"
Gibt es das im Sammelstreuer mit "Pommesgewürz"?
Känguru-Rollbraten "Skippy" probierte ich auch einmal - er sprang, hüpfte jedoch davon!
.
Strauß-Steaks sind fein - ein Tipp von Tochtern.
Frohe Weihnacht an ALLE
Immer wieder erheiternd Ihre so humorvollen Kommentare, werter Herr Muhlack.
Das mit Ihrer Tochter tut mir leid. Zum Glück kommt Weihnachten ja jedes Jahr wieder.
Erst kürzlich gab es bei uns Strauß zum Probieren. Mein Geschmack ist es nicht. Da mag ich dann doch lieber "normales" Wildbret.
Wobei Elch, den wir schon mehrfach in Schweden aßen, der hat auch seine ganz eigenen Note und zwar eine gute.
Und danke noch für den Tipp mit dem Port.
Den hatten wir schon lange nicht mehr.
Da hat es sich doch mehrfach gelohnt das Forum zu lesen.
Auch Ihnen lieber Herr Balcerowiak ein frohes und wie kann es anders sein kulinarisches Fest! Die im Filmtitel des unvergessenen Filmcholerikers Louis de Funès aller Zeiten enthaltene Frage, stellt sich einer profitabel unfähigen Köchin wie mir erst gar nicht;). Vom "Genießbaren" meiner dahingehenden Unternehmungen ganz zu schweigen. Auch wenn mein bester aller Ehemänner seit nunmehr 42 Jahren in aller Schläue das Gegenteil behauptet;-). Er ist GsD genauso anspruchslos wie ich selbst! Also wird` s der the same procedure as every year-Kartoffelsalat mit Würstchenbeilage. Dazu ein (bis heute keinerlei Ahnung welcher?) passende Wein zur Feier des Tages. Doch trotzdem lese ich Ihre amüsanten Hilfsangebote und Herstellerhinweise an meine Adresse immer wieder gerne! Alles Gute für Sie und die gesamte Redaktion! MfG
Da wir Kontakt zu den Jägern in unserer Gegend haben, und die wohl auch froh sind in uns gute Abnehmer zu wissen, klingelt öfter das Tel. ob wir dieses, oder jenes Stück Wildbret haben möchten.
So ist eine Win-Win-Situation entstanden und wir mögen Wild am liebsten in möglichst unverfälschter Art.
Ich kann da dem Autor nur beipflichten.
Ich weiß, der Autor dieser Zeilen wird angesichts meines Saucen-Tipps eine Sinnkrise erleiden, ich sag‘s trotzdem:
Etwas Lebkuchengewürz oder ein kleines Stück Lebkuchen (ohne Schokolade) in der Sauce einkochen lassen. Hatten wir im letzten Jahr, lecker. Mea culpa, maxima culpa;-)