- Wie Deutschland den Apartheid-Staat nuklear aufrüstete
Wenn in Deutschland heute der Freiheitskampf Nelson Mandelas gelobt wird, ist das nicht selten Heuchelei. Denn die Bundesrepublik unterstützte den Apartheid-Staat politisch und militärisch, umging dabei sogar ein Waffen-Embargo. Das umfasste auch Atomlieferungen
Mandelas Tod hat auch die deutsche Politik bewegt. In den vergangenen Wochen haben Vertreter aller großen Parteien diesen außergewöhnlichen Menschen in höchsten Tönen gelobt und dessen Arbeit und Leben geehrt. Wenn in drei Wochen der Film „Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“ in die Kinos kommt, wird sicherlich auch der ein oder andere Politiker unter den Zuschauern sein.
Angesichts all dieser Beteuerungen könnte man den Eindruck gewinnen, die Bundesrepublik habe seit jeher den Kampf gegen die Apartheid unterstützt. Dabei ist das Gegenteil wahr: Politik, Medien und Wirtschaft haben während der Rassentrennung alles Erdenkliche unternommen, das damalige Regime zu stabilisieren. Es diente als vermeintliches Bollwerk gegen den Weltkommunismus. Die größte Befreiungsbewegung Südafrikas, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), wurde als Teil der sozialistischen Verschwörung betrachtet und politisch bekämpft.
Folgerichtig erhielt die weiße Regierung Südafrikas jegliche politische, wirtschaftliche und auch militärische Unterstützung aus einigen NATO-Staaten. Besonders intensiv waren die Beziehungen Südafrikas mit Großbritannien, Israel und – der Bundesrepublik.
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Deutschland pflegte sogar als einziges Land weltweit ein Kulturabkommen mit dem Apartheid-Staat. In dessen Rahmen fand nicht nur ein regelmäßiger Schüleraustausch statt. Deutsche Schulen am Kap und in dem damals von Südafrika besetzten „Südwest-Afrika“ erhielten zwar ihr Geld aus Bonn, hielten sich aber an die dortigen Rassegesetze. So schrieb ein Schüler der von der Bundesregierung finanzierten „Deutschen Höheren Privatschule“ in Windhuek bezüglich der Rassentrennung in einem Aufsatz: „Löwen paaren sich nicht mit Schweinen.“ Er dokumentierte damit seine ihm anerzogene Ablehnung „gemischter Ehen“. Solche Art Kultur wurde damals von Bonn gefördert.
Besonders skandalös war jedoch die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit dem Regime. Südafrikanische Militärwissenschaftler durften etwa an Fachtagungen des Fraunhofer-Instituts für Treib- und Explosivstoffe teilnehmen. Doch nicht nur das jeweils aktuelle wissenschaftliche Know-how in der Sprengstofftechnik reichten bundesdeutsche Wissenschaftler an die Südafrikaner weiter. Das Land erhielt aus der Kernforschungsanlage Karlsruhe und über Verträge mit der damals weitgehend bundeseigenen Firma STEAG, einem Essener Stromerzeuger, auch das Wissen zum Bau einer Urananreicherungsanlage. Die Karlsruher hatten das so genannte Trenndüsenverfahren entwickelt und patentrechtlich schützen lassen. Die dafür notwendigen Trennelemente, das Kernstück der Anlage, lieferten Siemens und MBB. Verdichter kamen von der Firma GHH-Sterkrade, damals eine Tochter des MAN-Konzerns.
Deutscher Staatssekretär wünscht „weitere große Erfolge“
In einer Cicero Online vorliegenden Notiz aus der STEAG vom 26. November 1975 heißt es dazu: „Betr. Ausfuhrgenehmigung für Nuclear-Komponenten. H. Prof. Fiedler teilte mir telefonisch mit, dass er am 24. November 75 an einer Besprechung im Wirtschaftsministerium in Bonn teilnahm mit dem Ziel, die Verdichter für Urananreicherungsanalgen von den Exportauflagen freizubekommen. H. Fiedler ist der Meinung, daß die Maschinen dieser Kontrolle in Zukunft nicht mehr unterliegen werden, da man seitens GHH so argumentiere, daß es sich hierbei im Grunde um völlig normale Verdichter handelt.“
Spezielle Absperrschieber lieferte Leybold-Heräus, Köln, Mess- und Überwachungssysteme für die Isotopenkonzentration wurden von Varian MAT, Bremen geliefert und Steigerwald, München exportierte eine Elektronenstrahlperforiermaschine für Präzisionsmetallbearbeitung nach Südafrika. Die südafrikanische Urananreicherungsanlage entstand in Pelindaba und wurde auch vom damaligen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Detlev Rohwedder, 1975 besucht. Rohwedder bedankte sich nach dem Besuch bei Dr. J.W.L. De Villers, dem damaligen Vizepräsidenten des Atomic Energy Board, Pretoria, für den „für uns hoch interessanten Nachmittag in Pelindaba“. Rohwedder wünschte den Südafrikanern „weitere große Erfolge in ihrer Arbeit“.
Die militärische Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit Südafrika stieß international auf Kritik: Sowohl die damalige Organisation für Afrikanische Einheit – der Vorgänger der heutigen Afrikanischen Union – als auch die UNO haben diese Aktivitäten mehrfach verurteilt. Deutschland hatte mit seiner Politik gegen das völkerrechtlich verbindliche UNO-Rüstungsembargo gegen Südafrika verstoßen.
Deutsche Nachrichtensendungen erwähnten diese Verurteilungen nicht. Wenn überhaupt, gab es kurze Randnotizen in den Tageszeitungen. Lediglich eine kleine Gruppe engagierter Menschen, die sich zur Anti-Apartheid-Bewegung zusammen geschlossen hatten, sowie einigen Aktionsgruppen gegen Rüstungsexport blieb es überlassen, über den Skandal aufzuklären. Sie protestierten bei Ministerien und Politikern gegen die Apartheid-Unterstützung.
Im Rahmen einer solchen Gegenüberstellung bestätigte der damalige Entwicklungshilfeminister Erhard Eppler, dass er von den Atomlieferungen Kenntnis hatte. Eppler schrieb am 4. Juli 1977:
„...es stimmt: am 10.10.1973 habe ich im Kabinett, schließlich mit Erfolg, gegen eine Zusammenarbeit von STEAG mit der SAR [Südafrikanische Republik, die Redaktion] gekämpft. Am 17.10.73 wurde die Vorlage zurückgezogen. Ich meinte, damit sei die Sache erledigt. Sie wurde dann trotzdem von den Staatssekretären Rohwedder und Haunschild weiter betrieben, wie ich erst 1975 zufällig erfuhr. Mit freundlichem Gruß, Ihr Eppler.“
Zum Ende der Apartheid verfügte Südafrika über mehrere angeblich funktionsfähige Atombomben.
Aber auch im Bereich der konventionellen Rüstung standen bundesdeutsche Firmen ganz oben auf der Lieferantenliste für das südafrikanische Militär und die Polizei.
Goldhofer, VW und Daimler Benz
Deutsche Waffen waren auch dabei, als am 16. Juni 1976 der Schüleraufstand von Soweto niedergeschlagen wurde. Rund 15.000 junge Schwarze gingen damals in dem Vorort von Johannesburg auf die Straße, um gegen die Einführung von Afrikaans – der Sprache der Weißen – als verbindliche Unterrichtssprache zu demonstrieren. Die südafrikanischen Polizisten fuhren in Allradwagen, sogenannten Universal-Motor-Geräten, der Firma Daimler Benz in dieses Township. Sie schossen – auch aus deutschen – Gewehren und Pistolen auf die demonstrierenden Kinder und Jugendlichen. Hunderte Demonstranten starben.
Aus der Bundesrepublik stammten auch Anlagen für die Überwachungselektronik, Radar und Sonaranlagen sowie Maschinen für die Munitionsherstellung. Die Firma Goldhofer lieferte Panzertransport-Anhänger. Von großer Bedeutung für das – ansonsten international weitgehend isolierte – Südafrika waren auch die dortigen Tochterfirmen deutscher Unternehmen. So beteiligte sich die Firma Salzgitter über ihre örtliche Niederlassung am Marineprojekt „Advokaat“. VW Südafrika baute Militär Jeeps. Sandock-Austral, ein südafrikanisches Unternehmen, an dem damals Thyssen beteiligt war, baute gepanzerte Fahrzeuge.
Lediglich die Lieferung von Bauplänen von U-Booten durch die HDW Kiel und weitere Firmen veranlasste die Bundestagsabgeordneten von Grünen und SPD, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Im Zuge dieser Ausschussarbeit wurde erstmals in der breiten Öffentlichkeit über die enge Zusammenarbeit zwischen deutschen und südafrikanischen Militärs und Politikern diskutiert.
Aber auch die politischen Stiftungen der Union – die christdemokratische Konrad-Adenauer-Stiftung und die Hanns-Seidel-Stiftung der CSU – taten alles, um die Herrschaft der Rassentrennung am Kap der Guten Hoffnung aufrecht zu erhalten. So wurden die damals von Südafrika eingerichteten „Homelands“ und deren Chiefs von beiden Stiftungen unterstützt. Man unternahm alles, um die Befreiungsbewegung ANC zu bekämpfen. Auch die deutschen Geheimdienste BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz unterstützten Südafrika, indem sie inländische und ausländische Anti-Apartheid-Aktivisten überwachten und ihr Wissen den Südafrikanern mitteilten.
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