Satellitenaufnahme von Kiew vor dem Krieg / dpa

Satelliten-Kommunikation - Der Weltraum im Ukraine-Krieg

Zahllose Live-Bilder und Berichte vermitteln den Schrecken des Ukraine-Krieges. Das Unsichtbare bleibt allerdings außen vor: darunter der Krieg im Cyberraum, Operationen im elektromagnetischen Spektrum oder Manöverkriegführung im Weltraum.

Autoreninfo

Oberst a. D. Ralph Thiele ist Vorsitzender der Politisch-Militärischen Gesellschaft in Berlin. Er diente unter anderem im Planungsstab des Verteidi­gungsministers, im Private Office des Nato-Oberbefehlshabers sowie als Direktor an der Führungsakademie der Bundeswehr. Thiele ist Herausgeber des Buches „Hybrid Warfare“ ( 2021 ). Foto: ispsw

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Staatliche Anwendungen haben über Jahrzehnte die Nutzung des Weltraums dominiert. Inzwischen boomen vor allem kommerzielle Anwendungen, darunter lebenswichtige Erdbeobachtungsdaten, präzise Navigation, Telekommunikation etc. Seit ein paar Jahren explodiert die Zahl der im Weltraum stationierten Satelliten. Kommerzielle Akteure wie Elon Musk, Jeff Bezos und andere wollen unsere Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft revolutionieren. Sie sind auf dem Weg, Zehntausende von Satelliten im Weltraum zu stationieren.

Vor der russischen Aggression legte die ukrainische Regierung kein besonderes Gewicht auf eigene Fähigkeiten im Weltraum. „Zu teuer“, war der Befund. Sie verließ sich deshalb vollkommen auf westliche Partner und kommerzielle Unternehmen. Diese Einschätzung änderte sich schlagartig mit Beginn des Angriffs, als es Russland gelang, große Teile der staatlichen, wirtschaftlichen und individuellen Kommunikation der Ukraine auszuschalten. Das weitsichtige, belastbar vorbereitete Starlink-Netzwerk-Angebot des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX und eine Reihe von bildgebenden kommerziellen Satellitenfähigkeiten haben der Ukraine vermutlich die Existenz gerettet. Fünf Schlüsselbotschaften haben sich herauskristallisiert:

Lektion 1: Souveränität erfordert eigene Fähigkeiten im Weltraum

Jede Nation mit Anspruch auf Souveränität und Eigenständigkeit braucht einen gesicherten Zugang zu Satellitenbildern und Fernerkundungsdaten für das gesamte elektromagnetische Spektrum und nicht zuletzt auch eine gesicherte Kommunikation für Staat und Wirtschaft, Streitkräfte und Zivilgesellschaft.

Bei Kriegsbeginn hat der russische Aggressor das traditionelle Kabelinternet als erstes zerstört. Nur Satellitenkommunikation konnte diese Lücke zeitnah füllen. Dank Fernbeobachtung aus dem Weltraum herrscht auf dem Schlachtfeld in der Ukraine eine noch nie dagewesene Transparenz. Bildsatelliten durchdringen Wolken und liefern auch nachts gestochen scharfe Bilder. Sie überwachen russische Truppenbewegungen und kartieren Evakuierungsrouten. Logistiksysteme werden identifiziert und Verteidigungsstellungen auf Schwachstellen untersucht. Satelliten lokalisieren GPS-Störer und ermöglichen ukrainischen Drohnen optimierte Flugrouten.

Eigenständigkeit im Weltraum erfordert eine leistungsfähige Bodeninfrastruktur. Hierzu zählen auch eigene Kapazitäten, um Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Partnerschaften helfen, das verfügbare Portfolio abzurunden und Wissenslücken auszugleichen. Dies gilt sowohl für internationale als auch für kommerzielle Partnerschaften.

Lektion 2: Weltraumfähigkeiten begründen militärische Überlegenheit

Weltraumgestützte Fähigkeiten sichern Streitkräften hohe Mobilität und Präzision, eine breite geografische Abdeckung, Unabhängigkeit von der terrestrischen Infrastruktur, hohe Bandbreite und die Verbindung von festen und mobilen 5G-Netzstandorten. Die ukrainische Armee nutzt z.B. hochentwickelte Satellitenbilder westlicher Partner und privater Unternehmen, um sich einen echtzeitnahen Lageüberblick zu verschaffen.

Auf dieser Grundlage können die eigenen Verteidigungsoperationen mit überlegenem Führungswissen geplant und ausgeführt werden. Satellitenbilder machen z.B. den Einsatz von Drohnen präziser und effizienter. Kommunikationssatelliten stärken die Führungsfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte und verbinden die ukrainische Bevölkerung miteinander und der Außenwelt. So wird der Starlink-Breitband-Satellitenzugang vom ukrainischen Militär nicht nur intensiv für taktische Kommunikation genutzt, sondern auch für Familiengespräche und Freizeit.

Der ungehinderte Zugang zum Weltraum und die Freiheit, dort zu operieren, sind für moderne Streitkräfte von entscheidender Bedeutung. Inzwischen entwickeln sich Antisatellitenfähigkeiten mit bodengestützten Raketen bzw. Laserwaffen zu einer besonderen Bedrohung. Russische und auch chinesische Satelliten haben zudem in jüngerer Vergangenheit wiederholt ihre Fähigkeiten zu präzisen Manövern im Weltraum unter Beweis gestellt.

Diese Fähigkeiten ermöglichen es zum Beispiel, Satelliten im Weltraum zu warten und zu modifizieren, bieten aber auch die Möglichkeit, feindliche Satelliten ohne kinetische Einwirkung zu zerstören. Hinzu kommen Möglichkeiten der elektronischen Kriegsführung sowie Cyberangriffe auf militärische und kommerzielle Weltraumsysteme.

Lektion 3: Öffentlich-Private Partnerschaften sichern Fähigkeiten zu geringeren Kosten und Risiken

Staaten, die ihre Satellitenkommunikation, Navigation, Erdbeobachtung, Erkundungssysteme und andere Weltraumanwendungen stärken wollen, brauchen die Partnerschaft mit dem privaten Sektor bei der Bereitstellung dieser Fähigkeiten zu geringeren Kosten und Risiken. Der Ukrainekrieg wird gelegentlich als der „erste kommerzielle Weltraumkrieg“ bezeichnet, denn es sind vor allem Fähigkeiten der kommerziellen westlichen Raumfahrtindustrie, die den Widerstand der Ukraine maßgeblich befähigen.

Von Beginn des Krieges an spielten für die Ukraine kommerzielle Partner eine entscheidende Rolle. Mithilfe der von ihnen gelieferten Aufklärungs-, Kommunikations-, Wetter-, und GPS-Daten konnte die Ukraine die russische Aggression ausbremsen. Selbst Boden-Luft-Operationen stützen sich häufig auf kommerzielle Dienstleister. Hinzu kommt eine enge Kooperation bei der Abwehr von Cyberangriffen und elektronischer Kampfführung.

Lektion 4: Weltraumverteidigung muss kommerzielle Anbieter einbeziehen

Die Sicherheit und Resilienz der Weltrauminfrastruktur ist inzwischen von strategischer Bedeutung. Sie ist eine kritische Infrastruktur. Regierungen müssen sich deshalb fragen, ob und wie sie die immer wichtiger werdende kommerzielle Weltraumindustrie und deren Zulieferer schützen können. Das reicht bis hin zu industriellen Kooperationsprojekten, in denen neue und disruptive Technologien zur Entwicklung strategischer Verteidigungsfähigkeiten eingesetzt werden.

Gleich zu Beginn des Krieges griffen die russischen Streitkräfte die Kommunikationsinfrastruktur der Ukraine mit Raketen sowie elektronischen und Cyberangriffen auf die Netzwerke von Viasat bzw. SpaceX an. Der Cyberangriff auf das KA-SAT-Breitband-Festnetz von Viasat führte am Tag des Angriffs zu weitreichenden Netzausfällen in Mittel- und Osteuropa. Tausende von Modems für die Kommunikation mit den geostationären Satelliten wurden außer Gefecht gesetzt. Störangriffe auf die kommerziellen Satelliten-Breitbandterminals der Starlink-Flotte reduzierten deren Leistungsfähigkeit. Insgesamt zeigte sich diese allerdings durchweg resilient.

 

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Der Krieg Russlands gegen die Ukraine legte die Verwundbarkeit von Weltraumsystemen und Weltrauminfrastruktur für böswillige Handlungen und Bedrohungen offen, darunter kinetische, nichtkinetische und hybride Angriffe sowie die missbräuchliche Nutzung von ungeschützten Daten durch Dritte. So verfolgen kommerzielle Anwendungen z.B. den Standort von Mobiltelefonen in Echtzeit. Das US-Unternehmen Alphabet musste deshalb den Live-Verkehrsdienst für die Ukraine in seiner Google-Maps-Anwendung deaktivieren, weil Verkehrsstaus dazu genutzt werden konnten, militärische Truppenbewegungen zu erkennen bzw. auch individuelle politische, zivile und militärische Akteure zu verfolgen und gezielt zu bekämpfen.  

Lektion 5: Weltrauminfrastruktur ist ein wichtiges Ziel hybrider Kriegsführung

Die Weltrauminfrastruktur ist besonders anfällig für hybride Bedrohungen wie Spionage oder die Unterbrechung von Diensten. Böswillige Akteure können offensive Cyber-Fähigkeiten und andere hybride Mittel einsetzen, um reversible wie auch nichtreversible Effekte gegen Weltraumsysteme zu erzielen. Eine Vielzahl von Zugangspunkten bieten sich an, darunter Antennen auf den Satelliten sowie Bodenstationen und Benutzerterminals auf der Erde.

Bodenstationen und erdgestützte Nutzerterminals eignen sich zum Ausspähen, für Datendiebstahl bzw. die Fälschung oder Beschädigung von Daten, schließlich zur Unterbrechung von Diensten. Die Sabotage westlicher Satellitennavigationssysteme ist eine reale Bedrohung, ebenso die Störung und Verfälschung von GPS-Signalen. Die bodengestützte Weltrauminfrastruktur ist besonders anfällig für hybride Angriffe. Es gibt zahlreiche Zugangspunkte, die angegriffen werden können, darunter die Antennen auf den Satelliten, die Bodenstationen und die Endgeräte der Nutzer am Boden.

Lessons Learned?

Mehr als tausend Starlinksysteme im Weltraum und über zehntausend Terminals am Boden konnten den Zusammenbruch der ukrainischen Kommunikationssysteme blitzschnell auffangen. Kommerzielle Bildsatelliten zeichneten für Streitkräfte und Gesellschaft rund um die Welt ein gestochen scharfes Bild der sich rapide entwickelnden Lage. Davon profitierten gleichermaßen die Führungsfähigkeit der ukrainischen Regierung als auch die Präzision und das Antwort-Zeit-Verhalten der ukrainischen Spezialkräfte bei der Bekämpfung des russischen Vormarsches. Zugleich konnte die Welt echtzeitnah über soziale Medien die brutale Vorgehensweise der russischen Aggression kennlernen.

Blitzartig verstand die Ukraine im Februar des Jahres 2022 die politische und militärische, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Weltraums. Ich bin skeptisch, ob dies bislang in gleicher Dringlichkeit von deutschen Verantwortlichen, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten erkannt wurde.

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Albert Schultheis | So., 23. Juli 2023 - 23:22

Tolle, geile Präzisionskiller - unsere amerikanischen "Freunde"! Gelle, Agnes, Toni und Annalena!

"Lessons Learned?

Mehr als tausend Starlinksysteme im Weltraum und über zehntausend Terminals am Boden konnten den Zusammenbruch der ukrainischen Kommunikationssysteme blitzschnell auffangen ...!" - Auch die Art der satellitengestützten Kriegführung beweist, was der Westen von Anfang an abstreitete: Dies ist der Krieg der USA und der Nato gegen Russland! Er ist dazu da, die slawischen Brüder sich gegenseitig abschlachten zu lassen - ohne auch nur 1 GI zu opfern! Und er ist außerdem dazu da, die neuen weltraumgestützten Waffensysteme der USA zu testen, um "Lessons Learned" zu identifizieren. Dabei muss dem Westen eines klar sein, die neuen "Spielzeuge" sind schön und gut! Aber sie dürfen auf keinen Fall dermaßen eskalieren, dass zu viele junge Russen an der Front krepieren! Denn irgendwann platzt den Russen der Kragen, dann ist Schluss mit Lustig. Zuallererst in der Pfalz und im Hunsrück

"Aber sie dürfen auf keinen Fall dermaßen eskalieren, dass zu viele junge Russen an der Front krepieren! Denn irgendwann platzt den Russen der Kragen, dann ist Schluss mit Lustig."

Hören Sie doch auf, Herr Schultheis! Diese Angstmacherei und Ammenmärchen glaubt doch niemand mehr. Der einzige, der hier eskaliert heißt ohnehin W. Putin und sitzt im Kreml. Dieser braucht für nichts einen Grund. Was wollen und können die Russen denn machen? Die Drohungen haben sich weitgehend abgenutzt.

Und nur mal zur Richtigstellung: Krieg führt hier ein aggressives, revanchistisches und imperialistisches Russland gegen einen souveränen Staat. Dieser souveräne Staat hat Hilfe beansprucht und wird mittlerweile von 50 Staaten unterstützt. Verständlich und absolut legitim.
Übrigens, würde Russland wirklich gegen die Nato kämpfen, wäre die russische Armee in der UA innerhalb 1 Woche Geschichte. Dass hier sehr wahrscheinlich noch viele junge Russen ins Gras beißen werden, liegt einzig alleine an W.Putin.