Der libanesische Ministerpräsident Nadschib Mikati (M), empfängt den zypriotischen Präsidenten Nikos Christodoulidis (l), und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen im Regierungspalast.

Migrationskrise in der Europäischen Union - Flüchtlingsdeal mit dem Libanon

Die EU will mit Finanzhilfen im Umfang von rund einer Milliarde Euro den Zustrom von bislang im Libanon lebenden Flüchtlingen aus Syrien stoppen. Ein besonderes Interesse daran hat Zypern. Kein EU-Land nimmt derzeit pro Kopf mehr Migranten auf.

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Die EU will nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur mit Finanzhilfen im Umfang von rund einer Milliarde Euro den Zustrom von bislang im Libanon lebenden Flüchtlingen aus Syrien stoppen. Mit dem EU-Geld soll nach Angaben von EU-Beamten das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen im Libanon gestärkt werden. Zudem sind Mittel für die Sicherheitsbehörden und die Streitkräfte des Landes sowie für den Kampf gegen Schleuserbanden und für Wirtschafts- und Finanzreformen vorgesehen. Die legale Migration wird den Plänen zufolge erleichtert werden.

Das Unterstützungspaket soll nach Angaben der Beamten an diesem Donnerstag bei einer Libanon-Reise von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Zyperns Präsident Nikos Christodoulidis angekündigt werden. Vor allem die zyprische Regierung hatte die wachsende Zahl syrischer Flüchtlinge aus dem Libanon zuletzt als nicht mehr tragbar kritisiert und ein Handeln der EU gefordert. 

Rund 4000 Migranten

Angaben von Staatschef Christodoulidis zufolge kamen in den vergangenen Monaten fast täglich Syrer aus dem etwa 160 Kilometer entfernten Libanon mit Booten in der EU-Inselrepublik im östlichen Mittelmeer an. Seit Jahresbeginn wurden bereits rund 4000 Migranten gezählt – im ersten Quartal des Vorjahres waren es lediglich 78.

In absoluten Zahlen sind das deutlich weniger als beispielsweise in Italien, Spanien und Griechenland, wo Bootsflüchtlinge aus Ländern wie Tunesien, Libyen, Ägypten, Marokko oder der Türkei ankommen. Gemessen an seiner Einwohnerzahl gibt es aber nirgendwo in der EU so viele Asylanträge wie auf Zypern. Auf der Insel sind die Flüchtlingslager überfüllt. „Wir sind nicht in der Lage, noch mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen“, sagte Christodoulidis vor wenigen Wochen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
 

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EU-Kommissionschefin von der Leyen hat deswegen Hilfe zugesagt. „Es sind wir, die Europäer, die entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen. Und nicht das organisierte Verbrechen der Schmuggler und Menschenhändler“, erklärte sie am vergangenen Sonntag in einer Rede und verwies auf die bereits existierenden Abkommen mit Ländern wie Tunesien und Ägypten. Auch diese Staaten sollen im Gegenzug für Finanzhilfen in Milliardenhöhe unerwünschte Migration in die EU stoppen. Der für den Libanon vorgesehene Betrag ist für den Zeitraum bis Ende 2027 vorgesehen. Ein erster hoher dreistelliger Millionenbetrag könnte bereits im Sommer fließen.

Antisyrische Stimmung im Libanon

Ob das EU-Geld ausreicht, um die Lage im Libanon zu entspannen, ist allerdings fraglich. Das Land steckt derzeit in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte und zählt mit mehr als 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen gleichzeitig zu denjenigen Staaten, die pro Kopf weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben. Das hat dazu geführt, dass mittlerweile eine antisyrische Stimmung herrscht und viele Flüchtlinge sich aus Angst vor Übergriffen nicht mehr auf die Straße trauen.

„Ich habe Angst, mein Haus zu verlassen. Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, gehe ich in Angst. Ich habe immer die Befürchtung, dass meiner Familie während meiner Abwesenheit etwas zustoßen könnte“, sagt etwa der Syrer namens Khaled, der, sagt er, seine Heimatstadt Aleppo 2012 wegen des Bürgerkriegs verlassen habe. Die Libanesen behandelten Syrer wie einen Feind.

Berichte über willkürliche Festnahmen und Folter

Menschenrechtlern zufolge wenden libanesische Beamte seit Jahren diskriminierende Praktiken gegen Syrer an, um sie zur Rückkehr nach Syrien zu zwingen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtete, dass die libanesischen Behörden in den vergangenen Monaten Syrer, darunter Oppositionsaktivisten und Armeeüberläufer, willkürlich festgenommen, gefoltert und nach Syrien zurückgeschickt hätten.

Die libanesischen Regierenden vertreten die Meinung, das Bürgerkriegsland sei stabil und sicher genug, um eine Rückkehr zu gewährleisten. Die Vereinten Nationen und andere Menschenrechtsorganisationen sehen dies allerdings weiter anders. Sie weisen darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage ein Überleben kaum möglich mache und politische Flüchtlinge um ihr Leben fürchten müssten. Hinzu kommt: Auch der syrische Machthaber Baschar al-Assad will die geflohenen Menschen nicht zurück in seinem Land.

Regierung nur eingeschränkt handlungsfähig

Schwierig ist die Lage im Libanon zudem auch politisch. Im Unterschied zu den autoritär regierten Staaten Tunesien und Ägypten gibt es in dem Land zurzeit nicht mal ein Staatsoberhaupt. Seit eineinhalb Jahren scheitert die Wahl eines Präsidenten hier immer wieder an Machtkämpfen innerhalb der politischen Elite. Aktuell wird das Land von Ministerpräsident Nadschib Mikati geschäftsführend geleitet. Die Regierung ist nur eingeschränkt handlungsfähig.

Auch deswegen will die EU nun auch die Streitkräfte des Landes stärken. Sie werden als ein stabilisierender Faktor in dem an Syrien und Israel grenzenden Land gesehen - auch angesichts der Aktivitäten der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz. Diese schießt aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf Israel – nach eigenen Angaben aus „Solidarität“ mit der Hamas im Gazastreifen. Israel wiederum bekämpft mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah.

Nahost-Experte warnt vor großem Fehler

Angesichts dieser Gemengelage werden die Pläne der EU auch kritisch gesehen. „Die EU macht im Libanon einen großen Fehler“, sagt etwa Riad Kahwaji, Direktor des Institute for Near East and Gulf Military Analysis. Das Land habe eine lange Geschichte interner Probleme, getrieben von konfessionellen Konflikten, die bis heute immer wieder zu einem Machtvakuum führen. Der Libanon sei in keiner Weise bereit, ein Aufnahmeland für Flüchtlinge zu sein. Die gleichen Politiker, die jetzt Gelder von der EU in Empfang nähmen, würden auf Podien dazu aufrufen, die Syrer aus dem Land zu werfen. „Es ist irre, zu sehen, dass die Europäer an die Illusion glauben, dass die libanesischen Behörden in der Lage wären, den Flüchtlingsstrom einzudämmen.“

Aus dem Europaparlament kam am Donnerstag hingegen Unterstützung für die Pläne der EU-Kommission. „Europäische Hilfe für den Libanon ist eine gute Zukunftsinvestition“, kommentierte der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU). Europa brauche eine umfassende Partnerschaft mit den Staaten im Mittelmeerraum. Nur so werden man die zentralen Herausforderungen wie etwa Migration bewältigen, aber auch Frieden und Stabilität im Nahen Osten schaffen können. Von der Leyens Besuch im Libanon sei ein wichtiges Stabilitätssignal für die Region.

dpa
 

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Henri Lassalle | Do., 2. Mai 2024 - 15:03

Der Libanon steht am Abgrund, den Bewohnern geht es schlecht, die politischen Verhältnisse sind chaotisch; viele Libanesen denken selbst an einen Sprung nach Europa. Es gibt bereits eine bedeutende libanesische Diaspora insbesondere in Frankreich.
Es grenzt an ein Wunder, dass das Land dennoch eine grosse Zahl von Syrern aufgenommen hat. Aber Verteilungkonflikte sowie das Gefühl, nicht mehr Herr im eigenen Land zu sein, werden immer deutlicher. Die Aversionen gegenüber Syrern sind nachvollziehbar.

Volker Naumann | Do., 2. Mai 2024 - 17:49

Glaubt denn diese Dame (UvdL) wirklich, was sie da nun wieder von sich gegeben hat ?

„Es sind wir, die Europäer, die entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen. Und nicht das organisierte Verbrechen der Schmuggler und Menschenhändler“

Milliarden von Euro an ein Land geben, das nicht mal eine funktionierende Regierung hat. Man fühlt sich mit einer Dreistigkeit "verarscht" (sorry! für das Wort), das es wirklich unerträglich ist.

Und in diesem ganzen "Saft"-Laden (wieder Sorry!) gibt es keine Stelle, die in der Lage ist, diesen Wahnsinn endlich zu stoppen?.

Manfred Weber glaubt, damit nun Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu schaffen, er hat wahrscheinlich die gleiche Krankheit wie UvdL.

Die Hoffnung, dass sich nach der EU-Wahl etwas ändert, kann man wohl aufgeben, es geht weiter mit Vollgas gegen die Wand.

Ob das, was die Briten vorhaben, funktioniert, wird man sehen, aber sie versuchen es wenigstens, wohl nur möglich ohne EU.

MfG