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10 Jahre Twitter - 140 Zeichen, um die Welt zu verändern

Sie bestimmen maßgeblich Art und Weise unserer alltäglichen Kommunikation und sind die Repräsentanten des interaktiven Web 2.0: Die Rede ist von sozialen Netzwerken. Der Kurznachrichtendienst Twitter ist in den vergangenen Jahren zu einem der größten seiner Art aufgestiegen. Heute feiert Twitter zehnjähriges Jubiläum

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Nils Leifeld ist freier Journalist. Zurzeit arbeitet er in der Onlineredaktion von Cicero.

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Fünf kleine Worte markierten vor zehn Jahren den Beginn einer Revolution in der neuzeitlichen Kommunikation: „Just setting up my twttr“, „zwitscherte“ Jack Dorsey am 21. März 2006 über seinen Privataccount des Kurznachrichtendienstes. Diesen hatte er zuvor mit seinen beiden Freunden Biz Stone und Evan Williams im Rahmen eines Forschungsprojektes der Podcasting-Firma Odeo entwickelt. Zu dem Zeitpunkt hätte wohl niemand damit gerechnet, dass dies die Geburtsstunde eines der wichtigsten Kommunikationsmedien der Gegenwart sein sollte. Das Hauptmerkmal der Plattform, abzusetzende Nachrichten stets auf eine Länge von maximal 140 Zeichen zu begrenzen, zog rasch viele neue Nutzer an. Aus einer kleinen Community von Technikaffinen in San Francisco ist mittlerweile ein Netzwerk mit 320 Millionen Mitgliedern auf der ganzen Welt geworden. Rund 4300 Mitarbeiter zählte Twitter Ende vergangenen Jahres.

Hand in Hand mit Facebook dominiert Twitter heute die Kommunikation über soziale Netzwerke. 500 Millionen Tweets werden weltweit jeden Tag abgesetzt. US-Präsident Barack Obama hat einen Account, über den er seine knapp 70 Millionen Follower auf dem Laufenden hält. Mehr Follower haben auf der Welt nur die amerikanischen Pop-Stars Taylor Swift, Justin Bieber und Katy Perry. Letztere ist Spitzenreiterin mit mehr als 84 Millionen Nutzern, die ihr folgen.

„Mit nur 140 Zeichen lässt sich die Welt verändern“
 

Zu Beginn sah es für den Kurznachrichtendienst jedoch noch nicht so vielversprechend aus. „Twttr“, wie es damals noch hieß, wurde keine große Zukunft zugetraut. Der Software-Ingenieur Dom Sagolla war an der Frühphase der Entwicklung von Twitter beteiligt und erzählt in Interviews Jahre später, wie wenig Zutrauen die Branche im Sillicon Valley zunächst in den Kurznachrichtendienst hatte. Jack Dorsey zweifelte jedoch nie am Konzept seines frisch gegründeten Unternehmens. Anfang 2007 twitterte er voller Überzeugung: „One could change the world with one hundred and forty characters.”

Und der 39-Jährige sollte Recht behalten.

Anfang November 2013 vollzog das Unternehmen seinen Börsengang. Der Gesamtwert von Twitter betrug am Ende des ersten Börsentages fast 25 Milliarden Dollar. Die Anleger rissen sich förmlich um die Aktien des Kurznachrichtendienstes. Betrug der Ausgabepreis einer Aktie zu Beginn noch 26 Dollar, erreichte er zu Börsenschluss einen Wert von fast 45 Dollar. Dies machte den Börsengang von Twitter zum zweiterfolgreichsten eines Technologieunternehmens aller Zeiten. Nur die chinesische Alibaba-Gruppe konnte zum Börsenstart noch mehr Aktien verkaufen.

Auf den rasanten Aufstieg an der Börse folgte der Niedergang
 

Nach dem kometenhaften Aufstieg begann jedoch der jähe Niedergang des Unternehmens an der Börse: Die vollkommen überzogenen Erwartungen forderten ihren Tribut. Zudem erwirtschaftete Twitter zu Börsenbeginn auch noch keinerlei Gewinne. Was Aktionäre anlockte, war die bloße Aussicht auf Rendite. In Folge des Absturzes verlor Twitter an der Börse fast 80 Prozent seines ursprünglichen Wertes. Die Bewertung des Unternehmens fiel auf ein Fünftel des Betrags, der Preis der Aktie schrumpfte von 70 Dollar zum Allzeithoch auf 15,5 Dollar. Zu allem Überfluss kam dann noch heraus, dass sich Mitgründer Williams als Folge der anhaltenden Krise von einem Großteil seiner Twitter-Aktien trennte. Eine Beruhigung der Aktionäre sieht gewiss anders aus. Anfang des Jahres machten Übernahmegerüchte die Runde. Apple und Google wurden als mögliche Käufer gehandelt, doch passiert ist bisher nichts.

Neben der wirtschaftlichen Talfahrt gab es im Laufe der Jahre auch immer Phasen der Wechselhaftigkeit in der gesellschaftlichen Wahrnehmung des sozialen Netzwerkes: Im Wahlkampf Barack Obamas 2008 hatte Twitter erstmals seinen großen Moment. Eine wichtige Rolle nahm es auch in den Volksaufständen in Ägypten, Libyen, Tunesien und Syrien während des sogenannten Arabischen Frühlings ein. Im ersten Fall war es vor allem die vereinfachte Kommunikation untereinander und die Eigenschaft als Zusammenhalt stiftendes Element, die das Wahlkampf-Team Obamas an Twitter schätzte. Die jungen Revolutionäre des Arabischen Frühlings nutzten den Kurznachrichtendienst, um sich trotz Zensur in einem unabgeschlossenen virtuellen Raum zu verständigen und sich zu unmittelbaren, für das Regime nicht vorhersehbaren Treffen zu verabreden.

Fluch und Segen von Twitter
 

Diese Qualität, dass jeder immer und überall alles kommentieren und für alle sichtbar in die Welt hinausposaunen kann, ist jedoch Segen und Fluch zugleich für Twitter. Nach den Terroranschlägen während des Bostoner Marathons versuchten sich hunderte Nutzer als Hobby-Detektive und machten durch ihre Tweets völlig unbeteiligte Mitbürger zu Terrorverdächtigen. Das Problem, dass aus Mücken ganz schnell Elefanten werden können, hat aber nicht nur Twitter, sondern betrifft alle großen sozialen Netzwerke.

Nach all den Aufs und Abs der letzten Monate: Wie geht es nun weiter mit Twitter? Kann Jack Dorsey das soziale Netzwerk zurück in die Erfolgsspur führen? Der Unternehmensgründer steht wieder an der Spitze von Twitter, nachdem der bisherige Chef, der 52-jährige Dick Costolo, als Folge des Aktiencrashs seinen Hut nehmen musste.

Twitter beherrscht den Alltag
 

Unabhängig von allen wirtschaftlichen Erfolgen und Misserfolgen ist der Einfluss von Twitter auf die moderne Kommunikation unleugbar. Dazu wurden über Twitter Revolutionen geplant, Diktatoren gestürzt und Terroranschläge in Echtzeit miterlebt. Man kann sagen, dass der Kurznachrichtendienst dazu beigetragen hat, dass die Welt noch ein Stück näher zusammengerückt ist. Außerdem hat das Netzwerk mit seinem Hashtag-Phänomen fast so etwas wie eine neue Sprache kreiert. Ein Alltag ohne Twitter scheint kaum mehr vorstellbar. Die ersten zehn Jahre waren turbulent genug. Zeit, um diese Revue passieren zu lassen.

 

Anlässlich des zehnjährigen Gründungsjubiläums von Twitter zeigt das ZDF heute, am 21. März, um 22 Uhr eine Dokumentation mit dem Titel Twitter – Revolution in 140 Zeichen? .

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