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Unternehmensgründung - Die deutsche Angst vorm Scheitern

Kolumne: Leicht gesagt. Oft werden in Deutschland ausführliche Studien und Markttests verlangt, bevor in eine Idee investiert wird. Dabei lebt gerade die Start-up-Szene von sehr viel mehr Risikobereitschaft. Es braucht mehr Mut zum Scheitern

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht: Aus Fehlern lernt man. Deutschland scheint sehr langsam zu lernen aus einem Fehler, der die eigene Zukunft als Wirtschaftsstandort gefährden kann: unternehmerisches Scheitern für einen Makel zu halten. Das belegt nun eine Studie.

Seit Jahren wird eine „Kultur des Scheiterns“ gefordert von Politikern wie Medien. Sie gilt als Hauptvoraussetzung für eine rege Start-up-Szene. Denn nur, wem die Niederlage verziehen wird, wagt sich auch mit unreifen Ideen auf einen Markt, der Schnelligkeit verlangt. Und Wagnis. Doch das Wagniskapital sinkt in Deutschland - zuletzt auf unter 700 Millionen Euro. Wieso?

Antwort darauf lässt sich auch in der Studie der Universität Hohenheim über die Toleranz des Scheiterns finden. „Gute Fehler, schlechte Fehler – wie tolerant ist Deutschland im Umgang mit gescheiterten Unternehmern“ heißt sie und kommt zu einem konträren Schluss: 80 Prozent der Deutschen halten Misserfolge ganz allgemein für lehrreich – und damit für akzeptabel. Doch wenn Unternehmer scheitern, scheint das für viele schwerer verzeihlich.

Kulturwandel im Umgang mit Niederlagen
 

Je jünger die Befragten, desto größer die Toleranz. „Dies könnte ein Indiz für einen anstehenden Kulturwandel und ein gesellschaftliches Umdenken sein“, sagt Prof. Andreas Kuckertz vom Lehrstuhl Unternehmensgründung der Universität Hohenheim, der die Untersuchung durchführte. Es gelte, diese positive Haltung der jungen Generation zu erhalten. Das Kapital jedoch, welches die junge Szene bräuchte, besitzen traditionell Ältere. Die Toleranz gegenüber dem Scheitern ist in Deutschland offenbar auch regional sehr verschieden: „Während bei den Menschen in Bremen das Verständnis für unternehmerisches Scheitern am höchsten ist, akzeptieren dies die Bewohner von Mecklenburg-Vorpommern im bundesweiten Vergleich am wenigsten.“

Unterschiede gibt es der Studie nach auch beim Bildungsstand wie dem eigenen Beruf. Akademiker geben sich aufgeschlossener für vermeintliche Versager und knapp die Hälfte der Angestellten kann in unternehmerischem Misserfolg wenig Positives erkennen.

Dennoch: Dreiviertel aller Deutschen findet, dass gescheiterte Unternehmer eine zweite Chance verdienen. Aber: Über 40 Prozent der Deutschen geben zu, dass sie beim Bestellen von Waren Vorbehalte gegenüber einem bereits gescheiterten Unternehmer hätten. „Die Deutschen müssen hier endlich Taten auf Worte folgen lassen", kommentiert Kuckertz diese Zahlen, „und das gesellschaftlich und wirtschaftlich wichtige Engagement auch von gescheiterten Unternehmern anerkennen.“

Vorbild USA
 

So wie in den USA. Dort profitieren Start-ups von der sogenannten Accelerator-Methode. Accelerator heißt Gaspedal, welches im Silicon-Valley schnell getreten wird, wenn eine gute Idee auftaucht. Vermögende Unternehmer wollen dann keine Zeit verlieren, sondern nehmen viel Geld in die Hand, um diese Idee schleunigst auf die Straße, auf den Markt zu bringen.

In Deutschland hingegen gilt die Company-Builder-Methode der old economy als Maßgabe, also die der guten alten Existenzgründung. Bevor irgendwer großes Geld für eine Idee gibt, werden erst einmal ausführliche Studien verlangt, am besten abgeschlossene Markttests. „Proof of Concept“ nennen Projektmanager diese Machbarkeitsnachweise.

In den USA gilt weit häufiger: Trial and error. Die Gefahr des Scheiterns ist dadurch dort viel größer, und damit auch die Gefahr, Geld zu verbrennen. Viele amerikanische Start-ups kommen unausgereift auf den Markt. Dann werden sie zuweilen von Deutschen kopiert, vielleicht sogar verbessert für den nationalen Markt. Aber die Gründer-Idee bleibt amerikanisch.

Die sprichwörtliche Angestelltenmentalität vieler Deutscher stärkt den immer wieder beschworenen deutschen Gründergeist nicht. Bankangestellte müssen der strengen Vorgaben wegen gescheiterten Gründern Kredite für einen weiteren Versuch versagen. Unternehmer aber heißen so, weil sie etwas unternehmen und selbst am besten wissen sollten, dass Erfolg auch im Scheitern liegt. Gerade in Zeiten der Zinsflaute sind sie gefordert, stärker in Start-ups zu investieren. Dazu könnten sie Mut machen, wenn sie über eigene Fehlschläge frei heraus berichten würden - die sie am Ende gestärkt haben.

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