Pressekonferenz des Präsidenten der autonomen bosnischen Serbenrepublik Milorad Dodik, am 12. März 2025 in Banja Luka, Bosnien und Herzegowina / picture alliance / PIXSELL | Dejan Rakita

Wer ist Milorad Dodik? - Bosnischer Serbenführer: Vom Hoffnungsträger zum Paria

Der von den USA seit 2017 und nun auch von Deutschland und Österreich sanktionierte Milorad Dodik wird per Haftbefehl gesucht, weil er die von ihm beherrschte Hälfte Bosnien und Herzegowinas abspalten und Serbien angliedern will. Die Region des Balkans steht vor einer Zerreißprobe.

Autoreninfo

Alexander Rhotert forscht als Politikwissenschaftler zum ehemaligen Jugoslawien seit 1991. Er war 20 Jahre für UN, Nato, OSZE, OHR und EU tätig, zumeist zur Friedensumsetzung auf dem Westbalkan. Als Oberstleutnant und Interkultureller Einsatzberater der Bundeswehr arbeitete er zu Kosovo und Bosnien und Herzegowina. 
 

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Es war Zufall, dass der deutsche Karrierediplomat Botschafter Hanns Schumacher Ende 1997 Stellvertreter des Hohen Repräsentanten (HR) der internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina wurde. Dessen Aufgabe umfasst die Umsetzung, Interpretation und den Schutz des Friedensabkommen von Dayton, das den Bosnien-Krieg 1995 beendete. Seiner Organisation, dem Büro des Hohen Repräsentanten (OHR), standen zur Erfüllung dieser Aufgaben einst mehr als 1000 Mitarbeiter zur Verfügung, unter ihnen viele Experten. 

Zufall, da sein Vorgänger, Botschafter Gerd Wagner, im September 1997 mit elf Kollegen, darunter fünf Deutschen, bei einem Hubschrauber-Absturz in Bosnien ums Leben kam. Wagner war damals erst drei Monate im Amt. Er war Nachfolger von Botschafter Michael Steiner geworden, des ehemaligen außenpolitischen Beraters von Kanzler Gerd Schröder. Steiner hätte eigentlich nach Amtsende des damaligen HR selber diesen Posten übernehmen sollen, doch Kanzler Helmut Kohl versagte ihm seine Zustimmung, obwohl er in Bosnien bei allen drei Völkern beliebt war. Angesichts der über 350.000 bosnischen Flüchtlinge, die noch in Deutschland waren, wollte Kohl jedoch keinerlei Risiko eingehen und im Falle eines Scheiterns in Bosnien einen deutschen Top-Diplomaten als Verantwortlichen auf dieser exponierten Stelle haben. Damit blieb die wichtige Stellvertreter-Position in „deutscher Hand“. Das OHR war damals eine der Adressen in der internationalen Politik.

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Karl-Heinz Weiß | So., 6. April 2025 - 12:41

Die ehemalige Republik Jugoslawien ist in sechs Staaten zerfallen, zuzüglich des Kosovo, dessen völkerrechtlicher Status umstritten ist. Die vom Autor gut beschriebene Verwaltungskonstellation als fragil zu bezeichnen, wäre untertrieben. Eine Entwicklung hin zu einem "Großserbien" erscheint immer realistischer.

Volker Naumann | So., 6. April 2025 - 13:07

Otto Fürst von Bismarck:

"Der Balkan ist mir nicht die gesunden Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert"

Berliner Balkan-Konferenz, 1878

Recht hatte er und Weitsicht!

MfG

Bernhard Homa | So., 6. April 2025 - 14:55

Quintessenz des Artikels: die Figur Dodik ist vom "Westen" selbst geschaffen worden – auf die Idee, dass gerade systemische Konstruktionsmängel wie der HR als verkappte imperiale Oberaufsicht so etwas ermöglichen, kommt der Autor offenbar nicht. 30 Jahre post Dayton besteht offensichtlich unter den verschiedenen Ethnien immer noch keine Vorstellung von gemeinsamen Staat BiH – sondern im Grunde nur ein Waffenstillstand bis auf weiteres.
Besonders "intelligent" ist auch Herrn Rhoterts Lösungsvorschlag, Dodik vom HR aus dem Amt entfernen zu lassen: Abgesehen von allen anderen damit verbunden Problemen möchte man ihm zurufen: "Und dann?"

Walter Buehler | So., 6. April 2025 - 15:57

Der Autor berichtet aus seiner Vergangenheit als "Besatzungsmitarbeiter" im Kosovo.

Herr Dodik (den ich nicht kenne) wurde 1998 von einem deutschen Diplomaten, Herrn Schumacher (den der Autor offenbar gekannt hat) als Regierungschef ""erzwungen".

Als dann 2002-2006 der Autor Herrn Dodik persönlich kennenlernte, erschien er dem Autor selbst noch immer als ein akzeptabler Politiker.

Aber seit 2008 ist Dodik immer weiter vom Pfad der Tugend abgewichen, den ihm die deutsche Diplomatie zugedacht hat.

Heute hält der Autor Herrn Dodik für gefährlich.
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Ist das nicht eine Erfahrung, die alle Kolonialmächte dieser Welt machen mussten?

Undankbarkeit und mangelnde Loyalität der Eingeborenen gegenüber der freundlichen, wohlwollenden Schutzmacht sind doch nicht nur auf dem Balkan vorgekommen.
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Ein solcher Text wirft ein merkwürdiges Licht auf das Selbstverständnis deutscher Diplomaten unter Joschka Fischer.