Möglicherweise wird Trump den Ukrainekrieg mit einem Deal beenden, der den Europäern und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj (l.) nicht gefällt / dpa

Europa nach der US-Wahl - Abschied von der transatlantischen Hängematte

Nach dem Machtwechsel im Weißen Haus können wir nicht mehr mit einem automatischen Schutz durch die USA rechnen. Das wäre auch mit einer Präsidentin Harris nicht anders gewesen. Leider gab es in der EU und in Deutschland keine Vorbereitung auf den Regierungswechsel in Washington.

Autoreninfo

Botschafter a.D. Rüdiger Lüdeking war während seiner Zeit im Auswärtigen Dienst (1980-2018) in verschiedenen Verwendungen, u.a. als stv. Beauftragter der Bundesregierung für Abrüstung und Rüstungskontrolle und Botschafter bei der OSZE, mit Fragen der Sicherheits- und Rüstungskontrollpolitik intensiv befasst.

So erreichen Sie Rüdiger Lüdeking:

Die Präsidentschaftswahlen in den USA sind früher als erwartet zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen. Bundeskanzler Scholz hat Donald Trump wie auch viele andere westliche Staats- und Regierungschefs zu dessen Wahlsieg gratuliert und die Wichtigkeit einer erfolgreichen Zusammenarbeit zum Wohle der Bürger betont. Ein Sieg Trumps war gerade in den vergangenen Monaten Gegenstand vielfacher Befürchtungen. Aber haben wir uns mit der notwendigen langen Hand auf diese im Raum stehende Möglichkeit bereits eingestellt? Oder waren wir überhaupt wirklich auch auf einen Amtsantritt von Harris und damit möglicherweise zusammenhängende Änderungen der US Außenpolitik vorbereitet?

In den Jahren nach dem Kalten Krieg haben wir es uns in Europa in der transatlantischen Hängematte bequem gemacht. Wir waren bereit, eine Stellung als verteidigungspolitischer Juniorpartner der USA zu akzeptieren, haben die sogenannte „Friedensdividende“ kassiert, ohne uns hinreichend klar darüber zu werden, welche Risiken mit der westlichen Politik verbunden sind. So wurde und wird beispielsweise die Nato-Erweiterung, die gerade von Russland als provozierend empfunden wird, weitgehend ohne notwendige sicherheitspolitische Abfederung verfolgt. Oder auch die Kündigung der für Europa und die strategische Stabilität wichtigen Rüstungskontrollabkommen durch die USA wurde einfach hingenommen. Jetzt wird fälschlicherweise argumentiert, dass Russland und seine vertraglichen Verletzungen hierfür verantwortlich sind, und es wird dabei unterschlagen, dass gerade die Präsidenten Bush jr., aber auch Trump die Rüstungskontrolle generell als Einschränkung der von ihnen so gesehenen verbliebenen letzten Supermacht USA und als Hindernis für die militärische Einhegung der aufsteigenden Großmacht China sahen. Dies hat dann diese beiden US-Präsidenten veranlasst, die Rüstungskontrollvereinbarungen – auch solche, die die strategische Stabilität zwischen den USA und Russland festschrieben – zu kündigen.

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Ingbert Jüdt | Fr., 8. November 2024 - 08:09

Über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft wurde schon in den 1950ern nachgedacht! Wichtiger als der Rahmen der militärischen Institution ist aber die Ausrichtung der Außenpolitik. Herr Lüdeking versteht zumindest, »dass Europa allzu einseitig auf die militärische Karte gesetzt« hat. Das ist aber immer noch höchstens die halbe Wahrheit:

(1) Europa hat sich den Verhandlungserfolg vom Februar 2014(!) stehlen lassen.

(2) Die Eskalation in der Ukraine war seit 2014 das Resultat einer amerikanischen »Extending Russia«-Strategie.

(3) Die 1995(!) von der Ukraine annektierte Krim hat niemals zur Ukraine gehören wollen.

(4) Die Ukraine hat das Donbass nicht militärisch, sondern bereits mit dem Sprachengesetz von 2019 endgültig politisch verzockt.

(5) Der fehlende Druck zur Umsetzung von Minsk II war der eigentliche Betrug Europas am ukrainischen Volk (nicht der Regierung).

(6) Die USA brauchen eine klare europäische Ansage, dass ihre unselige Neocon-Außenpolitik nicht länger erwünscht ist.

Christoph Kuhlmann | Fr., 8. November 2024 - 08:31

Insofern ist es müßig zu spekulieren, wie man sich am Besten vorbereitet. Hilfreich wäre sicher, ein zeitnaher Regierungswechsel in Deutschland.

Urban Will | Fr., 8. November 2024 - 09:16

UA-Krieges, der damals noch nicht stattfand – schon 2016 im Zshang mit Trumps erster Präsidentschaft.
„Europa muss...“, „Abschied von...“ Alles in Richtung: selbst dafür sorgen, dass man stark genug ist, weil der Trump ja alles einstellen will, etc.
Nichts ist passiert. Im Windschatten der Amerikaner hat man zu Beginn des UA-Krieges die Backen aufgeblasen und den Ukrainern bedingungslose Unterstützung bis zum Endsieg zugesagt. Und das mit einem Streichholz in der Hand. Den Knüppel hielten die Amis und die legen ihn vielleicht bald zur Seite. Und dann?
Wird der Fritzel zur „Überzeugung“ kommen, dass es vielleicht doch besser ist, zu verhandeln.
Angesichts all es Leids, etc. blabla. Dann werden ihm die Ukrainer, die heute noch täglich sinnlos krepieren auf einmal leid tun und deren Überleben wichtig sein.
Er kann das, der Blöd-Michel wird es ihm abnehmen.
Aber lächerlich bleibt es allemal. Und der Rest der Welt ist nicht so blöde wie der Michel.
Fritzel steckt in der Klemme.

Detlev Bargatzky | Fr., 8. November 2024 - 09:52

... auf die militärische Karte gesetzt hat"

Der wichtigste Grund für diese Einseitigkeit Deutschlands dürfte wohl die Sehnsucht nach einem militärischen Sieg an der Seite der USA (gewesen) sein.
Diese Sehnsucht hat offenbar sowohl die SPD, als auch Grüne und CxU erfasst.
Ich sag' mal: Die Deutschen haben es (mit dem Wegsterben der Kriegsgeneration) offenbar verlernt, dass Frieden grundsätzlich besser als Krieg ist.
Selbst die relativ "sanfte" Lehre aus dem Afghanistan-Einsatz prallt an ihnen folgenlos ab.

Gerhard Hellriegel | Fr., 8. November 2024 - 10:27

Ich stimme dem Autor vollständig zu.
Was mich wirklich ärgert, ist, dass mindestens in den letzten 8 Jahren weder in der EU noch in D die Konsequenzen aus dem absehbaren Verlust des amerikanischen Schutzes (plus Schutzgelderpressung) gezogen wurden.
Wozu bezahlen wir eigentlich Horden von Politikern?

Vom Autor schamhaft "strategische Autonomie der EU" genannt, sind in Wirklichkeit EU-Atomwaffen erforderlich. Nein, das macht mich nicht glücklich, aber wir müssen vor Erpressungsversuchen abschrecken.

Nationale Alleingänge lehne ich ab. Nur gemeinsam können wir im Konzert der Großmächte mit eigener Stimme mitspielen.

Sehr richtig, dass der Autor darauf hinweist, dass die ukrainischen Soldaten nicht für unsere Sicherheit, sondern für ukrainische Autonomie kämpfen.

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