Einwohner der Provinz Xinjiang / picture alliance

Wirtschaftssituation in China - Peking sucht neue Geldquellen

Die wirtschaftlichen Probleme Chinas dauern an. Das Land muss deshalb seine Beziehungen zu den USA verbessern, wenn es ausländische Gelder ins Land holen und den Zugang zu wichtigen Technologien aufrechterhalten will.

Autoreninfo

Victoria Laura Herczegh, die fließend Mandarin, Spanisch, Französisch und Englisch spricht, ist Analystin bei Geopolitical Futures und Doktorandin für Internationale Beziehungen und Politikwissenschaft der Corvinus-Universität in Budapest.

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Auf dem jüngsten Jahresplenum der Kommunistischen Partei Chinas wurde beschlossen, dass die Provinz Xinjiang – eine große, unruhige Region im Westen Chinas, in der verschiedene ethnische Minderheiten leben – zu einer „strategischen Barriere“ gegen geopolitische Bedrohungen ausgebaut werden soll. Daher wird die Provinz in diesem Herbst Schauplatz von polizeilichen Berufsausbildungen und militärischen Übungen sein. 

Die Entscheidung spiegelt eine Erklärung wider, die Yin Bai, Leiter der Zentralen Kommission für politische und rechtliche Angelegenheiten, vorige Woche abgegeben hat und in der er auf die Notwendigkeit hinwies, „Farbenrevolutionen“ zu verhindern und ihnen zu widerstehen – eine versteckte Anspielung auf angeblich vom Westen unterstützte Aufstände.

Diese Entwicklungen zeigen, dass sich die Regierung angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Probleme Chinas zunehmend Sorgen über Unruhen in gefährdeten Regionen wie Xinjiang macht. Sie erklären auch, warum Peking versucht, seine militärische Präsenz im gesamten asiatisch-pazifischen Raum aufrechtzuerhalten, um zu zeigen, dass es angesichts der Stärkung der von den USA geführten Pazifik-Allianz und des Auftretens regionaler Mächte wie Indien militärisch mithalten kann.

Die Zahl der nuklearen Sprengköpfe

Die jüngsten militärischen Aktivitäten bestätigen dies. So hielt das Kommando Süd der Volksbefreiungsarmee „hochintensive“ Gefechtsübungen mit der Jinggang Shan ab, einem der modernsten amphibischen Kriegsschiffe Chinas. Das Landungsschiff vom Typ 071 wurde von der CCG-5901, dem größten Küstenwachenschiff der Welt, und einer Reihe anderer neuer, fortschrittlicher Küstenwachenschiffe bei Übungen begleitet, die in chinesischen Medien als Übungen zum Durchbrechen einer Blockade angekündigt wurden. Etwa zur gleichen Zeit wurden Berichte veröffentlicht, wonach China auf einem seiner Schiffe – ebenfalls ein amphibisches Modell des Typs 071 – eine Laserwaffe installiert hat. (Die Vereinigten Staaten führten Ende 2019 ihr erstes Laserwaffensystem auf einem Schiff ein, das dem chinesischen Typ-071 ähnelt.)

Darüber hinaus hat die chinesische Armee in den vergangenen Jahren ihr Arsenal um ein Langstreckenartilleriesystem erweitert, wie aus dem China Military Power Report 2023 des US-Verteidigungsministeriums hervorgeht. Die Marine wurde von 340 auf 370 Schiffe aufgestockt, darunter ein dritter Flugzeugträger, und die Zahl der nuklearen Sprengköpfe stieg von etwa 400 auf 500. Zu den neuen Fähigkeiten, die in den nächsten Jahren vorgestellt werden sollen, gehören ein neues U-Boot mit ballistischen Raketen, ein strategischer Bomber, ein Langstreckentanker und möglicherweise eine konventionell bewaffnete ballistische Interkontinentalrakete. Es hat also den Anschein, dass China auf dem Weg ist, die Volksbefreiungsarmee bis 2027 zu „Weltklasse-Streitkräften“ zu machen.

Finanzielle Unterstützung für lokale Regierungen

Pekings Ambitionen sind jedoch mit Einschränkungen verbunden, von denen die wichtigste das Geld ist. Diese Anstrengungen sind sehr kostspielig, und trotz der jüngsten wirtschaftlichen Verlangsamung zeigt China keine Anzeichen dafür, dass es seinen Sicherheitsverpflichtungen weniger Priorität einräumt. Es stimmt, dass diese „neuen“ Fähigkeiten schon seit einiger Zeit in der Entwicklung sind, und es stimmt, dass Pekings erneute Unterstützung für Künstliche Intelligenz dem Militärsektor zugutekommt und auch weiterhin kommen wird. Aber bei den neuen Fähigkeiten, die gerade erst auf den Weg gebracht werden, ist die Situation komplizierter. Die Kosten für Hightech-Ausrüstung steigen ständig, und während die Gelder für den Verteidigungssektor relativ langsam fließen, könnten sie allmählich zur Neige gehen. 

Obwohl Chinas Verteidigungsausgaben derzeit nur 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen und damit nur einen kleinen Teil der gesamten Wirtschaftstätigkeit des Landes ausmachen, müssen die Aufwendungen in diesem Bereich immer noch mit anderen vorrangigen Bereichen konkurrieren, darunter Wissenschaft und Technologie, Ernährungssicherheit, Schuldendienst und öffentliche Sicherheit. Da die drei letztgenannten Bereiche wichtiger sind, um die Menschen zufrieden zu stellen und politische Unruhen zu verhindern, wird Peking sie nur schwer aufgeben können. Vereinfacht ausgedrückt, schätzt die Kommunistische Partei Stabilität höher als militärische Macht – daher leistet Peking trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten weiterhin erhebliche finanzielle Unterstützung für lokale Regierungen.

Da nur so viel Geld zur Verfügung steht, um die Verteidigungsausgaben zu unterstützen – der Haushalt für 2024 sah eine Erhöhung um 7,2 Prozent für die Verteidigung vor – braucht Peking ausländische Investitionen. Die vom Handelsministerium veröffentlichten Daten zeigen, dass die ausländischen Direktinvestitionen des Landes in der ersten Hälfte des Jahres 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 29,1 Prozent auf etwa 498,9 Milliarden Yuan (62,5 Milliarden Euro) gesunken sind. Und das trotz wiederholter Versprechen, mehr Marktzugangsmöglichkeiten für ausländische und private Investoren zu schaffen und sogar die Hindernisse für die Beteiligung am verarbeitenden Gewerbe vollständig zu beseitigen.

Eine ganze Reihe von Problemen

Die Parteiführung ist sich dessen bewusst. Der Staatsrat hat vor kurzem eine Zehn-Punkte-Leitlinie zur Optimierung des nationalen Marktzugangs herausgegeben, insbesondere in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung und Hochtechnologie, und auf dem jüngsten Treffen der Arbeitsgruppe Finanzen haben die USA und China vereinbart, bei der Finanzstabilität und möglicherweise bei der Reform der Finanzinstitute zusammenzuarbeiten.

Dies ist wichtig, denn China muss seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten verbessern, wenn es ausländische Gelder ins Land holen und – was entscheidend ist – den Zugang zu wichtigen Technologien aufrechterhalten will. Die Regierung Biden hat Chinas Zugang zu Halbleitern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck durch Exportkontrollen und Investitionsbeschränkungen eingeschränkt, und obwohl China bei der Waffenproduktion fast völlig autark ist, könnten die angespannten Beziehungen zu den USA immer noch zu neuen Beschränkungen führen, die es zu überwinden gilt. Dies wäre an sich schon entmutigend, aber Peking hat bereits eine ganze Reihe von Problemen zu lösen, damit die Modernisierung des Verteidigungssektors reibungslos vonstattengehen kann.

Im Moment sucht China eher außerhalb als innerhalb des Landes nach neuen Geldquellen. So ist beispielsweise für nächste Woche ein Treffen von Handelsvertretern geplant, bei dem die Einzelheiten der finanziellen Koordinierung besprochen werden sollen. Und ganz gleich, wie selbstbewusst Peking in jüngster Zeit in Gebieten wie dem Südchinesischen Meer aufgetreten ist, ist es höchst unwahrscheinlich, dass es einen bewaffneten Konflikt plant, während es gegenüber Washington Entspannung sucht. Es wird jedoch weiterhin seine militärische Macht demonstrieren und seine Nachbarn daran erinnern, dass sein Militär genauso stark ist wie das ihre. In diesem Sinne wird Peking darauf achten, nicht zu sehr zu aufzutrumpfen. China kann es sich nicht leisten, einen Konflikt auszulösen, wenn es seine finanziellen Ziele erreichen will.

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Christoph Kuhlmann | Di., 3. September 2024 - 19:20

Putin kann sich den Krieg leisten, weil er seine Macht nicht gefährdet. Xi Jinping hat weiß noch nicht, ob ein Krieg sein System stabilisiert oder destabilisiert. Das Primat der Politik in der Diktatur hängt stark von der Wahrnehmung der Diktatoren ab. Sind Chinesen vielleicht materialistischer als leidgeprüfte Russen? Wir werden sehen ob der nationale Chauvinismus die KP in China retten wird, wenn die mit Abstand größte Immobilienblase, welche dieser Globus je gesehen hat, platz. Angeblich gibt es in China dreimal so viele Wohnungen wie gebraucht werden. Vorzugsweise in ländlichen Regionen und kleineren Städten mit Bevölkerungsschwund. Da muss der Staat schon ganz schön zubuttern, damit da keiner Pleite geht. Ich glaube der Wahnsinn ist ein treibendes Element des Kapitalismus. Im Staatskapitalismus wird der Wahnsinn vollkommen entfesselt, da Blasen "stabilisiert" werden. also nicht nur eine Branche den Bach runter geht, sondern die Banken und der Staat gleich mit.

Hans Lauer | Mi., 4. September 2024 - 09:22

China sucht verzweifelt Investoren. Wer aber wagt sich auf dieses Territorium?
Mehrere Wirtschaftsdaten werden nicht mehr veröffentlicht (z.B.Jugendarbeitslosigkeit, Abzug von Inv. aus China) oder sind eindeutig zweifelhaft.
Der Staat kann jederzeit autoritär eingreifen, wie Enteignungen, Zwangsverpflichtungen von Firmen zur Übernahme von Schulden aus anderen Bereichen der Wirtschaft (siehe Ping An Insurance).
Keine Gesetze zum Aktionärsschutz und im Streit mit den USA ist ein Delisting von westlichen Börsen jederzeit möglich.
Zumal Entscheidungen meist im Ad hoc Verfahren getroffen werden und keiner die Möglichkeit hat, darauf reagieren zu können.
Alles in allem ist China ein wirklich unattraktiver Markt durch die chinesische Führung. Ich würde die Finger davon lassen. Da gibt es attraktiveres.