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Öffentlich-rechtlicher Rundfunk - Das Radio braucht endlich eine Lobby

Kisslers Konter: Nicht Internet. Nicht Fernsehen. Das Radio ist das wichtigste Medium unserer Zeit. Noch dazu eines mit Zukunft. Wir sollten es würdigen – und verteidigen

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Das wichtigste, das am meisten genutzte, das am wenigsten verzichtbare Medium ist das Radio. Da mögen die sozialen Netzwerker noch so sehr einander bespiegeln, mögen die Verantwortlichen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten noch so manisch-depressiv vor dem Fernsehen auf die Knie fallen: Es ist das Radio, das den Menschen des 21. Jahrhunderts durch den Tag begleitet. Es ist das Radio, das ihn informiert und unterhält, ablenkt von und hinführt zu der Welt. Es ist darum an der Zeit, dass das Radio sein selbstverordnetes Duckmäusertum, sein schlechtes Gewissen im Angesicht von Internet und TV überwindet. Das Radio hat eine stolze Vergangenheit, eine wichtige Gegenwart und könnte eine strahlende Zukunft haben.

Könnte. Denn leider ist das Radio in vielen Sendern die privilegierte Spielwiese egomaner Strukturreformer und geistloser Kostenoptimierer. Der Rotstift gibt den Programmdirektor. Die leitenden Damen und Herren mit dem öffentlich-rechtlichen Ticket wissen genau, dass sie zum Ausbau ihrer Karriere bella figura machen müssen und dass ihre bella figura nur im Fernsehen zur Geltung kommt. Deshalb hätscheln und tätscheln sie das Fernsehen, lassen das Füllhorn der Haushaltsabgabe regnen über Gerechte und Ungerechte, über Logo-Bastler, Moderationspools und Hauptverwaltungsleiter und weisen dem Radio den Katzentisch zu. Der Aufruhr, der momentan gegen die zur Programmreform aufgehübschte Wortaustreibung bei Deutschlandradio Kultur tobt, ist mehr als ein Symptom. Abermals, so der Eindruck, soll gebastelt und geschreddert werden, damit die Optimierer sich verwirklichen können.

Bürger, verteidigt euer Radio!
 

Nicht minder dreist sind die Überlegungen des Bayerischen Rundfunks, die letzte fast sortenreine Klassikwelle der ARD in das Internet und zu DAB plus zu verlagern. Ja, DAB plus ist eine wunderbare Einrichtung, für die die Sender viel zu leise trommeln. Die Abdeckung aber ist indiskutabel, eine flächendeckende Verbesserung nicht in Sicht. Sehr zu Recht schreibt der Bayerische Musikrat in seiner bisher von rund 6000 Menschen unterzeichneten Petition: „Wenn die UKW-Verbreitung von BR-Klassik wegfällt, wird das hoch angesehene und einzig bandbreite Programm dieser Sparte nur noch von einem viel geringeren Teil der Hörerschaft zu empfangen sein. Ein erheblicher Verlust der Reichweite des Klassik-Programms ist die weitere Folge.“ Vollendet wird die Idiotie durch die parallelen Pläne, stattdessen der chronisch lahmen Jugendwelle die UKW-Frequenz zu spendieren. Als seien die Jugendlichen nicht eh im Internet zuhause, weit eher als die Klassikklientel.

So arbeitet das Radio weiter an seiner Selbstmarginalisierung. Es hat keine Lobby, und es will auch keine Lobby sein für sein Stammpublikum. Wer die klassische Musik, die ein Nischendasein fristet in fast allen öffentlich-rechtlichen Sendern, vollends zur Manövriermasse erklärt, gibt deren Publikum einen kräftigen Nasenstüber. Und zeigt, dass er vom Erfolgsgeheimnis des wichtigsten Mediums überhaupt – seiner inneren Vielfalt, der Hörerbindung und der steten, problemlosen Erreichbarkeit – nichts begriffen hat. Zudem in einem Jahr, dessen „Media-Analyse Radio I“ unlängst den stabilen Aufwärtstrend bestätigte: „Vier von fünf Deutschen schalten Tag für Tag das Radio ein und bleiben mehr als vier Stunden dran“. Das Fernsehen fesselt täglich fast eine halbe Stunde weniger. Ergo: Bürger, verteidigt euer Radio! Die Radiomacher tun es nicht immer.

 

 

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