Editorial - Ein literarischer Held...

sieht anders aus: Als Heinrich von Kleist sich am 21. November 1811 eine Kugel in den Kopf schoss, war er 34 Jahre alt und hatte sich mit Verve auf den ver­schiedensten Tätigkeitsfeldern versucht – immer erfolglos. Zweihundert Jahre später steht er als einer der ganz Großen da: Meister einer Sprache, in der hirnwütige Emotion und poetische Empfindsamkeit ein explosives Gemisch er-geben.

sieht anders aus: Als Heinrich von Kleist sich am 21. November 1811 eine Kugel in den Kopf schoss, war er 34 Jahre alt und hatte sich mit Verve auf den ver­schiedensten Tätigkeitsfeldern versucht – immer erfolglos. Zweihundert Jahre später steht er als einer der ganz Großen da: Meister einer Sprache, in der hirnwütige Emotion und poetische Empfindsamkeit ein explosives Gemisch er-geben. Zum Auftakt des Kleist-Jahrs 2011 zeigen Ulrike Draesner, Jens Bisky und Daniela Strigl den Sonderling von drei wesentlichen Seiten seines Lebens und Werks: ein Triptychon, das den Kometen Kleist in der Gegenwart leuchten lässt (S. 26).

Helden von ganz anderem Schlag waren der amerikanische Erzähler John Steinbeck und der Fotograf Robert Capa. Im Sommer 1947 bereisten sie zusammen die Sowjetunion. Steinbecks Reportage und Capas Fotos porträtie-ren nicht nur die Helden des sozialistischen Aufbaus, sie zeichnen auch ein Bild der beiden Freunde: zwei Unerschrockene beim Versuch, eine fremde Welt zu verstehen (S. 54).

Die Helden von heute agieren unter anderen Bedingungen. Wie das «Kraftwerk der Gefühle» Menschen in besondere Lebenslagen versetzt, erzählt Alexander Kluge (S. 18) – ohne Weiteres könnte zu ihnen auch der «eingebettete» Afghanistan-Reporter Sebastian Junger (S. 46) gehören, nicht anders der «Held des Verrats» im jüngsten Roman von Javier Cercas (S. 50). Und selbst ein New Yorker Kunsthändler in den besten Verhältnissen kann von einem heroischen Entschluss überwältigt werden. Wie jäh umschlagendes Gefühl ein grundlegend anderes Leben erzwingt, entwickelt Michael Cunningham in seinem neuen Roman – und steht bei einer Begegnung in Venedig freimütig Rede und Antwort (S. 10). Wahr ist: Glücklich die Zeit, die keine Helden braucht. Doch wie glücklich die Leser, die von den Helden Kleists,Kluges, Steinbecks und Cunninghams lesen können!

Ein frohes neues Jahr wünscht
Ihre literaturen-Redaktion
 

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