- Was ist Beate Zschäpe nachzuweisen?
Die Bundesanwaltschaft will Beate Zschäpe nachweisen, dass sie die Morde ihrer Kumpanen der Zwickauer Terrorzelle unterstützte. Warum ist das so schwierig?
Gespannt erwartet die Bundesanwaltschaft das Ergebnis der Haftprüfung im Fall Beate Zschäpe. Die Behörde des Chefanklägers der Republik, Harald Range, hat vergangene Woche dem Bundesgerichtshof (BGH) mehr als 600 Ordner mit Ermittlungsakten übergeben, um den 3. Strafsenat davon zu überzeugen, die 37 Jahre alte Frau aus dem Untergrundtrio „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ in Untersuchungshaft zu behalten. Es wäre auch eine große Überraschung, sollten die Karlsruher Richter Zschäpe aus der Zelle in Köln herausholen – doch vier mutmaßliche Komplizen kamen bereits frei. Wann der BGH entscheidet, ist offen.
Was wird Zschäpe genau vorgeworfen?
Die Bundesanwaltschaft hält Zschäpe, die einzige Überlebende des Thüringer Trios, für eine zentrale Figur. Sie soll mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 gemeinsam in den Untergrund gegangen und dann die terroristische Vereinigung NSU gegründet haben. Und als NSU-Mitglied zumindest Beihilfe zum Mord an zehn Menschen geleistet haben. Die zwei Kumpanen Zschäpes hatten von 2000 bis 2007 neun Kleingewerbetreibende und Angestellte türkischer und griechischer Herkunft erschossen sowie in Heilbronn eine Polizistin getötet, ein zweiter Beamter erlitt bei dem Angriff lebensgefährliche Verletzungen. Dass Zschäpe bei den Morden dabei war, ist ihr bislang nicht nachzuweisen. Doch für die Bundesanwaltschaft steht fest, dass die Rechtsextremistin das Geld verwaltet hat, das Mundlos und Böhnhardt bei insgesamt 14 Banküberfällen erbeutet hatten – mehr als 600 000 Euro. Und mit dem Geld, sagen Ermittler, wurden die Taten im Bundesgebiet und das Leben im Untergrund finanziert.
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Zschäpe soll zudem gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt eine Waffe entgegengenommen haben, die Holger G. nach Zwickau gebracht hatte, wo sich das Trio versteckte. Holger G. gilt als ehemaliger Helfer des NSU und hat nach seiner Festnahme im November 2011 ein Geständnis abgelegt.
Aus Sicht der Ermittler ist Zschäpe schon hochgradig belastet, weil sie fast 14 Jahre mit Mundlos und Böhnhardt im Untergrund lebte. Dass die Frau, die wie die beiden Männer bis 1998 der Neonazi-Truppe „Thüringer Heimatschutz“ angehörte, von den Morden, Banküberfällen und zwei Sprengstoffanschlägen, die Mundlos und Böhnhardt zugerechnet werden, nichts mitbekam und unbeteiligt blieb, gilt als weltfremd. Deshalb ist für die Bundesanwaltschaft auch nicht zu bezweifeln, dass Zschäpe kurz vor ihrer Festnahme am 11. November 2011 mehr als ein Dutzend Exemplare der unsäglichen Paulchen-Panther-DVD verschickte, auf denen sich der NSU mehrerer Morde und der Sprengstoffanschläge rühmt.
Die Liste der Vorwürfe ist allerdings noch länger. Zschäpe zündete am 4. November die konspirative Wohnung in Zwickau an. Es kam zu einer Verpuffung, das Haus stürzte teilweise ein. Nur knapp entging eine Rentnerin dem Tod. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hat sich Zschäpe der besonders schweren Brandstiftung und des versuchten Mordes an der Seniorin schuldig gemacht. Zschäpe hat, so argumentieren Ermittler, die Wohnung angezündet, um Spuren zu beseitigen, die auf die gemeinsamen, terroristischen Aktivitäten mit Mundlos und Böhnhardt hinweisen. Das gelang allerdings nur bedingt. Aus den Trümmern holte die Polizei tausende Beweisstücke.
Wo liegen die Schwierigkeiten der Anklage?
Zschäpe, die sich am 8. November 2011, vier Tage nach der Selbsttötung von Mundlos und Böhnhardt, der Polizei gestellt hatte, schweigt zu den Vorwürfen der Ermittler. Die Bundesanwaltschaft ist gezwungen, zahllose Indizien zusammenzutragen und aus der Fülle der Erkenntnisse Beweise zu destillieren. Mutmaßungen reichen vor Gericht prinzipiell für einen Schuldspruch nicht aus. Es muss demnach Zschäpe nachgewiesen werden, dass sie von jedem Mord, jedem Sprengstoffanschlag und vermutlich auch von jedem Raub nicht nur Kenntnis hatte, sondern zumindest unterstützend mitgewirkt hat. Ohne Geständnis eine mühsame Puzzle-Arbeit.
Sollten die Beweise nicht reichen, würde die Bundesanwaltschaft jedoch auf dem Vorwurf beharren, Zschäpe habe zumindest „psychische Beihilfe“ geleistet. In einem anderen, prominenten Fall reichte dieser Anklagepunkt für eine Verurteilung. Im Juli verhängte das Oberlandesgericht Stuttgart vier Jahre Haft gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker. Die Richter hielten Becker für schuldig, die Todesschützen, die 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen, bestärkt und damit unterstützt zu haben. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Offen bleibt ebenfalls, ob Zschäpe alleine angeklagt wird oder zusammen mit mutmaßlichen Komplizen.
Besteht die Gefahr, dass Zschäpe freikommen könnte?
Der 3. Strafsenat des BGH hat zwei Beschuldigte aus der U-Haft entlassen, bei zwei weiteren bewirkte die Bundesanwaltschaft selbst, dass sich die Gefängnistore öffneten. Ermittler halten allerdings das Risiko, Zschäpe könnte in den nächsten Tagen freikommen, für gering. Doch zumindest ein Beschluss des BGH hat die Bundesanwaltschaft irritiert: Im Juni hob der Strafsenat den Haftbefehl gegen André E. auf, der neben Wohlleben vermutlich den engsten Kontakt zu dem untergetauchten Trio hielt – offenbar bis zuletzt. Wenn jemand wie E. freikomme, sei zumindest theoretisch alles denkbar, heißt es in Sicherheitskreisen. Andererseits wird auf den Beschluss verwiesen, mit dem der BGH im Februar die Haftbeschwerde verwarf, die Zschäpes Anwälte eingereicht hatten.
Es bestehe der „Haftgrund der Schwerkriminalität“, sagten die Richter. Und sie bekundeten ihre Sorge, Zschäpe werde im Fall einer Freilassung angesichts der dennoch zu erwartenden, hohen Strafe den „nicht unerheblichen Fluchtanreizen schließlich nachgeben“. Außerdem stand für den Strafsenat zumindest damals fest, Zschäpe habe „durch die Erledigung anstehender logistischer Aufgaben bewusst und gewollt zur Förderung der Ziele des ,NSU’ beigetragen“. Im Mai drängten die Richter die Bundesanwaltschaft, nach einem halben Jahr U-Haft nun bald eine Anklage vorzulegen. Das könnte, heißt es aus Sicherheitskreisen, Ende September oder im Oktober geschehen.
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