- Der Mann, der den Geheimdienst öffnete
Kolumne: Leicht-gesagt. BND-Chef Gerhard Schindler wird abgelöst. Zuvor hatte die Bundesregierung ihm nach Cicero-Informationen einen freiwilligen Rücktritt nahegelegt. Was wird bleiben vom Mann an der Spitze des Nachrichtendienstes?
BND-Chef Schindler muss gehen. Im Kanzleramt ist diese Entscheidung gefallen. Warum, das muss dort weder intern noch öffentlich erläutert werden. Denn Gerhard Schindler ist ein politischer Beamter. Er kann ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.
Schindler kann sich dagegen nicht wehren. Aber er kann sich weigern, freiwillig zu gehen. Nach Informationen von Cicero ist ihm nahegelegt worden, zurückzutreten. Mit 63 Jahren und nach einigen Wochen, die er jüngst krankgeschrieben war, hätte er leicht gesundheitliche Gründen dafür anbringen können. Aber das will er nicht.
Schindler ist Fallschirmspringer. Doch er springt diesmal nicht auf Kommando, sondern wartet, bis er gestoßen wird. Gut möglich, dass die Regierung seine Gesundheit – zumindest intern – als Grund nennt.
Folge des NSA-Skandals
Die Süddeutsche Zeitung, die als erste vom anstehenden Abgang Schindlers schrieb, nannte eine „Kombination unterschiedlicher Ursachen“: Der NSA-Untersuchungsausschuss habe offenbart, dass einige Referate im Dienst ein Eigenleben geführt hätten. Es sei zu Mängeln bei Kontrolle und Aufsicht gekommen, was zwar schon bei früheren Präsidenten ähnlich gewesen wäre. Doch habe man nun eine Zäsur für notwendig gehalten.
Denn der volle Umzug des größten Teils des BND von Pullach und auch innerhalb der Hauptstadt steht bevor. Bis jetzt sind im mächtigen Neubau in Berlin-Mitte, in dem am Ende 6000 Menschen arbeiten sollen, erst einige wenige Abteilungen eingezogen. Der BND solle fortan auch verstärkt auf Cybersicherheit setzen.
Hinzu kommt, dass für dieses Jahr noch ein neues BND-Gesetz geplant ist. Darauf haben sich Regierung und Opposition bereits im November grundsätzlich geeinigt. Der Geheimdienst soll reformiert und durch einen voraussichtlich hauptamtlichen Beauftragten besser kontrolliert werden.
Ein Neuanfang durch und durch also, für den Schindler nicht mehr als der richtige Mann gesehen wird. Wegen des Prism-Skandals und der NSA-Affäre stand er vor drei Jahren unter Beschuss. Doch da war er noch der Neue, im Amt erst seit 2012, der hier vor allem mit den Säumnissen und Altlasten seiner Vorgänger aufräumen musste. Der Volljurist widerstand dem Druck und wurde, obwohl seit Studientagen FDP-Mitglied, auch nach der Abwahl von Schwarz-Gelb nicht ausgewechselt.
BND hat Selektoren geprüft, aber nicht ans Kanzleramt gemeldet
Vor einem Jahr jedoch wurde der BND ungewöhnlich scharf vom Kanzleramt attackiert, und das auch noch öffentlich. Der Dienst wurde angewiesen, „technische und organisatorische Defizite“, wie damals Regierungssprecher Seibert sagte, „unverzüglich“ zu beheben.
Der amerikanische Geheimdienst, so der Verdacht, habe dem deutschen Partnerdienst jahrelang IP-Adressen und Handynummern geliefert. Und der BND habe diese offenbar gutgläubig und gezielt in seine Systeme zur Überwachung des Globus eingespeist. Denn der BND ist ein reiner Auslandsgeheimdienst. Den Amerikanern sei es aber darum gegangen, auf diese Weise selbst Informationen über Freunde zu bekommen, etwa über den Rüstungskonzern EADS, über das Unternehmen Eurocopter oder über französische Behörden. Erst als 2013 die Ausmaße der Spionage der NSA auch in Deutschland deutlich wurden, soll der BND diese Adresslisten, die sogenannten Selektoren, einmal genauer geprüft, die Erkenntnisse aber nicht ans Kanzleramt weitergeleitet haben.
Schindler überstand als Zeuge in einem Untersuchungsausschuss. Doch gegenseitiges Misstrauen zwischen dem B-9-Beamten und seinen Weisungsbefugten im Kanzleramt scheint geblieben zu sein. Beim BND selbst wird der Chef loyal verteidigt als derjenige, der sich an die „Spitze der Aufklärung“ im eigenen Haus gestellt habe.
Unbestreitbar hat Schindler die Phase der Öffnung des BND begonnen. „No risk, no fun“, das nannte er als sein Motto zum Einstieg, was vielen etwas zu lässig erschien. Damit meinte Schindler jedoch, dass der BND operativer, sprich: mutiger als bisher auch in terroristische Netzwerke einsteigen müsse, um zu wissen, was dort geschieht.
Mehr Mut zum Risiko, das wird wohl bleiben von ihm, sozusagen als Vermächtnis. Als zweites: bessere Technik. Schindler hat erreicht, dass der traditionell als etwas verschnarcht geltende BND bis 2020 300 Millionen Euro in neueste Technik für seine Informationsbeschaffung investieren darf. Der dritte Punkt ist mehr internationale Zusammenarbeit. Beim BND wird stolz darauf hingewiesen, dass man mit 451 Nachrichtendiensten in 167 Staaten zusammenarbeite. Solcher Austausch bewährt sich in Krisenfällen, etwa wenn Deutsche im Jemen entführt oder anderswo bedroht oder verschollen sind. Da spielt dann keine Rolle, ob die Helfer Geheimdienste lupenreiner Demokratien sind oder nicht.
Schindlers Transparenzoffensive
Schindlers sichtbarste Maßnahme jedoch war: mehr Transparenz schaffen. Sein Ziel lautet, dass der Bundesnachrichtendienst eine wichtige Institution in der Demokratie ist und sich nicht dafür schämen solle, was er treibt. Also: Raus aus dem Verborgenen, soweit das geht bei einem Geheimdienst.
Außenstellen wurden „de-legendiert“, wie das amtlich heißt. Schilder, auf denen irgendwelche Pseudo-Institute standen, wurden abgeschraubt und ersetzt. Dort steht nun „BND“. Es soll auch für die Mitarbeiter keine Tarnnamen und zweite Identitäten mehr geben.
Auch sollen seit Schindler immer mehr Menschen über die Arbeit des BND informiert werden. Als er vor vier Jahren begann, gab es ganze zwölf Vorträge vor Besuchergruppen im Übergangsdienstsitz des BND in Berlin-Lichterfelde. Im letzten Jahr waren es 270. In Berlin-Mitte wird nun eigens ein Besucherzentrum gebaut. Dort erfahren die Bürger dann von freundlichen Öffentlichkeitsmitarbeitern: Der BND arbeite nicht für den Panzerschrank, sondern als Dienstleister für Regierung wie Opposition. Hunderte Berichte im Monat würden erstellt über die Hintergründe der Krisen dieser Welt.
Das wird auch ohne Schindler so weiter laufen. Sein Nachfolger soll Bruno Kahl werden, Volljurist wie Schindler und derzeit Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium. Er war schon ein enger Vertrauter von Wolfgang Schäuble, als der noch Bundesinnenminister war. Aus dieser Zeit kennt ihn auch noch Schäubles einstiger Staatssekretär Peter Altmaier. Und der kann nun als Kanzleramtschef Schindlers Nachfolger ernennen.
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