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Energiewende - Poker um Geld und Macht

Am Dienstag geht es bei den Koalitionsgesprächen zwischen Union und SPD um Energiepolitik und die Energiewende. Ein heikles Feld, es geht um viel Geld und mächtige Lobbygruppen mischen mit. Einig sind sich die zukünftigen Koalitionäre lediglich darin, dass es eine EEG-Reform geben soll - um vieles andere wird es aber Kämpfe geben

Autoreninfo

Dagmar Dehmer ist Politikredakteurin des Tagesspiegels in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit Umweltthemen und dem Klimawandel

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Am heutigen Donnerstag tritt die Verhandlungsgruppe Energie zum ersten Mal zusammen. Geführt wird sie von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU). Die Erwartungen an die Koalitionsverhandlungen sind groß. Nach einem Jahr gefühlter Stagnation bei der Energiewende gibt es bei den verschiedenen Akteuren vor allem einen Wunsch: Es soll endlich Klarheit herrschen über den weiteren Kurs. Doch weil es so viele Interessen und so viele offene Baustellen gibt, dürfte genau das schwer fallen.

Wo steht die Energiewende?

Seit mehr als einem Jahrzehnt verändern sich Energieerzeugung und -verbrauch in Deutschland dramatisch.

Die Energiewende ist zwar als Begriff erst nach der Atomkatastrophe in Fukushima 2011 auf den Weg gebracht worden. Doch die Entwicklungen reichen viel weiter zurück. Im Jahr 2000 einigten sich die damalige rot-grüne Regierung und die Chefs der vier großen Energiekonzerne auf einen Atomausstieg, und aus dem kleinen Stromeinspeisegesetz aus Wendezeiten wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Trotz der kurzzeitigen Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke 2010 ist der Veränderungsprozess seither im Gang. Im Jahr 2000 lag der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch noch bei 3,9 Prozent, damals wurden 6,8 Prozent des Stroms aus Wind, Sonne, Biomasse oder Wasserkraft erzeugt. 2012 lag der Anteil erneuerbarer Energien beim Energieverbrauch bei 11,8 Prozent, rund ein Viertel des Stroms stammte aus sauberen Energiequellen.

Dass aus Stromkonsumenten immer öfter Produzenten werden, hat Folgen für das Stromnetz, für den Strommarkt und für die Erzeuger von Atom- oder Kohlestrom. Mit dem Bundesnetzplan ist der Ausbau der überregionalen Stromnetze (380-Kilovolt-Ebene) auf den Weg gebracht worden. Es wird aber noch ein paar Jahre dauern, bis diese Leitungen auch real zur Verfügung stehen. Weil immer mehr Wind- und Solarstrom erzeugt wird, sinken die Preise an der Strombörse in Leipzig stetig. Weil Wind- oder Solarstrom keinen Brennstoff brauchen, werden sie quasi kostenlos erzeugt. Der derzeitige Strommarkt funktioniert so, dass jedes Kraftwerk, das höhere unmittelbare Produktionskosten hat, erst dann zum Zug kommt, wenn der erneuerbar erzeugte Strom vermarktet ist. Vor allem Gaskraftwerke, die einen relativ teuren Brennstoff haben, können ihren Strom deshalb nur noch wenige Stunden im Jahr über die Börse vermarkten. Das Ergebnis ist, dass sich viele konventionelle Kraftwerke nicht mehr lohnen.

Dennoch werden sie, um jederzeit die benötigte Strommenge zur Verfügung stellen zu können, für wenige Stunden im Jahr noch gebraucht. Die Bundesnetzagentur ist derzeit die Instanz, die entscheidet, ob ein defizitäres Kraftwerk stillgelegt werden darf oder als unverzichtbar für die Versorgungssicherheit gilt. Das bringt die großen Energiekonzerne, aber auch viele Stadtwerke an den Rand ihrer Profitabilität. Auf der anderen Seite lohnen sich Investitionen in Windräder oder Solaranlagen auch nur deshalb, weil sie bisher über einen Zeitraum von 20 Jahren mit einem festen Preis pro erzeugter Kilowattstunde Strom (EEG) rechnen können. Der derzeitige Strommarkt ist nicht in der Lage, Neuinvestitionen – sei es in erneuerbare Energien oder in flexible Gaskraftwerke – zu refinanzieren.

Wie arbeiten die Lobbyisten?

Jeder kämpft gegen jeden. Die Großen gegen die Kleinen, die klassische Industrie gegen die neue, und alle zusammen wollen sich auf Kosten der Verbraucher sanieren. Eon, RWE, EnBW und Vattenfall erleben das Ende ihres Geschäftsmodells. Ein neues haben sie noch nicht gefunden. Dass RWE-Chef Peter Terium wenige Tage vor Beginn der Koalitionsverhandlungen mit Stromausfällen droht, wenn nicht wieder mehr Geld in konventionelle Kraftwerke fließt, ist kein Zufall. Dabei haben die großen vier sehr unterschiedliche Interessen und treten kaum noch gemeinsam auf. Dabei haben die großen Vier sehr unterschiedliche Interessen.

RWE dürfte es am schwersten haben, sich in der neuen Energiewelt zurechtzufinden. Der Konzern hat sich am längsten gegen den Ausbau erneuerbarer Energien gewehrt, setzt weiterhin auf den Braunkohleabbau im nordrhein-westfälischen Garzweiler und die Verstromung des klimaschädlichsten Energieträgers. Außerdem ist das Unternehmen, an dem vor allem die ohnehin klammen Ruhrgebietsstädte als eine große Anteilseignergruppe beteiligt sind, schwer steuerbar. Schon im Unternehmen sind die Interessenlagen ziemlich widersprüchlich. Zwar hat RWE jahrelang glänzend verdient. Doch die Gewinne der Vergangenheit sind anderweitig investiert worden.

Beispielsweise ins Abfallgeschäft, der Versuch endete 2005 mit der Übernahme von RWE-Umwelt durch den Remondis-Konzern, oder ins Mobilfunkgeschäft in den späten 1990er Jahren. Jedenfalls fehlt es RWE aktuell an der Finanzkraft, um in großem Stil in einen Kurswechsel zu investieren. Das geht den anderen zwar auch so. Im Falle von Vattenfall führt das sogar dazu, dass sich der Konzern mehr oder weniger aus seinem Deutschlandgeschäft zurückzieht. Doch Eon verfügt mit dem Gasgeschäft und seinen Unternehmensstandbeinen im Ausland über eine solidere Basis. Dagegen müht sich EnBW als der Konzern mit der größten Abhängigkeit von Atomstrom mit Hilfe der baden-württembergischen Landesregierung um einen Kurswechsel.

Der von der früheren CDU-Politikerin Hildegard Müller geführte Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat sich mit dem der SPD traditionell nahestehenden Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zusammengetan und einen Vorschlag für einen neuen Strommarkt gemacht. Er klingt zunächst wie ein möglicher Kompromiss aus der Altmaier-Position „strategische Reserve“ für die Versorgungssicherheit und der bevorzugten Ökonomenposition „Kapazitätsmarkt“ als Anreiz für den Bau neuer Kraftwerke. Allerdings sind die Folgen des Konzepts ebenso schwer einzuschätzen wie die von einem guten Dutzend anderer Vorschläge. Nahezu jedes dieser Papiere tarnt eigentlich nur die Eigeninteressen der damit verbundenen Lobbygruppe.

Das gilt für die geplante Reform des EEG allerdings genauso. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) und seine Branchenverbände bangen um Privilegien und drohen mit Jobverlusten sowie mit Deindustrialisierung. Dabei geht es um die neu aufgebaute Hafen- und Werftinfrastruktur für die Offshore-Windenergie. Auf der anderen Seite haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammengetan, um einen allzu raschen Ausbau erneuerbarer Energien zu bremsen – mit dem Argument, das senke den Strompreis. Einigkeit gibt es eigentlich nur darüber, dass die Kosten für die Energiewende ungerecht verteilt sind.

Worüber verhandeln CDU, CSU und SPD in der Energiepolitik?

Peter Altmaier hat mit seiner Strompreiskampagne des vergangenen Jahres hohe Erwartungen geweckt. Allerdings dürfte es den künftigen Koalitionären kaum gelingen, den Strompreis drastisch zu senken. Innerhalb der EEG-Umlage gibt es nur wenige Möglichkeiten zur Kostensenkung. Denn ein Großteil der Kosten sind Zahlungszusagen aus der Vergangenheit oder Aufwendungen, um den niedrigen Börsenstrompreis auszugleichen.

Einig sind sich SPD und Union jedoch darin, dass es schnell eine EEG-Reform geben soll. In einem Eckpunktepapier der SPD-Verhandlungsgruppe, das dem Tagesspiegel vorliegt, ist Ostern 2014 als Termin genannt, um die Grundzüge auszuhandeln. Offenbar wollen weder SPD noch Union das Fördergesetz EEG in einen neuen Strommarkt überführen. Dieser müsste nicht nur die Kilowattstunde Strom honorieren, sondern auch die Bereitstellung von Erzeugungskapazität. Sonst gibt es keine Preissignale, um in die Modernisierung der Stromversorgung zu investieren. Frankreich, Großbritannien, Polen und Belgien tun genau das. Sie schaffen „Kapazitätsmärkte“ oder denken darüber nach. Damit wird in Europa eine Struktur geschaffen, der sich Deutschland nur schwer entziehen kann. Nur abzuwarten würde für Deutschland teuer.

 

 

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