Sie trägt einen großen Namen: Evelyn Esche (l.) in der Pose von Hanni Esche (r.), der Frau von Herbert Eugen Esche. Edvard Munch malte Hanni Esche im Jahr 1905 bei einem Aufenthalt in der Chemnitzer Villa Esche.

Edvard Munch in Chemnitz - Die Kunst des Familienstellens

Im Jahr 1905 schrieb der Maler Edvard Munch in Chemnitz Kunstgeschichte. Seine Bilder der Familie Herbert Eugen Esche weisen bis in die Gegenwart

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Es gibt Städte, denen flattert die Geschichte am Leibe, als wäre sie Mode für Übergrößen. Andere sind aus ihren besseren Zeiten rausgewachsen. In Chemnitz indes schmeißt sich das Gestern noch immer makellos an die Gegenwart ran. Und das, obwohl man in der Stadt zweifelsohne auf den sprichwörtlichen Schultern von Riesen steht. 

Es war im Jahr 1905, als sich am Nordrand des Erzgebirges eine geradezu historische Konstellation auftat: Während sich im gut 80 Kilometer entfernten Dresden gerade der Chemnitzer Künstler Karl Schmidt-Rottluff mit dem aus dem benachbarten Zwickau stammenden Fritz Bleyl sowie mit den Freunden Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner zur Künstlergruppe „Die Brücke“ zusammentat, traf in der Chemnitzer Parkstraße ein Brief von ähnlich kunsthistorischer Bedeutung ein: „Ich [werde] sehr gern ihr Auftrag annehme. […] und werde es mir dann eine grosze Freude machen, ihr Haus zu besuchen“, stand in diesem in schlechtem Deutsch geschrieben. Und weiter: „Ich male ziemlich schnell aber brauche einige Tagen um die Modellen zu studieren.“ 
 

Kultiviert bis in die Scheitelspitze: Edvard Munch „Herbert Esche in der Bibliothek“, 1905, (r.) 
dargestellt von Sebastian Esche (l.).  / Fotos: (l.) Christoph Mack; Kostüm: Theaterkunst Berlin / (r.) Foto: Kunsthaus Zürich, Leihgabe der Herbert Eugen Esche-Stiftung, 1997


Verfasser war niemand Geringeres als Edvard Munch, ein damals aufstrebender Maler, der bald zum Fixstern der Moderne werden sollte. Adressiert hatte er seine Zeilen an den Chemnitzer Strumpffabrikanten Herbert Eugen Esche. Dessen Architekt Henry van de Velde hatte Munch gebeten, Porträts seiner Familie anzufertigen – als da wären Ehefrau Hanni, die Kinder Erdmute und Hans sowie er selbst: Herbert Eugen Esche, Kunstmäzen, Industrieller und Bauherr einer noch heute weltberühmten Villa auf dem Kapellenberg.

Große Posen und edle Familien-Noblesse

Sechs Porträts und eine Landschaft sind es am Ende geworden. Noch heute stehen sie repräsentativ für die expressive Malerei des eigenbrötlerischen Norwegers, der mit seinem emotionale Stil in keine Schublade passt. Zusammen mit der Architektursprache van de Veldes sowie mit der ebenfalls von van de Velde geschaffenen Innenausstattung seiner Villa – einem Juwel an der Grenze von Jugendstil und Bauhaus – formte Herbert Eugen Esche aus dieser ein Gesamtkunstwerk. Doch Esche, Munch und all die anderen, sie sind nicht nur Figuren aus einer entfernten Geschichte. In Chemnitz leben die Esches noch immer. 
 

Auch Rolf Esche (l.) fügt sich in die Pose von Herbert Eugen Esche, 
wie sie von Edvard Munch im „Bildnis Herbert Esche“ von 1905 vorgegeben wurde (r.).  
/ Fotos: (l.) Christoph Mack; Kostüm: Theaterkunst Berlin / (r.) Kunsthaus Zürich, Leihgabe der Herbert Eugen Esche-Stiftung, 1997

 

Nicht weniger als 14-mal findet sich ihr Name im Telefonbuch. Nicht alle sind sie Nachfahren des großen Industriellen, dessen Ahnen einst aus dem sächsischen Limbach kamen. Doch dessen große Posen und die edle Familien-Noblesse beherrschen die Esches noch immer. Das belegen besonders die Chemnitzer Sebastian, Rolf und Evelyn Esche, die für Chemnitz Capital in die Rolle ihrer großen Namensvetter geschlüpft sind. In Chemnitz schmiegt sich die Geschichte eben makellos an die Gegenwart. Und zusammen kreieren sie ein ganz neues Bild.

 

Dies ist ein Artikel aus dem Sonderheft „Chemnitz Capital“ von Cicero und Monopol.
 

 

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