Auf diesem Foto aus einem vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichten Video wirft eine russische Drohne Sprengstoff an einem ungenannten Ort in der Region Donezk ab / picture alliance

Zukunft der Drohnenkriegsführung - Blaupause Ukrainekrieg

Seit Jahren wird behauptet, dass Drohnen die Zukunft der Kriegsführung seien. Mittlerweile haben Militärs auf der ganzen Welt damit begonnen, verstärkt in neue Drohnentechnologien zu investieren. Ein Grund: der vielseitige Drohneneinsatz im Ukraine-Krieg.

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Ronan Wordsworth ist Analyst bei Geopolitical Futures.

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Seit Jahren wird behauptet, dass Drohnen die Zukunft der Kriegsführung seien. Ihre Vorteile liegen auf der Hand: Sie sind leicht und wendig und können Lasten abwerfen, ohne das Leben ihrer Bediener direkt zu gefährden. Die Vereinigten Staaten haben sie bei ihren Feldzügen in Afghanistan und im Irak ausgiebig verwendet, um Präzisionsschläge und groß angelegte Einsätze durchzuführen. Die von den USA eingesetzten Drohnen waren jedoch teuer und komplex (und wiederverwendbar). 

Außerdem setzten sie hochentwickelte Mehrzwecktechnologien ein, die sich deutlich von den kleineren, billigeren Schwarmdrohnen unterscheiden, die bisher im Ukraine-Krieg so prominent in Erscheinung getreten sind und deren Einsatz in gewisser Weise revolutioniert wurde. Verteidigungsbeamte und militärische Führungskräfte sind sich dessen bewusst, und obwohl es einige offensichtliche Nachteile hat, sich zu sehr auf unbemannte Luftfahrzeuge zu verlassen, werden ihre Drohnen-Pläne die künftige Rüstungsindustrie entsprechend beeinflussen.

Günstige Drohnen als Einweg-Angriffsflugkörper

Da sich der Begriff „Drohne“ auf jedes ferngesteuerte Luftfahrzeug bezieht, gibt es eine große Bandbreite an Möglichkeiten und Verwendungszwecken. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die meisten technologischen Fortschritte darauf konzentriert, wie Drohnen gegen Landziele eingesetzt werden können. Die USA verfügen über eine riesige Flotte dieser Art von Drohnen, die Aufgaben wie die Durchführung von Streumunitions- und Präzisionsschlägen, Fernüberwachung aus der Luft und Zielerfassung übernehmen. (Zum Vergleich: Eine Gray-Eagle-Drohne und eine Reaper-Drohne, die beide Präzisionsschläge ausführen, kosten mehr als 20 bzw. 30 Millionen Dollar). 

Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass diese Waffen zwar immer einen Platz in modernen Militärarsenalen haben, dass aber auch andere, weniger hoch entwickelte Drohnen auf dem Schlachtfeld vertreten sein werden. Dazu gehören kleine, kommerziell hergestellte Drohnen, die in erster Linie als Einweg-Angriffsflugkörper eingesetzt werden, aber zunehmend auch für Ziel-, Aufklärungs- und Überwachungsoperationen Verwendung finden. Das ständige Dröhnen der Drohnen über den Köpfen hat auch Auswirkungen auf die Psyche der Truppen, die in Positionen kämpfen, von denen sie wissen, dass sie dort ungeschützt sind.

Seit Beginn des Krieges hat Russland „stumme“ Angriffsdrohnen eingesetzt, um seine Raketenangriffe auf die ukrainische Infrastruktur zu ergänzen – Hunderte von Drohnen mit Sprengstoff, die alle auf einmal losgehen. Präzision ist nicht das Ziel; niemand erwartet, dass alle Drohnen treffen. Das Ziel ist vielmehr ein zweifaches: Es sollen genug Drohnen durchkommen, um ein Gebiet zu beschädigen, und die Ukraine soll einen angemessenen Aufwand betreiben müssen, um sie abzuwehren.

Auch Patrouillenboote und Landungsboote versenkt

Die russischen Luftfahrzeuge sind derart effizient, dass Moskau versucht hat, sein Arsenal mit iranischen Shahed-131- und 136-Drohnen zu verstärken. Berichten zufolge kaufte Russland im Jahr 2003 insgesamt 6000 136er-Drohnen für 193.000 Dollar pro Stück, baut jetzt aber seine eigenen unter Lizenz von Teheran. Seitdem hat es mit ihnen erfolgreich ukrainische Stellungen in einer Entfernung von bis zu 2000 Kilometern angegriffen.

Die Ukraine hat derweil ihre Luftabwehr auf die Bedrohung eingestellt. Mit Hilfe eines zunehmend effektiven Frühwarnsystems, das aus fest installierten Radar-, elektro-optischen und akustischen Sensoren besteht, konnte sie nach Angaben des ukrainischen Militärs im Mai 94 Prozent der ankommenden Shaheds abfangen. Ein vielseitiges Konzept für den Abschuss dieser Flugkörper durch spezialisierte Teams wird derzeit noch entwickelt und verfeinert. Wenn sie erfolgreich sind, werden sie künftig wahrscheinlich von Militärs auf der ganzen Welt eingesetzt werden.

In der Zwischenzeit hat Kiew nach Möglichkeiten gesucht, seinerseits Drohnen offensiv einzusetzen. Angesichts des knappen Budgets haben die Ukrainer sich dazu entschieden, ihre eigene Produktion zu verbessern. Die AQ 400 Scythe beispielsweise ist eine kostengünstige Drohne aus Sperrholz, deren Herstellung weniger als 15.000 Dollar kostet, während die AQ 100 Bayonet (eine Artillerie-Spotting- und Loitering-Munitionsplattform mit doppeltem Verwendungszweck) mit rund 2000 Dollar pro Stück sogar noch günstiger ist. Diese kleinen Drohnen sind in der Lage, eine Vielzahl von Kameras, Sensoren und kinetischer Munition zu tragen. Vorigen Monat wurden sie effektiv als Flammenwerfer eingesetzt, als sie Thermit in russische Schützengräben warfen.

Ukrainische Drohnen haben sich auch gegen Seestreitkräfte bewährt. Sie haben Patrouillenboote und Landungsboote versenkt und Korvetten mit Schwärmen von hochmanövrierfähigen, präzisen Überwasserfahrzeugen zerstört. Das Magura V5 USV (unbemanntes Oberflächenfahrzeug), das in der Herstellung 273.000 Dollar kostet, hat mindestens acht russische Marineschiffe versenkt. Moskau hat Schwierigkeiten, sich gegen diese Angriffe zu verteidigen, obwohl es seine Seestreitkräfte in den letzten zehn Jahren weitgehend modernisiert hat. In Kombination mit Raketenangriffen ist es der Ukraine gelungen, etwa ein Drittel der gesamten russischen Schwarzmeerflotte auf billige Weise zu versenken – und das ohne eine eigene traditionelle Kriegsflotte.

Washington, Paris und London

Es überrascht daher nicht, dass Militärs auf der ganzen Welt damit begonnen haben, verstärkt in neue Drohnentechnologien zu investieren. Im Rahmen der als Aukus bekannten australisch-britisch-amerikanischen Sicherheitspartnerschaft werden beispielsweise maritime offensive und defensive Drohnenfähigkeiten für den Einsatz in integrierten Systemen entwickelt. Bestehende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu älteren Drohnen werden nun auf kleinere Schwarmdrohnen angewandt, und es werden Gegenmaßnahmen gegen Schwarmdrohnen formuliert.

Nachdem man sich in der Ukraine von der Effektivität der Drohnen überzeugt hat, bemühen sich Washington, Paris und London darum, dass ihre Arsenale der Aufgabe gewachsen sind. Im August 2023 startete das US-Verteidigungsministerium das Replicator-Programm, um Zehntausende von autonomen Systemen für die See- und Luftstreitkräfte zu entwickeln – angeblich, um China zu bekämpfen und die Abschreckung gegenüber Taiwan zu erhöhen. Das milliardenschwere Programm, das in zwei Jahren abgeschlossen sein soll, wird große Flotten billiger Drohnen umfassen, die potenzielle Gegner überwältigen können. Als integriertes Netzwerk haben Tausende von Drohnen, die gleichzeitig angreifen, das Potenzial, traditionelle Marine-, Luftwaffen- und Armeeeinheiten in ihrem jeweiligen Gebiet herauszufordern.

Auch die Türkei und der Iran – zwei der produktivsten Drohnenhersteller der Welt – nutzen ihr Knowhow für geopolitische Zwecke. Und viele afrikanische Regierungen sind zu der Erkenntnis gelangt, dass sie Drohnen brauchen, um ihre riesigen Gebiete zu überwachen – wobei Ankara und Teheran dies in für sie selbst günstige Handels- und politische Beziehungen ummünzen. Ihre Drohnen sind vielleicht nicht so ausgeklügelt wie die amerikanischen, aber ihre schnelle Produktion, ihre günstigen Baukosten und ihre erwiesene Wirksamkeit machen sie nicht weniger begehrenswert. 

„Combined Arms“-Doktrin

All diese Faktoren machen Drohnen auch für nichtstaatliche Akteure wie die Huthis im Jemen attraktiv, die Schiffe auf dem Roten Meer mit vom Iran gelieferten Raketen und Drohnenschwärmen angegriffen haben. Die Kosten für die Abwehr solcher Angriffe sind um eine Größenordnung höher als die Kosten für die Herstellung der Drohnen selbst, was zeigt, wie wirtschaftlich Drohnen sein können, wenn sie richtig eingesetzt werden.

Traditionelle Militäraktionen folgen der so genannten „Combined Arms“-Doktrin, die den gemeinsamen Einsatz verschiedener Kräfte vorsieht, um ein Militär stärker zu machen als die Summe seiner Teile. Drohnen sind lediglich ein weiterer Teil dieser Doktrin. In gewisser Weise werden sie die Schlachtfelder der Zukunft verändern, nicht aber die Grundlagen des Krieges an sich. Sie werden nicht die Notwendigkeit von Bodentruppen ersetzen, sondern die „traditionellen“ militärischen Fähigkeiten unterstützen und ergänzen. Deshalb ist zu erwarten, dass sie noch stärker in die konventionellen Militärdoktrinen integriert werden. Die Drohnenkriegsführung in der Ukraine hat eine Art Blaupause dafür geliefert, wie das aussehen wird.

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Dr. Oliver Strebel | Di., 15. Oktober 2024 - 13:34

Als Munition empfiehlt sich Vogelschrot (bis ca 50 m) und Treibspielgel-Schrotpatronen (bis ca 150 m). Davon braucht große Mengen.

Seit über 2 Jahren sehe ich, wie man mit Sturmgewehren das fiese Drohnenzeugs nicht trifft. Und wenn dann die Munition aus ist, werfen die Soldaten mit Steinen danach. Das Leiden der Soldaten auf dem gläsernen Gefechtsfeld ist unbeschreiblich. Diese Drohnen fliegen im Schützengraben oder kommen hinterm Gebüsch hervor.

An alle die jetzt lachen. Im Februar 1993 habe ich an der Heeresartillerieschule einen Vortrag über die Kampfdrohne Taifun gesehen. Meine Reaktion war darauf: over-engineered. Wir brauchen Billig-Plastikflieger mit Billig-Videokameras, die zB. eine Tandem-Hohlladung ins Ziel transportieren können. Und zwar MILLIONEN davon. Das Gelächter und Kopfschütteln der Vorgesetzten war groß.

Aber genau dieses Szenario bestimmt jetzt den Kampf in den Schützengräben der Ukraine.

Tomas Poth | Di., 15. Oktober 2024 - 14:07

Eine kostengünstige Waffe zur Feindaufklärung und Feineinsatz, die zielgenau Zerstörung bewirkt.
Als Schwarm eingesetzt auch schwer zu bekämpfen.

Walter Bühler | Di., 15. Oktober 2024 - 20:12

... wurden auch die Waffen für den folgendden, den großen Krieg getestet.

Der Ukraine-Krieg und der neue Palästina-Krieg scheinen eine ähnliche Funktion zu haben.

Nur ein schlechter Alptraum?

Jochen Rollwagen | Di., 15. Oktober 2024 - 20:32

Rußland hat diesen Krieg vor allen deshalb vom Zaun gebrochen weil Putin und seine Generäle sich sicher waren, daß man die Ukraine nach "bewährter" russischer Vorgehensweise einfach mit der schieren Masse an Material überrollen könnte, das noch in den alten Soviet-Lägern vor sich hingammelte. Und die Menschen die es dafür braucht sind in Rußland eh wurscht.

Daß man einen Panzer, der für zig-tausende Dollar (nicht Rubel) wieder instand gesetzt und an die Front transportiert wurde mit einer Billig-Drohne für knapp 2.000 Dollars kaputt machen kann (und das unglaublich präzise, viel präziser als mit Artillerie oder Minen - die Drohnen fliegen zentimeter-genau in jede Ritze) hatten sie nicht auf dem Schirm. Selbiges gilt für Artillerie-Geschütze, gepanzerte Fahrzeuge, Radar-Systeme, Flugabwehr...... Sogar ein Drittel der Schwarzmeer-Flotte ist kaputt, die Ukraine hat auch See-Drohnen entwickelt.

Das haben die Kreml-Strategen bis heute nicht verstanden.

Und nu sind die Läger leer und die Schiffe machen auf U-Boot.

Dumm gelaufen.

Keppelen Juliana | Mi., 16. Oktober 2024 - 11:28

Kriege zu vermeiden. Der Ukrainekrieg ist der allerunnötigste Krieg und wäre mit zwei Federstrichen vermeidbar gewesen. Aber der Reiz Russland schwächen zu wollen war für die Natoführung zu mächtig. Dazu noch ohne eigene Soldaten einsetzen zu müssen als Kanonenfutter nur die Waffen und Logistik sowie Berater bereitzustellen da freut sich das Natoführerherz. Irgendwann wird man verhandeln müssen und man wird sich die Frage stellen müssen war es das Wert.