- „Kultur ist nicht immer das Gute“
Das Goethe-Institut muss Häuser schließen und Stellen streichen. Instituts-Präsidentin Carola Lentz spricht im ausführlichen Interview über globale Neuausrichtungen, neue Kulturkämpfe und den Missbrauch von Kunst.
Carola Lentz ist seit November 2020 Präsidentin des Goethe-Instituts. Sie ist zudem Seniorforschungsprofessorin am Institut für Ethnologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Frau Lentz, während wir miteinander reden, ist im Goethe-Institut in Bordeaux zeitgleich die Sprachanimation „Goethes grüner Daumen“ zu hören wie zu sehen. Das müsste das für die deutschen Kulturinstitute im Ausland zuständige Auswärtige Amt eigentlich freuen: Kultur und Ökologie und das Hand in Hand. Und dennoch soll das Institut in Bordeaux jetzt geschlossen werden – zusammen mit zahlreichen weiteren Instituten in Frankreich und in Italien. War dem grün geführten Ministerium der Nutzen auswärtiger Kulturpolitik nicht mehr zu vermitteln?
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Empfehlenswertes Studienobjekt ist die gegenwärtige Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Hamburg. Während die ursprüngliche Bedeutung Friedrichs allegorischer Bilderwelten aus dem Fokus rückt, werden Brücken zu Klima"katastrophe" und Rassismus geschlagen. Schön, dass die Besucher erklärt bekommen, was sie zu denken haben.
Danke für dieses sehr anregende Interview. Die "klare Grenzziehung" hat die Völkerrechtlerin im AA bereits gezogen. Die abwägende Ethnologin hat es bei dieser Konstellation schwer.
Interessantes Interview.
"Überall ist Vielfalt. Im Moment aber haben einige Menschen tatsächlich Interesse daran, an eine klare Grenzziehung zu kommen"
Eine der großen Fragen, die überall auftaucht. Klar sind alle Gruppenbildungen auch künstlich definiert und die Gruppen in sich vielfältig. Was ich am deutschen Zeitgeist sehr negativ finde ist, dass er daraus schließen will, dass es eigentlich keine Gruppen gibt, sondern Eine Menschheit mit universellen Werten und Aufgaben. Auch zB Menschenrechte sind kein scharf definierter Begriff, sie tragen in sich Widersprüche und Ausfransungen zu anderen Begriffen - gibt es deswegen keine Menschenrechte? Der Menschbegriff an sich ist nicht scharf - was sich etwa bei Fragen der Abtreibung oder des Freitods zeigt. Würde man aus nicht-vorhandenen klaren Gruppendefinitionen schließen, dass es keine Türken gibt, die sich irgendwie sinnvoll von Norwegern unterscheiden? Natürlich kann man es so sehen - aber nicht mehr als alle anderen Setzungen auch?
Mir kommt es so vor, dass oft Menschen, die von Vielfalt reden, einen zu engen Horizont haben und keine Alternative dazu sehen, dass die Menschheit dem eigenen Denken beitritt. Man konzentriert sich auf die Fälle, in denen Menschen aufgrund vordergründiger Merkmale (und engem Denken) aus sehr bestimmten Gruppen ausgeschlossen werden, und sieht alle anderen Aspekte nicht.
Das scheint mir eine wichtigere Frage.
Das Interview soll aber auch nicht darauf reduziert werden - es stellt glaube ich die Situation des Goethe-Instituts nachvollziehbar dar.