Demonstranten der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) / picture alliance

Warnstreik im öffentlichen Dienst - Die Falschen streiken für das Falsche

Der heutige Bahnstreik ist in Wahrheit eine Machtdemonstration der Bahngewerkschaft EVG, die ihre Rolle im Konzern stärken will und Bremserin bei Reformen ist. Dafür haben viele Kunden kein Verständnis. Und ob es am Ende den Mitarbeitern nutzt, ist offen.

Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Das Streikrecht ist ein hohes Gut. Es schafft einen Machtausgleich zwischen dem Kapital und der Arbeitskraft, oder konkret: zwischen den Unternehmen und ihren Arbeitnehmern. Das Streikrecht ist hart erkämpft worden, von und mit den Gewerkschaften – und so sind sie zusammen mit dem Streikrecht Eckpfeiler unseres sozialen Gemeinwesens. 

Das darf man sich ruhig auch vor Augen führen, wenn man sich heute über die bundesweite Arbeitsniederlegung aufregt und ärgert. Nur leider streiken heute die Falschen für das Falsche, so muss es einem leider erscheinen. Und leider sind heute auch Gewerkschaften manchmal nur ein Schatten ihrer selbst; fast eine Karikatur der Gewerkschafts-Idee.

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Hans Jürgen Wienroth | Mo., 27. März 2023 - 14:45

Gibt es die Verbindung in die Politik nicht bei allen Gewerkschaften? Warum ist Hubertus Heil IGM-Mitglied, obwohl nie im Metallberuf tätig? Mischt sich die Politik nicht bei der Bahn (wie im ges. ÖPNV) auf allen Ebenen ein und bestimmt den Kurs? Warum sitzen an den Spitzen Politiker statt Fachleute für Verkehr? Es gibt vieles, das man bemängeln kann. Das auf die Mitarbeiter (MA) abzuladen, ist falsch!
Bund, Länder und Kommunen geben viel Geld aus, vieles davon kann gespart werden. Jetzt sollen die MA zum wiederholten Mal verzichten, weil die Arbeit so sicher sei und in der Folge wird der Betrieb wieder EU-weit ausgeschrieben. Bei der letzten Runde wurde eine Einmalprämie gezahlt, das Grundgehalt blieb gleich. Will man jetzt wieder bei „0“ anfangen? Die Inflation ist für alle gleich, sie darf nicht zu Lasten der MA gehen, wie sich die Politik das vorstellt. Sollen die MA indirekt das Deutschlandticket und die Investitionen finanzieren, während Politiker weiter für AR-Mandate kassieren?

... auch ich denke, dass Herr Resing schief liegt mit vielen seiner Argumente. Zum einen wird nach wie vor jeder Euro Mehrverdienst zwischen 25 und 30 % besteuert, das macht schon mal 1/4 bis 1/3 weniger Netto vom Brutto (lustig, diese völlig verschwundene, nie für Geringverdiener gemeinte FDP-Parole!).
Zum zweiten kann es doch nicht sein, dass - m.E. deutlich überbezahlte - Funktionäre im Bahnvorstand + Politikerspezl ein Argument GEGEN Lohnerhöhungen für die Masse der Bahnmitarbeiter sein sollen, was ist denn das für eine Idee?
Und nachdem ich relativ viel mit der Bahn fahre, kann ich sagen, dass ich die dort ihren Dienst Tuenden seit ca. 30 Jahren noch nie beneidete, da habe ich die Nacht- und Wochenendschichten und den 9-Euro-Ticket-Horror für die armen DBler:innen aber noch garnicht im Auge, sondern nur den "normalen Job" - oft übervolle und/oder verspätete Züge, im Gefolge meckernde bis agressive Fahrgäste, Unterbesetzung und Aushilfs-Sonderschichten für die "Abkommandierten" ...

Gerhard Lenz | Mo., 27. März 2023 - 15:40

Und das, so hoffen die Streikenden, sollte ein "Mehr" bei der nächsten Gehaltszahlung sein.

Streiks sind unbeliebt, es gibt immer Dritte, die regelmäßig darunter leiden - in diesem Fall jene, die Versorgungsleistungen der öffentlichen Betriebe in Anspruch nehmen. Auf deren Befindlichkeiten müssen die betreffenden Arbeitnehmer aber keine Rücksicht nehmen. Davon abgesehen soll(t)en für essentielle Dienste Beamte zur Verfügung stehen, die eigentlich nicht streiken dürfen.

Niemand kann behaupten, dass die Beschäftigten der öffentlichen Dienste in der Vergangenheit keine Zurückhaltung geübt haben. Es ist schlichte Verlogenheit, bei Kritik an unverschämten Bonizahlungen an irgendwelche (manchmal auch noch gescheiterten) Manager sofort über Sozialneid zu klagen, dem durchschnittsverdienenden Streikenden aber Maßlosigkeit vorzuwerfen.
Eins ist klar: Angesichts einer knapper werdenden Arbeitnehmerzahl wird man Arbeit attraktiver gestalten müssen.
Der flache Staat ist keine Lösung.

Gabriele Bondzio | Mo., 27. März 2023 - 17:31

Dieser Aussage kann ich voll zustimmen, werter Herr Resing. Denn meiner Meinung nach sollten Lohnabhängige durchaus das Recht haben, für für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen auf die Straße zu gehen.

Die Kooperation der Gewerkschaften mit Fridays for Future ist allerdings ist allerdings sehr seltsam und fällt hier mal ausnahmsweise mit dem im Ziel zusammen...aufhalten des Verkehrs. Ansonsten sind die Ziele der Streikenden und Kleber kaum unter einen Hut zu bringen.

Allerdings ist auch zu erkennen, dass der Streik auch politische Hintergründe hat. Die Bestreikten sind ja auch "öffentliche und De-facto-Staatsunternehmen".

Zumal auch die jetzt erzielten höhereTarifabschlüsse den Begünstigten nur für kurze Zeit hilfreich sind, wenn es beim gegenwärtigen Krisenkurs (Energieträger) bleibt.
Denn die Regierung hat die Spirale in Gang gesetzt.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 27. März 2023 - 21:51

Dass die meisten Gewerkschaftsfunktionäre in Parteien vor allem SPD, aber auch CDU sind, gar in Parlamenten sitzen ist ja nicht neu. Das sie natürlich auch parteipolitisch agieren hat hier niemand mehr vom Hocker. Das einige dieser Funktionäre gerne ins Fernsehen und mal richtig in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit rücken wollen, gerne auch mit spektakulären Forderungen und Aktionen ist doch inzwischen Tagesgeschäft. Es ist aber nicht die Schuld der Arbeitnehmer der Bahn, wenn die Politik mit 49 € Tickets die Bahn zusätzlich schädigen. Das kann kein Argument sein für Nullrunden oder gar Forderungen für die Galerie. Da Spiel der Arbeitgeber, sie können nicht bezahlen und die überhöhten Forderungen, um irgendwann zum Kompromiss zu kommen ist doch uralt. Also wird es auch jetzt wieder gespielt, eben nur etwas kräftiger in die Tastatur gehauen und lauter. Aha, die Gewerkschaften verhindern also Erneuerung und Fortschritt. Wirklich? Oder verhindern sie nur die Streichung weiterer Stellen.

Norbert Heyer | Di., 28. März 2023 - 12:08

Es gibt faktisch keine Arbeiter-Vertretung mehr. Es sind im Grunde alles weichgespülte links-grüne Funktionäre, die auf Kosten der Mitglieder vorzüglich versorgt sind. Bevor der Rest der Arbeiterschaft auch noch den Abflug macht, hat man das große Besteck herausgeholt. Wenn ein normales Unternehmen eine derartige Lohnforderung von 13% und einer Pauschale neben den hohen Energiekosten und Material-Verteuerungen stemmen müsste, ginge es pleite, würde nach Habeck nur aufhören, zu produzieren. Die Bahn wurde rationalisiert bis zum Abwinken, die Post hat mittlerweile einen Kundenservice im Nullbereich. Jetzt kommt das 49-Euro Ticket und das wird unerbittlich aufzeigen, was für ein erbärmlicher Dienstleister die Bahn ist. Das wird ein Offenbarungseid werden, der die langjährige Unfähigkeit der jeweiligen Vorstände gnadenlos offenlegt. Die Bahn wird niemals den Individualverkehr abschaffen, dass wird dieses schwachsinnige Experiment eindeutige beweisen. Die Bahn ist der große Verlierer.

Die Vorstände der Bahn sind doch ausgeschiedene (abgehalfterte?) Politiker, die einen Versorgungsposten brauchen. Können die wirklich das Unternehmen vernünftig managen?
Die Äußerung des Bahnvertreters im ÖRR-TV, dass man jetzt nach dem Streik erst einmal ein neues, niedrigeres Angebot der Gewerkschaft erwarte, zeigt die Überheblichkeit der Politik.