Pressekonferenz Koalitionsvertrag
Fortschritt wohin? Auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Koalitionsvertrages / dpa

Ampel-Regierung - Ein Kessel Buntes

Zwei Monate nach der Bundestagswahl haben sich SPD, Grüne und FDP auf die Bildung einer Ampel-Regierung geeinigt. Heute wurde der Koalitionsvertrag offiziell vorgestellt. Was ist dran an den Versprechen einer „umfassenden Erneuerung unseres Landes“ und dem „Aufbruch“ in Sachen Klimawandel, Digitalisierung, Sicherung des Wohlstands und sozialer Zusammenhalt? Die Cicero-Redaktion analysiert die Details des Koalitionsvertrages.

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Innenpolitik

Gesellschaftspolitisch geht die Ampelkoalition neue Wege, etwa beim Staatsbürgerschaftsrecht: „Dafür werden wir die Mehrfachstaatsangehörigkeit ermöglichen und den Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfachen. Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren. Eine Niederlassungserlaubnis soll nach drei Jahren erworben werden können“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Der umstrittene Paragraf 219a soll aus dem Strafrecht verschwinden. Damit wird ermöglicht, dass Ärzte Informationen über Abtreibungen bereitstellen, ohne Strafverfolgung befürchten zu befürchten.

Bei der Inneren Sicherheit ist zum Teil die Handschrift der Grünen zu erkennen, etwa beim Punkt: „Wir verbessern die Erfassung der politisch motivierten Kriminalität, z.B. in Hinblick auf frauen- und queerfeindliche Hasskriminalität.“ Im Vordergrund steht natürlich der Kampf gegen Rechtsextremismus, gleichzeitig hat auch der Linksextremismus Eingang gefunden in den Koalitionsvertrag: „Wir treten allen verfassungsfeindlichen, gewaltbereiten Bestrebungen entschieden entgegen – ob Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien, Linksextremismus oder jeder anderen Form des Extremismus.“

Cannabis und Polizei

Die Polizei erwartet die Einführung eines „unabhängigen Polizeibeauftragten für die Polizeien des Bundes als Anlaufstelle beim Deutschen Bundestag mit Akteneinsichts- und Zutrittsrechten“. Zudem will die Koalition die „pseudonyme Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten“ einführen. Bei der aus Sicherheitskreisen immer wieder geforderten Videoüberwachung gibt es immerhin einen Kompromiss: „Videoüberwachung kann die Präsenz einer bürgernahen Polizei nicht ersetzen, sie aber an Kriminalitätsschwerpunkten ergänzen.“

Einer der Punkte, der schon lange durchgesickert war: Die Koalition legalisiert Cannabis. Dazu heißt es: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch  wird  die  Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.“

In Demokratiefragen beinhaltet der Vertrag verschiedene Initiativen für eine stärkere Bürgerbeteiligung. So sollen bei Gesetzgebungsverfahren „öffentliche Kommentierungsmöglichkeiten“ erprobt werden. Bürgerräte sollen „zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag“ eingesetzt werden. Auch das Petitionsverfahren soll gestärkt werden.

Mehr Transparenz soll auch bei der Parteienfinanzierung herrschen: Dazu soll das Lobbyregistergesetz geschärft werden: „Kontakte zu Ministerien ab Referentenebene“ sollen einbezogen und „der Kreis der eintragungspflichtigen Interessenvertretungen grundrechtsschonend und differenziert erweitert“ werden. Die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung von Parteispenden wird auf 35.000 Euro herabgesetzt. Spenden und Mitgliedsbeiträge, die in der Summe 7.500 Euro pro Jahr überschreiten, werden im Rechenschaftsbericht veröffentlichungspflichtig.

Wahlrechtsreform und Bürgergeld

Spannend wird die Frage, ob es der Koalition gelingt, das Anwachsen des Bundestags zu beenden: Eine Wahlrechtsreform mit diesem Ziel soll bereits im ersten Jahr stattfinden. Interessant sind die Ideen zur Verlängerung der Legislaturperiode  auf  fünf  Jahre  sowie  zur  Begrenzung der Amtszeit des Bundeskanzlers. Allerdings sind die Formulierungen hier maximal schwammig.

Klar ist die Koalition dagegen in ihrem Vorhaben, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken: Das soll sowohl für Europawahlen gelten – als auch für die Wahl zum Bundestag. Hierzu ist allerdings eine Zweidrittelmehrheit notwendig, was zumindest ein Fragezeichen hinter dem Vorhaben lässt.

Eine klar linke Handschrift ist in der Sozialpolitik zu finden: So soll eine Kindergrundsicherung eingeführt werden – und HartzIV wird durch ein „Bürgergeld“ ersetzt.

Wie ein roter Faden ziehen sich durch den Koalitionsvertrag die Digitalisierung und die Entbürokratisierung. Dadurch soll das Land bürgerfreundlicher – und etwa Planungsverfahren beschleunigt werden. Die Planungsdauer, so das Versprechen, sollen um die Hälfte verkürzt werden. Von einem „Digitalcheck“ ist die Rede, der im Vorfeld von  Gesetzgebungsverfahren stattfinden soll.  Moritz Gathmann

 

Außenpolitik

In der EU- und in der Außenpolitik sind von der Ampel-Koalition keine fundamentalen Richtungswechsel zu erwarten, erkennbar ist allerdings eine klare Tendenz hin zur weiteren Vergemeinschaftung innerhalb der Europäischen Union. Zunächst heißt es allerdings sehr deutlich: „Wir werden eine Regierung bilden, die deutsche Interessen im Lichte europäischer Interessen definiert.“ Damit anerkennen die Koalitionäre nicht nur, dass eine entsprechende Strategie bisher nicht vorhanden war. Sondern sie wagen sogar auszusprechen, dass nationale und europäische Interessen nicht unbedingt deckungsgleich sein müssen. Das dürfte insbesondere den Grünen und der SPD nicht leicht gefallen sein. Tatsächlich ist es allerhöchste Zeit, diese Realität auszuformulieren, ebenso wie eben die Tatsache, dass die Bundesrepublik praktisch während der gesamten Merkel-Ära keine wirkliche außenpolitische Strategie hatte.

Die Koalitionäre sprechen sich erwartungsgemäß für eine regelbasierte und multilaterale Weltordnung aus sowie für die Weiterentwicklung der EU zu einem föderalen „Bundesstaat“, der dezentral und nach dem Grundsatz der Subsidiarität organisiert sein soll. Man strebt auf EU-Ebene ein einheitliches europäisches Wahlrecht mit transnationalen Listen an und will die Arbeit des Rats der EU-Regierungschefs transparenter gestalten. Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit (insbesondere wohl mit Blick auf Polen oder Ungarn) sollen konsequenter geahndet werden können; der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll gestärkt werden. Insbesondere der letztgenannte Punkt ist alles andere als unproblematisch, weil der EuGH ohnehin schon über sehr weitreichende Kompetenzen verfügt, die ihm nicht unbedingt zustehen.

Ampel-Wille und europäische Wirklichkeit klaffen auseinander

„Wir setzen uns für eine echte Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Einstimmigkeitsregel soll entsprechend durch Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit ersetzt werden. Das ist keine neue Forderung, wird aber nicht in Berlin entschieden. Insofern ist vorerst keine neue Dynamik zu erwarten. Ähnliches gilt für eine verstärkte Zusammenarbeit nationaler Armeen innerhalb der EU. Deutscher Ampel-Wille und europäische Wirklichkeit klaffen da teilweise weit auseinander. Realitätsnäher scheint schon das Bekenntnis zu einer deutschen Außenpolitik „aus einem Guss“. Damit war es bisher nicht weit her, weil Außen-, Entwicklungshilfe- und Finanzministerium sowie nicht zuletzt das Kanzleramt außenpolitisch teilweise mehr gegen- als miteinander gearbeitet haben.

Was die bilateralen Beziehungen zu einzelnen Ländern und Regionen angeht, bleibt vieles im Vagen. Ausdrücklich bekennen sich die Ampel-Koalitionäre zur Freundschaft mit den USA als einem „zentralen Pfeiler unseres internationalen Handelns“ (was einigen Grünen und Sozialdemokraten als Kröte erscheinen dürfte, die es zu schlucken gilt). Mit China wünscht man sich die Kooperation, „wo immer möglich“, allerdings unter der Maßgabe „fairer Spielregeln“ und der Wiedererlangung strategischer Souveränität. Mit Blick auf die Ukraine ist die Rede davon, man werde die „Wiederherstellung voller territorialer Integrität“ unterstützen. Solche Sätze gehören freilich zur Kategorie Sonntagsreden – zumal sie sich realistischerweise beißen dürften mit der Bereitschaft zu einem „konstruktiven Dialog“ mit Russland unter besonderer Berücksichtigung von „Zukunftsthemen“ (worunter wohl auch die Energieversorgung zu subsummieren ist). Über die derzeitige Situation in Belarus heißt es: „Die russische Einmischung zugunsten Lukaschenkos ist inakzeptabel.“

Neuanfang in der Migrationspolitik

Interessant wird der Koalitionsvertrag beim Thema Migration und Asyl. Man wolle mit einer „aktiven und ordnenden Politik“ die Migration „vorausschauend und realistisch“ gestalten; Frontex soll zu einer EU-Grenzschutzagentur weiterentwickelt werden. „Das Ziel muss ein wirksamer und rechtsstaatlicher Außengrenzenschutz sein“, heißt es ausdrücklich. Man darf gespannt sein, wie insbesondere die Grünen-Basis dazu steht, die ja noch über das Vertragswerk abstimmen muss.

Mit Blick auf die Migrations- und Integrationspolitik ist von einem „Neuanfang“ die Rede – offenbar war das Wirken von Angela Merkel in diesem Bereich wohl doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Gut integrierte Zuwanderer, die nur über einen Duldungsstatus verfügen, sollen schneller eine Aufenthaltserlaubnis erhalten und in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Asylprozesse sollen beschleunigt werden und die Rechtsprechung demgemäß vereinfacht. Sogar eine „Rückführungsoffensive“ ist ausdrücklich im Koalitionsvertrag verankert, „um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern“. Eine solche Agenda unter rot-grüner Beteiligung erstaunt mindestens genauso wie der Halbsatz von wegen „wir wollen irreguläre Migration wirksam reduzieren“. Zumindest auf dem Papier scheint sich also in der Ampel ein gewisser Realismus durchgesetzt zu haben.  Alexander Marguier

 

Wirtschaft, Energie, Klima

Zentrales Thema des Koalitionsvertrags ist, wie es nicht anders zu erwarten war, der Umbau Deutschlands zur klimaneutralen Industrienation. Die Botschaft, Klimaschutz und Wirtschaftsentwicklung nicht als Gegensatz zu sehen, sondern zusammen zu denken, zieht sich wie ein roter Faden durch das 40 Seiten starke Kapitel zur „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“. Ehrgeizige Ziele steckt sich die Ampelkoalition darin. Ob Elektromobilität, Wasserstoffwirtschaft oder klimaneutrales Fliegen: Überall soll Deutschland vorangehen und Vorbild für die Welt sein. Die Wörter „Leitmarkt“ oder „Vorreiter“ kommen dabei mehrmals vor.

Es sind hochtrabende Pläne, die SPD; Grüne und FDP nun formuliert haben. Das muss erstmal kein Fehler sein. Denn sollte es gelingen, auch nur einen Teil davon erfolgreich umzusetzen, könnte sich Deutschland tatsächlich über ein grünes Wirtschaftswunder freuen. Zumal in einigen Punkten beim oft sehr kompromisslos diskutierten Klimaschutz ein wohltuender Realismus herauszulesen ist.

Das fängt beim Kohleausstieg an, der zwar vom Jahr 2038 auf 2030 vorgezogen werden soll, aber die Formulierung („idealerweise“) ist so gewählt, dass ausreichend Spielraum bleibt. Und es geht beim Verzicht auf das von den Grünen ursprünglich geforderte Klimaministerium mit Vetorecht weiter. Das Parteivorsitzenden-Duo Baerbock/Habeck hatte vor der Bundestagswahl angekündigt, ein solcher Minister solle alle Gesetzesvorhaben anderer Ressorts stoppen können, wenn diese nicht klimaneutral genug seien. Natürlich hätten dann die Grünen dieses Ministerium für sich in Anspruch genommen. Die anderen beiden Koalitionspartner waren davon offenbar nicht begeistert. Denn nun heißt es im Koalitionsvertrag, dass „das jeweils federführende Ressort“ seine Gesetzesentwürfe auf ihre Klimawirkung hin prüfen werde. Statt vom Klimaveto ist nur noch vom „Klimacheck“ die Rede.

Pragmatische Kompromisse

Aber auch in konkreten technologischen Streitfragen haben sich die Befürworter eines marktwirtschaftlicheren, offeneren Ansatzes durchgesetzt. Zwar nicht bei der Atomkraft, die außerhalb Deutschlands eine ausdrücklich klimapolitisch begründete Renaissance erlebt, aber für die deutsche Ampelkoalition ein Tabuthema bleibt. Dafür aber bei der CO2-Speicherung, die in Deutschland bislang vor allem bei Grünen auf Widerstand stößt. Es geht dabei darum, Kohlendioxid in Kraftwerken abzuscheiden und dauerhaft unter der Erde einzulagern. Nur ein knapper Satz findet sich dazu im Ampelvertrag, aber er ist eindeutig: „Wir bekennen uns zur Notwendigkeit auch von technischen Negativemissionen.“ Damit sind genau solche Verfahren gemeint.

Auch bei der Zukunft des Verbrennungsmotors einigte man sich offenbar auf einen pragmatischen Kompromiss. Das EU-Ziel, ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge neu zuzulassen, soll nicht verschärft werden. Was genau mit dem Nachsatz „entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus“ gemeint ist, wird sich zeigen. Auch von einem Verbrennerverbot ist im Koalitionsvertrag nichts zu lesen. Stattdessen steht darin, man wolle sich auf europäische Ebene dafür einsetzen, „dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können“. E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die künftig mithilfe von Ökostrom hergestellt werden und dem Verbrennungsmotor eine klimaneutrale Zukunft sichern sollen. Ob das gelingen wird, ist offen. Aber gerade der FDP war es wichtig, die Beantwortung dieser Frage dem freien Spiel des Marktes zu überlassen und keine technologischen Vorgaben zu machen.

Vorschriften für die Energiewirtschaft

Mit der Technologieoffenheit haben es die Ampelkoalitionäre bei einer anderen Großbaustelle allerdings nicht so. Beim Umbau der Stromversorgung schreiben sie der Energiewirtschaft weiterhin sehr genau vor, was sie zu tun hat. Der bereits eingeschlagene Weg, vor allem auf Solar- und Windenergie zu setzen, soll fortgesetzt und forciert werden. Eine Solardachpflicht soll für gewerbliche Neubauten kommen, beim privaten Eigenheim erstmal noch nicht. Für die Windkraft wollen die drei Parteien das Planungs- und Genehmigungsrecht vereinfachen. Mit dem Ziel, dass im Konfliktfall der Arten- und Naturschutz hinter dem Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung zurückstecken muss. Die Versorgungslücken, die durch den Kohle- und Atomausstieg entstehen werden, will die Ampel mit neuen Gaskraftwerken füllen. Sie sollen so gebaut werden, dass sie später mal auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden können, der mit Ökostrom erzeugt wird. Unbeantwortet lässt der Vertrag allerdings die nicht unwesentliche Frage, wer diese neuen Gaskraftwerke bauen soll. Private Investoren misstrauen der sich kurzfristig ändernden deutschen Energiepolitik inzwischen so sehr, dass sie vor solchen Projekten, die sich langfristig rechnen müssen, zurückschrecken.

Beim Thema Wasserstoff will die Ampel deutlich vorangehen. Das ist keine schlechte Idee. Denn für die traditionell sehr stark auf den Maschinen- und Anlagenbau ausgerichtete deutsche Industrie ergeben sich dadurch weltweite Wachstumschancen. Und es wäre nach all den Ausstiegsbeschlüssen der jüngeren Zeit mal wieder ein Einstieg in etwas. Begrüßenswert ist dabei auch, dass sich die Koalition vom Dogma des grünen Wasserstoffs verabschiedet hat. Im Vertrag heißt es: „Für einen schnellen Hochlauf (…) setzen wir auf eine technologieoffene Ausgestaltung der Wasserstoffregulatorik.“ Das bedeutet: Bis genug Wasserstoff zur Verfügung steht, der mit Ökostrom hergestellt wurde, soll auch anders erzeugter Wasserstoff genutzt werden. Der Industrie ist dieser Punkt sehr wichtig, damit sie die Umstellung schnell und im großen Stil angehen kann. Klimaschutzpuristen warnen hingegen vor „Greenwashing“.

Bei einer ganz anderen Streitfrage hat sich die SPD durchgesetzt. Während der Koalitionsverhandlungen sickerte durch, dass Grüne und FDP die Deutsche Bahn zerschlagen wollten. Schienennetz und Bahnbetrieb sollten voneinander getrennt werden, um mehr Wettbewerb durch andere Zugbetreiber zu ermöglichen. Das passte den Sozialdemokraten nicht, die vor allem das Wohl der gewerkschaftlich stark organisierten Eisenbahner im Blick haben. Die Zerschlagung ist nun vom Tisch. Die Koalitionäre wollen die bundeseigene Deutsche Bahn AG „als integrierten Konzern“ im „öffentlichen Eigentum“ erhalten. Einziges Zugeständnis an die Trennungs-Verfechter: Die bisherigen beiden Infrastruktur-Tochtergesellschaften für Schiene und Bahnhöfe sollen zu einer neuen Sparte zusammengelegt werden. Und diese neue DB-Tochter soll dann keine Gewinne mehr an den Gesamtkonzern abführen.  Daniel Gräber

 

Kultur und Bildung

Kultur ist dort, wo der Reim zuhause ist. Für die Ampel reicht in diesem Zusammenhang auch schon der Stabreim. Und so heißt es denn gleich zu Beginn des Kapitels zur künftigen Kultur- und Medienpolitik, dass die drei Koalitionäre für eine Kultur in Vielfalt einträten – „von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen“. Wer möchte bei derart schönen Alliterationsbildungen noch skeptisch an der Seite stehen? Diskriminierungsfrei schließlich soll die künftige Kultur und Medienpolitik von SPD, Grünen und FDP sein, divers, geschlechtergerecht und nachhaltig. Das klingt offen und modern, indes: Im letztlich doch sehr mageren Abschnitt zur Kultur- und Medienpolitik fehlt es noch etwas an Fett und Ausgestaltung.

Auffällig ist indes schon einmal dieses: Außer in den Abschnitten zu „Landwirtschaft und Ernährung“ sowie zur „Entwicklungszusammenarbeit“ taucht im Koalitionsvertrag nirgendwo so oft das Wort „divers“ auf wie eben bei der rot-grün-gelben Kulturpolitik. Heißt es im Abschnitt „Landwirtschaft“ indes noch „Biodiversität", so ist in der Kultur vor allem Geschlechterdiversität gefragt: „Wir machen den Gender-Pay-Gap transparent, wollen ihn schließen, streben paritätisch und divers besetzte Jurys und Gremien sowie Amtszeitbegrenzungen an.“ Das sind zweifelsfrei hehre und wichtige Aufgaben. Und dennoch steht zu befürchten, dass die neuen Koalitionäre die hiesigen Kulturinstitutionen nebst der in ihnen wirkenden Akteure vor allem als weites Feld für gesellschaftliche Prozesse und Experimente verstehen. Denn in den weit ausschweifender formulierten Vertragsabschnitten zu „Arbeit“ oder „Wirtschaft“ fallen die Begriffe „divers“ und „Gender-Pay-Gap“ kein einziges Mal – dabei wären sie hier doch eigentlich zuhause und auf jeden Fall weit wichtiger.

Pragmatik und Gedöns

Doch es gibt auch pragmatische und weniger ideologisch motivierte Passsagen im Abschnitt zur Kultur- und Medienpolitik. So soll die Künstlersozialkasse endlich stabilisiert werden und eine erhöhte Zuverdienstgrenze aus selbstständiger nicht-künstlerischer Tätigkeit erhalten. Weiterhin sollen die Evaluierung des Kulturschutzgesetzes sowie die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Ende gebracht werden. Doch es gibt im Vertrag auch viel Gedöns: etwa wenn die künftigen Koalitionäre fordern, dass „analoge Spiele im Sammelkatalog der Deutschen Nationalbibliothek benannt werden sollen“.

Zudem werden viele Projekte, die unter der jetzigen Kulturstaatsministerin Monika Grüters angedacht und begonnen wurden, auch in der neuen Regierung fortgeführt: Grütters Lieblingsprojekt Humboldt-Forum etwa soll „als Ort der demokratischen und weltoffenen Debatte“ entwickelt und Objekte aus kolonialem Kontext sollen zurückgegeben werden.

Letztlich also ist in den Abschnitten zur Kultur noch viel Luft für Innovationen und wirklich zukunftsweisende Projekte. Da hilft auch die angedachte „zentrale Anlaufstelle ‚Green Culture‘“ noch nicht wirklich weiter, in der „Kompetenzen, Wissen, Datenerfassung, Beratung und Ressourcen für die ökologische Transformation“ angeboten werden sollen. Auch hier liegt der Verdacht in der Luft, dass die neuen Koalitionäre die Kultur eher zur Spielwiese parteipolitischer Interessen denn zum Fundament des einst von Immanuel Kant formulierten „interesselosen Wohlgefallens“ nutzen möchten. Eines aber scheint die Anlaufstelle „Green Culture“ schon jetzt zu unterstreichen: Der oder die künftige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien wird sehr wahrscheinlich aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen kommen. Auf wen die Wahl genau fallen wird, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.  Ralf Hanselle

 

Gesundheitspolitik

Es ist ein Koalitionspapier, das in gesundheitspolitisch aufgeregten Zeiten entstanden ist. Da die Inzidenzen in Teilen Deutschlands derzeit die 1000er-Marke überschreiten und folgerichtig auch die Hospitalisierungsraten steigen – bei Ungeimpften und Geimpften gleichermaßen –, gehört das Pandemie-Management zu den ganz zentralen Aufgaben der neuen Bundesregierung in den kommenden Wintermonaten. Gleichwohl bringt die Corona-Pandemie eben auch zahlreiche gesundheitspolitische Versäumnisse der vergangenen Jahre ans Licht.

Die Probleme liegen auf der Hand: In den Krankenhäusern fehlt dringend benötigtes Personal, um die gesundheitliche Versorgung  der Bevölkerung in und außerhalb von Pandemie-Zeiten sicherzustellen. Hinzu kommt, dass im Zuge des demografischen Wandels die Zahl der Menschen weiter steigen wird, die auf intensive medizinische Betreuung und Pflege angewiesen sein werden. „Alle Menschen in Deutschland sollen gut versorgt und gepflegt werden – in der Stadt und auf dem Land“, fordern die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionspapier deshalb. Das Versprechen für die kommende Legislaturperiode lautet daher: „Wir sorgen für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung und eine menschliche und qualitativ hochwertige Medizin und Pflege.“ Dafür haben die Ampel-Parteien eine ganze Reihe Maßnahmen im Koalitionspapier festgeschrieben.

Die Zukunft der Pflege

Eine Milliarde Euro wollen SPD, Grüne und FDP zunächst zur Verfügung stellen, um den Einsatz der Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeinrichtungen in Pandemie-Zeiten auch finanziell zu honorieren. Dazu soll die Steuerfreiheit des Pflegebonus auf 3000 Euro angehoben werden. Aber auch die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wollen die Ampel-Parteien verbessern. Etwa durch die Abschaffung geteilter Dienste und durch trägereigene Springerpools. Eltern mit betreuungspflichtigen Kindern sollen zudem Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten erhalten. Den chronischen Personalmangel wollen SPD, Grüne und FDP unter anderem durch ausländische Fachkräfte korrigieren, deren Gewinnung künftig schneller und einfacher gelingen soll. Auch die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen soll erleichtert werden. Dies ist bisher eine der größten Hürden für ausländische Pflegekräfte in Deutschland.

Aber auch pflegende Angehörige sollen entlastet werden. Gelingen soll dies unter anderem durch eine Weiterentwicklung der Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze. Die Ampel-Parteien versprechen pflegenden Angehörigen etwa mehr „Zeitsouveränität“. Außerdem soll eine rechtssichere Grundlage für die 24-Stunden-Betreuung im familiären Bereich gestaltet werden. Im Zuge dessen wollen die Ampel-Parteien prüfen lassen, ob die soziale Pflegeversicherung um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung, die die vollständigen Pflegekosten umfasst, ergänzt wird. Außerdem kündigt die mögliche Ampel-Regierung eine bundesweite Befragung „aller professionellen Pflegenden“ an. Hierzu heißt es im Koalitionspapier: „Wir wollen Erkenntnisse darüber erlangen, wie die Selbstverwaltung der Pflege in Zukunft organisiert werden kann.“ Ebenfalls im Koalitionspapier angekündigt wird eine „moderate“ Anhebung der Sozialen Pflegeversicherung.

Bürokratieabbaupaket für medizinische Versorgung

Zu den längeren Abschnitten im Kapitel „Pflege und Gesundheit“ gehört neben der Ausgestaltung der Pflege auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen, die beschleunigt werden soll. „In einer regelmäßig fortgeschriebenen Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen und in der Pflege legen wir einen besonderen Fokus auf die Lösung von Versorgungsproblemen und die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer“, heißt es im Koalitionspapier. Services wie Videosprechstunden und telenotärztliche Versorgung sollen ausgebaut und die Einführung der elektronischen Patientenakte und des E-Rezeptes vorangetrieben werden. Zudem wollen die Ampel-Parteien ein Registergesetz und ein „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“ auf den Weg bringen. Ziel ist unter anderem, Gesundheitsdaten DSGVO-konform für die Forschung einzusetzen. Ein Bürokratieabbaupaket soll zudem Hürden für die medizinische Versorgung von Patienten abbauen.

Beim Thema Gesundheitsförderung kündigen die Ampel-Parteien unter anderem konkrete Maßnahmenpakete zu Themen wie Diabetes, Einsamkeit, Suizid und Vorbeugung von „klima- und umweltbedingten Gesundheitsschäden“ an. Was den öffentlichen Gesundheitsdienst angeht, sieht das Koalitionspapier unter anderem vor, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit aufgeht, das am Gesundheitsministerium des Bundes angedockt ist.

Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen

Ebenfalls im Koalitionspapier vorgesehen sind eine Reihe von Maßnahmen die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung betreffend: Unter anderen sollen multiprofessionelle, integrierte Gesundheits- und Notfallzentren ausgebaut werden, mehr gesetzlicher Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungsbringern entstehen, niedrigschwellige Beratungsangebote in benachteiligten Kommunen und Stadtteilen geschaffen sowie Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen im ländlichen Raum installiert werden. Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenhäuser sollen künftig stärker zusammenarbeiten.

Außerdem soll die sogenannte „Gendermedizin“ – gemeint ist Medizin, die sich stärker an den geschlechtsbezogenen Unterschieden orientiert – Teil des Medizinstudiums werden sowie die paritätische Beteiligung von Frauen in Führungsgremien der Kassenärztlichen Vereinigungen, in ihren Spitzenverbänden auf Bundesebene sowie in den gesetzlichen Krankenkassen gestärkt werden. Hier ist denn auch klar die grüne Handschrift in der Gesundheitspolitik zu erkennen. Mit einem Bund-Länder-Pakt wollen die Ampelparteien darüber hinaus die nötigen Reformen für eine „moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ auf den Weg bringen. Eine kurzfristig eingesetzte Regierungskommission soll Genaueres erarbeiten. Außerdem soll die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und Impfstoffen sichergestellt werden, heißt es weiter. Ebenfalls eine Lehre aus der Corona-Politik der vergangenen Monate.  Ben Krischke

 

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Holger Raczkowski | Mi., 24. November 2021 - 18:39

Nun ist er da. Der vermeintliche Kompromiss. Wir schauen mal. Auf den ersten Blick sieht er halbwegs realpolitisch aus. Im weiteren warten wir mal die Meinung der Basen der Parteien ab. Ich sehe , ehrlich gesagt, noch nicht das die Grüne Basis das mitträgt. Stichwort Asyl- und Migrationspolitik, Klimapolitik (Kohleausstieg "idealerweise" 2030). Werden die Altlasten die Herr Scholz mitbringt zum Problem ? Frau B. im Außenministerium ? Nun ja, die Latte liegt seid Herrn Maas ja eh schon sehr tief. Alle anderen sind "Greenhorns" in der Regierung. Es wird zumindest spannender als nach der letzten Wahl. Ich bleibe gespannt.

Manfred Klein-Ilbeck | Do., 25. November 2021 - 08:40

Antwort auf von Holger Raczkowski

Gibt es kein anderes Ministerium für Frau Baerbock - wo sie kein Unheil anrichten kann?
Wenn diese Dame Außenministerin werden sollte, bekommen Putin, Erdogan, Orban und sonstige Hardliner einen Lachkrampf.

Von einem anderen Foristen (Werner Block) las ich gerade folgenden Satz
„eine Frau, deren Lebenslauf die Felix-Krull-Ehrenmedaille verliehen bekommen könnte, …“
So schön!

Tomas Poth | Mi., 24. November 2021 - 18:47

Die Legalisierung von Cannabis steht für mich hier stellvertretend für diese Koalition, wahrscheinlich wurde die Droge schon mal zur Probe geraucht, beim Aufsetzen dieses Ampel-Vertrags. Mehr Fortschritt? Wenn das Fortschritt sein soll dann Richtung Abgrund.

Rob Schuberth | Mi., 24. November 2021 - 19:02

Wer von Migration spricht und die dabei nicht gegüb. gezielter Einwanderung abgrenzt, dem nehme ich seine Lippenbekenntnisse auf dem Papier nicht so recht ab.

M. E. wird durch die Ampel die BRD noch schneller bunt werden. KGE wird's freuen...mich nicht.
- Wahlrecht mit 16 gibt dicke Abzüge.
- und auch das mit der Multi-Staatsangehörigkeit.

- Sehr teuer wird es uns auch kommen (diese Politiker müssen da nat. nichts bezahlen) wenn weiter an einer Schuldenunion gebastelt wird.

Wozu hat man denn die FDP in dieser Ampel?

Deren Nutzen geht ja gegen NULL!

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 24. November 2021 - 19:13

sind die Statements, den Artikel habe ich nur angelesen.
Ich habe noch Sorge, ob da noch irgendjemand hineingrätschen kann?
Hoffentlich nicht.
Könnte es also damit vorbeisein, dass sich eine Kanzlerin in UNVORSTELLBARE PERSÖNLICHE DIMENSIONEN verbreitert und mal gegen, mal mit von ihr ausgewählten Parteien regiert, auch was die eigene anlangt? So zumindest mein Eindruck.
Da kann doch nun wirklich nichts mehr schlimmer werden, höchstens konstruktiver und fachkundiger.
Obwohl ich in der SPD mittlerweile zur Konservativen gewandelt bin, freue ich mich auf soviel Fähigkeit zu Verantwortung und Zusammenarbeit, wie sie in den Statements der "Ampel" deutlich werden.
Vergesst nicht diesen zauberhaften Moment, denn es hilft vielleicht auch, wenn einzelne Leute heraus- und angegriffen werden.
An die einstmals große CDU/CSU gewandt, ich kann nur den Kopf schütteln darüber, wie man sich sukzessive mit dieser Kanzlerin ins m.E. unberechenbare Aus setzen konnte.
Sehr viel mehr Schein als Sein.

Fritz Elvers | Mi., 24. November 2021 - 19:26

Außer vernachlässigbarer Genderkram eigentlich ein vernünftiges Programm.

Die Energielücke soll nun doch mit Gaskraftwerken geschlossen werden, sehr vernünftig. Gegenüber Russland wäre dann auch eine Wiederaufnahme von Friedenspolitik erforderlich, notfalls auch gegen die USA.

Na ja, Herr Elvers, seht man von den versteckten Steuererhöhungen ab.
So wird beispielsweise die Berechnung der zukünftigen Rentenerhöhungen verändert. Schon ab 2022. Und dies ist schlicht und ergreifend eine Kürzung der in den letzten Jahren praktizierte Rentenerhöhungsformel. Das merkt natürlich der Rentnermichel nicht. Aber wir Alten können leider lesen und was viel schlimmer ist, rechnen auch noch. ( siehe Thüringer Allgemeine von heute)
Und so werden wir wieder beschissen weil alles schön verklausuliert wird. Ich sag’s doch: Ala DDR 2.0 Da wurden uns auch tolle Erfolge verkauft, und am Ende war die Pleite.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Hans Jürgen Wienroth | Mi., 24. November 2021 - 19:39

Ich finde es toll, dass die Ampel schon Vorsorge für die vor kurzem bei Plusminus berichteten Gesundheitsschäden durch die modernen Windkraftanlagen vorsieht. Gut der „Artenschutz“ für Mensch und Tier muss leider zurückstehen. Man muss eben Opfer bringen.

U.Sprenger | Mi., 24. November 2021 - 19:54

Wenn das der Ampel gelingt, bin ich durchaus bereit die eine, oder andere "Kröte" aus dem Koalisationsvertrag zu schlucken. Das wäre für die Parteien und unsere Demokratie ein Entwicklungsschub!

Urban Will | Mi., 24. November 2021 - 20:17

die Tonne gekriegt, die Grünen, zugunsten von Windrädchen, die alsbald dann dieses Land an jeder denkbaren Stelle „verzieren“ werden.
Nicht aber ihre Haltung zur Atomkraft.
Wenn sie schon ihre Ideale verraten, warum dann nicht sinnvoll? Warum zum Teufel zieht man nicht AKWs d neuesten Generation in Betracht?
Aber gut, man wird sehen, wo das endet. Und diesen Sektieren wünsche ich „Wackersdorf“ an jeder Stelle, wo die Umwelt zerschandelt und riesige Fundamente gegossen werden, damit die ineffektiven Dreh – Monster die Launen der Natur in Strom umwandeln, oder halt auch nicht...

Auf die „Rückführungsoffensive“ für abgelehnte Glücksritter bin ich mal gespannt. Da gäbe es dann ja mal gleich was zu tun...

Das Humboldt – Forum als Ort der „demokratischen und weltoffenen Debatte“... Da lach ich mich ja kaputt. Man kann ja mal ne Strichliste auslegen, wie oft da nicht linke Debattierer das Wort haben. Am besten mit Bleistift, denn ein Kuli wird austrocknen, da nie benutzt.

Sabine Lehmann | Mi., 24. November 2021 - 20:23

Die Welt da draußen kann ganz schön verwirrend und anstrengend sein. Wenn Annalena vor Amtsantritt im Außenministerium noch ein wenig Geografieunterricht nimmt, wird die Sache schon irgendwie schief gehen. Ich bin da ganz zuversichtlich.
Zuversichtlich sein, ist überhaupt etwas ganz angenehmes, man fühlt sich ständig wohl, nichts kann einen erschüttern, auch wenn draußen der "Bär tobt".
Ich bin auch sicher, dass Annalena mit ihrer höflichen zurückhaltenden Art und vor allem ihrem wohl überlegten ruhigen rhetorischen Stil, die Herzen im Ausland im Sturm erobern wird. Zur Not redet sie ihr Gegenüber in atemberaubender Geschwindigkeit einfach an die Wand.
Wie gesagt: einfach zuversichtlich sein. Mit dem Gemüt von Rosamunde Pilcher Filmen lässt sich alles ertragen. Auch eine Annalena als deutsche Außenministerin;-)

Annalena Baerbock bei Putin oder Xi. Die Herren packen sie ein und wieder aus und sie hat es nicht einmal gemerkt. Dann fährt sie nach Hause und freut sich über ihre guten Verhandlungsergebnisse.

Markus Michaelis | Mi., 24. November 2021 - 21:05

Ich bin gespannt, wie die vielen Ideen in der Praxis mit Leben gefüllt werden.

Ein nicht unwichtiger Punkt wird denke ich der Umgang mit "Extremismus". Man will sich allen verfassungsfeindlichen Umtrieben entschieden entgegenstellen. Das scheint selbstverständlich, aber trifft es das Problem, oder kann es gar Teil des Problems sein? Mein Eindruck ist, dass wir davon träumen, dass alles Verfassungskonforme gut ist und zusammenpasst und alles, was Probleme macht, ist verfassungsfeindlich (und kriminiell). Das ist glaube ich weit weg von der Realität.

Das Leugnen des Klimawandels oder seine 100% Bekämpfung, ein Modell "Frauen an den Herd" propagieren oder starke Quoten für Spitzenjobs, Homosexualität in der Kultur und Öffentlichkeit fördern oder weitgehend unterbinden, religiöse Ausrichtung oder sekular und vieles mehr: jede Menge jenseits der Toleranzgrenzen der Gesellschaft, aber die Verfassung ist offen für alles und das BVerfG würde je nach Zeitgeist urteilen/auslegen/gewichten.

Ingo Kampf | Mi., 24. November 2021 - 22:01

Zentral platziert sind die „Macher“ und Mitglieder der künftigen Regierung. Abseits stehen die beiden „Noch-Vorsitzenden“ der SPD. Stehen die wirklich abseits oder geben sie dem künftigen Kanzler die Weisung? HWB imponiert mir. Er will dort in Berlin nicht mehr mitspielen. Mützenich hat verhindert, das Esken Ministerin wird. Der Einzige, der autonom erscheint, ist Lindner.
Er muß die Macht nicht teilen. Wahrscheinlich konnte er auch deshalb viel für die FDP durchsetzen. Was sagte schon Westerwelle: Auf einem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der das regelt. Gut so!

Ingofrank | Mi., 24. November 2021 - 22:03

Nun, eine der wirklich beliebten Fernsehshow im Fernsehfunk der DDR. Warum war der Kessel buntes so beliebt? Zuerst waren viel bekannte Stars der DDR zu sehen. Nicht nur Schlager, sondern Ostrock war ebenfalls mit dabei. Das Sahnehäubchen war dann der Auftritt eines West Stars. Da freuten sich die Mitbürger aus dem Tal der Ahnungslosen (die die keinen Westempfang hatten) Auch Sketsche waren beliebt weil mit etwas verhaltener Systemkritik.
Im Prinzip eben nach dem Motto Brot & Spiele fürs Volk. Und damit schließt sich wiederum der Kreis zur beschriebenen Koalition. Brot & Spiele sind letztendlich Opium für das Volk. Nichts weiter.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Fritz Elvers | Do., 25. November 2021 - 02:19

Antwort auf von Ingofrank

ja, lieber Herr Ingofrank, selbst Gott, Karel Gott, aus dem tschechischen Brudervolk trat in Ost und West auf. Allerdings, im Osten nur mit dem Lied "Einmal um die halbe Welt", oder?

Beste Grüße aus dem kapitalistischen Ausland.

Ernst-Günther Konrad | Do., 25. November 2021 - 11:32

Erst muss dieser Koalitionsvertrag durch die Parteigremien und da könnte noch einiges geschliffen werden. Dann muss diese Regierung erst einmal ins Amt und ich gestehe ihr insoweit, auch die 100 Tage Frist zur Orientierung und Eingewöhnung zu, wie jeder anderen Regierung auch. Was, wie genau kommen wird sehen wir spätestens, wenn die Vorhaben in Gesetze gegossen werden und in der Praxis angewendet werden müssen. Im Detail liegt oft die Krux und manches, was sich jetzt schlimm anhört, wird gar nicht so schlimm und umgekehrt. Dann bleibt vor allem abzuwarten, ob diese Koalition eine Wahlperiode durchhält. Ob Scholz Kanzler wird und ggfls. wegen Wirecard und anderen Verfehlungen am Ende zurücktreten muss oder deshalb die Koalition zerbricht. Der Blätterwald rauscht derzeit so laut, das man leicht den Überblick verlieren kann und 177 Seiten Vertrag muss man erst mal lesen. Danke der Redaktion, die sich sinnvollerweise, aufgeteilt hat, um den Text halbwegs nachvollziehbar aufgedröselt hat.

Alexander Brand | Do., 25. November 2021 - 11:40

reine rot-grüne Mogelpackung mit einem Hauch gelb. Er so wenig konkret, so voller wischi-waschi Absichtserklärungen, daß man daraus eigentlich nicht schlau wird.

Es soll keine Steuererhöhungen geben?! Wie soll das bei dem ambitionierten „sozialen“ Umverteilungsabsichtserklärungsprogramm denn gehen? Die Corona-Krise belastet den Staat massiv, die Merkelschen Goldgäste kosten den Staat ca. 30-40 Milliarden €/a, dazu noch Grundsicherung für alle, keine Einschnitte bei der Rente, Komplettumbau des Verkehrssektors mit hohen Investitionen u.a. in die Bahn, Energiewende usw.

Das was unter „Moderner Staat und Demokratie“ steht verstehe ich so, daß der Staat alles und jeden vollständig digital überwacht, um daraus zu lernen wie er den Bürger besser kontrollieren/einschränken kann - nur eben sozialistisch „positiv“ formuliert.

Ich fasse es immer noch nicht, daß gerade die FDP sich für Wahlrecht ab 16 einsetzte, sind es doch gerade die Kinder die, ob ihrer Naivität, überwiegend Grün wählen.

Charlotte Basler | Do., 25. November 2021 - 16:12

Dieses Glas ist halbvoll! Einiges stört, anderes finde ich vielversprechend. Für mich ist befreiend, dass diese Alternativlosigkeit verabschiedet wurde. „In hohlen Hirnen herrscht Alternativlosigkeit - in logischer Konsequenz“.
Wichtige Themen wie Bildung, Gesundheit, Bürokratie werden angepackt. Die Absicht „Klimaschutz und Wirtschaftsentwicklung nicht als Gegensatz zu sehen“, stimmen positiv.
Mich freut auch, dass die Ampel das CDU-Desaster-Thema Migration „mit einer „aktiven und ordnenden Politik“ „vorausschauend und realistisch“ gestalten will. Auch wollen sie Ausreisen insbesondere von Straftätern und Gefährdern konsequenter umsetzen. Wie war das noch mit Merkels asymmetrischer Demobilisierung? Wurde sie von rot/grün irregeführt, überlistet, rückwärts aufs falsche Pferd gesetzt? Sieht so aus.
Sollte die Ampel dieses Thema zur Zufriedenheit der breiten Gesellschaftsmitte abräumen, muss sich die Union für sehr lange Zeit verkriechen. Aber kriechen können die ja.