Angela Merkel am Mittwoch bei der Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz / dpa

Streit wegen Notbremsengesetz - Ist unser Föderalismus noch zeitgemäß?

Mit dem gestern verabschiedeten „Notbremsengesetz“ sei angeblich der deutsche Föderalismus in Gefahr, heißt es von Kritikern. Dabei war der Föderalismus ursprünglich nur als Behelfslösung gedacht. Die wirkliche Gefahr für das Land sind seine überkommenen Strukturen.

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Dr. Uwe Dietsche ist Latinist und Mitarbeiter der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern.

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Es ist vollbracht. Das Bevölkerungsschutzgesetz, im Volksmund „Notbremsengesetz“, wurde mit den Stimmen der Regierungskoalition im Bundestag verabschiedet. Dies feiern nicht nur CDU und SPD als Erfolg. Auch die Grünen, denen das Gesetz nicht weit genug ging und die sich deshalb enthielten, atmeten hörbar auf: Die „bundeseinheitliche Rahmung“ und damit die Einschränkung des Föderalismus sei „überfällig“ gewesen, bekannte die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink erleichert.

Selbst die FDP, die ihre Zustimmung verweigerte, sah zumindest im Verfahren einen Gewinn. Immerhin hätte man gezeigt, „dass ein zügiges Verfahren möglich ist.“

Der Föderalismus wurzelt bekanntlich tief im Grundgesetz. Doch dieses war von seinen Schöpfern nur als Behelfslösung gedacht. Es sei ein „Schuppen“, wie sich Carlo Schmid (SPD) in der abschließenden Debatte des Parlamentarischen Rates am 8. Mai 1949 ausdrückte, ein „Notbau“, um über die nächsten Monate oder Jahre zu kommen.

Doch Provisorien halten bekanntlich länger. Der Schuppen steht noch heute. Über die Jahre erstarrte er gleichsam zum lebenden Denkmal. Sich heute auf das Grundgesetz zu berufen heißt, eine nahezu unendliche Autorität für sich zu reklamieren; einen Angriff auf es zu vermelden bedeutet umgekehrt, einen Staatsfeind zu enttarnen. Ausgerechnet die AfD bediente nun diesen Topos und schlug Alarm. Die Kanzlerin lege mit der Notbremse „die Axt an die Wurzeln der föderalen Architektur der Bundesrepublik“.

Fundamentale Reform

Ganz so einfach liegt der Fall indes nicht. Denn die Genese des Gesetzes ließ in der Tat aufhorchen. Immerhin deutete nicht erst Merkels leise Drohung bei Anne Will auf tektonische Kräfteverschiebungen im Staat hin. Bereits im Januar hatte der Chef der CDU-Regierungsfraktion, Ralph Brinkhaus, deutliche Kritik an der Performanz der föderalen Akteure in der Coronakrise geübt und eine fundamentale Reform des Föderalismus angemahnt. Schließlich stünden „nicht Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern im Wettbewerb, sondern Deutschland und China“.

Unmittelbar nach der desaströsen letzten Beratung der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten ließ er verlauten, das föderale Entscheidungsdurcheinander sei „in der Krise immer ein Problem“. Es schien also keinesfalls abwegig, dass das Notbremsengesetz zum Ausgangspunkt einer tiefgreifenden Reform der föderalen Ordnung hätte werden können.

Legitimität vs. Effektivität 

Was das politische Deutschland erst mühsam in der Corona-Pandemie lernen musste, hätte man mit Blick auf die Verfassungsgeschichte moderner Demokratien auch schon früher wissen können. Das Problem der Machtbalance zwischen Bund und Ländern stand bereits vor mehr als 200 Jahren im Zentrum der Diskussionen in den Federalist Papers über die Gründung der USA. Im Kern beruht das Problem auf dem Widerstreit zweier gleich wichtiger Prinzipien in volkssouveränen Staaten: Legitimität und Effektivität. Ersteres verlangt nach Volksnähe, Mitsprache, Eigenverwaltung; letzteres nach zentraler Steuerung und unmittelbarer Entscheidungsgewalt.

Beide Prinzipien sind raumgreifend, sie tendieren jeweils zur Vorherrschaft über das andere. Gelingt es dem Staat nicht, sie auszubalancieren, gerät er ins Trudeln. Tödlich ist es, wenn die Exekutivgewalt ebenso pluralistisch ausgestaltet wird wie die Legislative. Denn „wie im Feld“, sagen die Federalists, „so gibt es auch im Kabinett Momente, die ergriffen werden müssen, wie sie sich gerade ergeben. Denjenigen, die in einem von beiden die Führung innehaben, sollte daher die Möglichkeit gegeben werden, solche Momente zu nutzen“. So entstand in der Verfassung von 1788 das starke Präsidentenamt, das der pluralistischen Willensbildung in Parlament und Senat das Prinzip der Tatkraft entgegensetze.

Diktatur als Totschlagargument

Nun hat zwar Donald Trump bewiesen, dass auch dieses Modell seine Schwächen hat, doch man muss den Amerikanern zugute halten, dass sie wenigstens eine Lösung für die Grundfrage anzubieten haben.

Deutschland ist hier schwerfälliger. Das hat historische Gründe. Denn hierzulande werden Überlegungen zur Stärkung der Zentralgewalt für gewöhnlich mit dem Totschlagargument gekontert, man rede damit der Diktatur das Wort. Unser Föderalismus sei extra deshalb eingerichtet worden, damit sich so etwas wie die Machtergreifung Hitlers nicht wiederholen könne.

Allenfalls könnte man den westlichen Alliierten ein solches Motiv unterstellen, als sie die föderale Ordnung 1948 zur Vorgabe an die Arbeit des Parlamentarischen Rates machten. Letzterer aber schätzte die Wirkung des Föderalprinzips als begrenzt ein. Nicht die Föderalisierung Deutschlands, stellte ebenfalls Carlo Schmid klar, sondern bestenfalls die Demokratisierung könne eine Versicherung gegen den Rückfall in die Barbarei sein.

Das, was am Ende der Arbeit herauskam, überzeugte nicht einmal den späteren  Bundespräsidenten Theodor Heuss. Man habe, orakelte er, mit dem geschaffenen „Experiment“ vermutlich einen wahren „Föderalismus der Bürokratie“ produziert.

Die Pandemie scheint ihm nun Recht zu geben. Die Verhakelungen insbesondere im Datenaustausch zwischen Bund, Robert-Koch-Institut, Ländern sowie den 403 Kreisen und kreisfreien Städte in Deutschland sind sattsam bekannt. Das Hin und Her in Sachen Lockdown ebenso. Es gäbe also gute Gründe, den Föderalismus zu überdenken und nicht immer gleich die Keule der Verfassungswidrigkeit herauszuholen. Seit Jahren belegen Umfragen, dass dafür eine breite Mehrheit in der Bevölkerung bestünde.

Gesetz ohne Flughöhe

Doch die Aufregung ist im konkreten Fall umsonst: Das neue Gesetz erreicht nicht ansatzweise diese Flughöhe. Ganz im Gegenteil: Es nutzt nicht einmal den Raum, den es grundgesetzlich bereits hat. Einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zufolge hätte der Bund sich schon längst den Hut aufsetzen und in Sachen Corona-Bekämpfung die Länder zu seinen Erfüllungsgehilfen machen können, wie es etwa beim Bundesstraßenbau Usus ist. Statt dessen arbeitet sich das Infektionsschutzgesetz pedantisch durch altbekannte Einzelbestimmungen: Ausgangsbeschränkungen, Schulschließungen, Testpflichten.

Natürlich können selbst diese unverhältnismäßig und verfassungswidrig sein; und die FDP hält das für gegeben und kündigte noch in der Sitzung Verfassungsbeschwerde an. Doch eine grundlegende Neuordnung des Bund-Länder-Gefüges droht mit ihnen ebenso wenig wie von der heiß diskutierten Verordnungsermächtigung. Kaum erteilt, wird diese nämlich gleich wieder bewehrt durch den Zustimmungsvorbehalt von Bundestag und Bundesrat. Sie ist ein „Freibrief“, mit dem man jeden um Erlaubnis für alles fragen muss.

Weder Axt im Wald noch Abrissbirne des Parlamentarismus 

Der Befreiungsschlag blieb demnach vorerst aus. Das Gesetz ist weder Axt im Wald noch, wie Linken-Fraktionschef Bartsch mutmaßte, „Abrissbirne des Parlamentarismus“. Eher ist es die berühmte Maus, die der Berg nach heftigem Kreißen zur Welt brachte. Die Grundsatzfrage, wie Föderalismus und Bürokratie eigentlich für den digitalisierten Globalkapitalismus fit gemacht werden können, hat kein Abgeordneter mehr gestellt. Nicht einmal Ralph Brinkhaus, der nun nicht mehr die Reform des Föderalismus, sondern nur noch den „Respekt“ vor ihm beschwor.

Einmal mehr wurde am Haus des deutschen Föderalstaates bloß der herrschaftliche Putz, der von der Fassade bröckelt, erneuert. In seinem Kern aber ist und bleibt er der Schuppen von 1949.

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Rob Schuberth | Do., 22. April 2021 - 18:10

Ob er (der Föderalismus (FÖ) nun noch zeitgemäß ist, würde ich per se nicht behaupten, aber reformbedürftig, gerade im Hinblick auf echte Krisenzeiten, das ist unser FÖ allemal.

Das - wg. des FÖ mögliche - Hüh u. Hott der 16 MP ist jedenfalls nicht für Krisen geeignet.

Das hat diese Pandemie nur allzu deutlich offenbart.

Ergo Reformen ja, aber primär in Bezug auf Krisenzeiten.

Ein stetes Durchregieren, wie z. B. in F, kann und darf nicht das Ziel sein.

nur wegen des Föderalismus haben wir 16 verschiedene Regierungs- und Verwaltungsapparate.
Das schafft 16 mal wohldotierte und pensionsberechtigte Arbeitsplätze für Beamte, öffentlich Angestellte und Politiker. Ein ungeheurer finanzieller Aufwand.
Und für was?
Wenn dadurch wenigstes Einiges besser funktionieren würde, könnte man es meinetwegen durchgehen lassen.
Aber nichts wird besser, alles wird nur komplizierter.

Was ist außerdem ZEITGEMÄß?

Die Öffnung & Schleusung von Menschen aus anderen Kontinenten & Kulturen? Das in den Dreck ziehen vom Schaffen & Wertvorstellungen unserer Ahnen?
Die Sabotage von Geist, Bildung & Erfindertum?

Und bitte wenn keinen Föderalismus, dann bitte unseren alten Kaiser ? Dort hat die Mehrheit der Blaublüter die Steuern noch übersichtlich gehalten nach dem Motto: Ein zu Tode gerittenes Roß ist nur Verlust.
Herzutage kommt jeder Untertan in die Zentrifuge, um den letzten Pfennig....
Die Freunde des Zentralismus & der Macht, des herrschen ohne Widerspruch & das ergeben sein über den Tod hinaus ist für die Schwarz-Links-Grün-Denker das Omega & Alpha, das Schlaraffenland, der Wert aller Werte, das non plus Ultra. SIEG.

Herr Dr. Dietsche, ihr Artikel zeigt mir auf, solches.... habe ich schon zu DDR-Zeiten gelesen & gehört.
Nicht nur ihre Überschrift, auch ihr Wortgebrauch wie angeblich..., überkommene Strukturen... Keule der Verfassungswidrigkeit,... usw ??

Hätte der Bund, insb. Frau Merkel, dem Föderalismus mehr zugetraut, hätte sie sich die Runde mit den Ministerpräsidenten gespart und eine Öffnungsklausel im InfSchG vorgesehen. Dann hätten die Länder situationsgerecht handeln können. Leider fehlt ihr dazu das Vertrauen in das Funktionieren von Institutionen, schlimm. Sie hat ihren guten Ruf in der Pandemie verspielt.

Der Artikel spricht von "unserem Föderalismus" und meint damit den des Jahres 2021. Laut diverser Zeitungsberichte haben die MP das Gesetz durchgewunken, aber gleichzeitig heftig kritisiert. Bei Schulen ist es ähnlich. Da bringen die Länder keinen vernünftigen online-Unterricht zustande - nach über einem Jahr. Auch hier wieder versagen die Länder. Nicht das der Bund viel besser ist, aber der Druck auf die Politikversager ist dort viel größer. AKK war MP aus dem Saarland, Laschet ist MP aus NRW. Beide hatten/haben nicht das Zeug zum Kanzler, aber man entschied sich doch für sie. Übrigens, die SPD hat das gleiche Problem. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es keine besseren Leute gibt. Hier dürfte es Reformbedarf geben. Ich glaube die guten Leute gehen schon seit mehreren Jahren, wenn in die Politik, dann zu den Grünen. Was ich gut verstehen kann. Wer will schon zu CDU und SPD? Doch nur wer ein gut bezahltes Pöstchen mit Möglichkeit für Nebenverdienste ergattern will.

Helmut Bachmann | Do., 22. April 2021 - 18:22

selten fand ich einen Artikel im Cicero schlechter. Er liest sich teilweise wie Satire. Da hat jemand nicht verstanden, dass dieses Gesetz dumm und unnötig ist und es keinen Grund gibt, Zentralismus zu fordern. Aber interessant, was es für Meinungen tatsächlich gibt.

Quirin Anders | Do., 22. April 2021 - 19:36

Antwort auf von Helmut Bachmann

Kurz vor dem 72. Geburtstag des Grundgesetz damit "argumentieren" zu wollen, es wäre "nur als Behelfslösung gedacht" gewesen, zeugt, euphemistisch gesprochen, von schwerlich zu überbietender Realitätsferne.
Dies auch deshalb, weil die Urheber gleich mehrere tragende Pfeiler des angeblichen "Provisoriums" mit einer sog. Ewigkeitsgarantie ausgestattet haben, nachzulesen in Art. 79 Abs. (3): "Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze [Demokratiegebot; Sozialstaatsgebot; Gewaltenteilung; Widerstandsrecht u.a.] berührt werden, ist unzulässig."
Persönlich halte ich im Allgemeinen aus mehreren Gründen zwar wenig vom Föderalismus. Doch ich stehe fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes.
"Deshalb ist es wahrscheinlich gut, dass ich weder Mitglied einer Regierung bin noch für eine Verwaltung arbeiten muss." (Satire off)

gabriele bondzio | Do., 22. April 2021 - 20:25

Antwort auf von Helmut Bachmann

Ja, meine ich auch, Herr Bachmann! Um ein Gesetz zu instalieren, das den Bürger derart bevormundet und in vielen Aspekten gegen wissenschaftliche Aussagen verstößt. Werden hier alle Register von Herrn DIETSCHE bedient.
Aber der Klang dieses Orgelwerkes ist misstönd im Auge/Ohr.
Es hätte z.B. einen Sinn gemacht im Bildungswesen, das so wie gehandhabt, ein Provisorium ist und war. Da hätte Brinkhaus (aggressiv und faktenlos beim Infektionsschutzgesetz) etwas für den Bürger bewegt.
Das föderale Entscheidungsdurcheinander spielt aber nur eine Rolle, wenn es gegen den Bürger geht.

Es geht nur noch vordergründig um Infektionsschutz.Es geht um das Staatsidol der VDG:Merkel.Wir haben die Doktrinäre an der Macht.Und wir haben eine(n) Schuldigen:SPD.Sie hat dem Merkelismus in unverantwortlicher Weise Vorschub geleistet.

Wolfgang Jäger | Do., 22. April 2021 - 18:34

Merkels einheitsstaatlich-totalitäre Sozialisation ist doch kein Geheimnis. Und auch die grün-sozialistischen Merkel-Erben haben heute schon erkannt, dass man mit der Aufweichung des angeblich nur als Provisorium vorgesehenen Föderalismus vor allem eigene Ideologie hervorragend durchdrücken kann. Insofern sind sie Merkels gehorsame Lehrlinge. Schauen wir doch mal in die Schweiz! Viel kleiner zwar, aber man könnte sich ein Beispiel nehmen. Corona hat gezeigt, dass unsere Demokratie in den letzten 60 Jahren offenbar nicht in der Lage war, das föderale System so zu reformieren (Digitalisierung etc.) dass es den heutigen Herausforderungen gewachsen wäre. Nehmen wir die Bildung: Was läge näher, als hier bundeseinheitliche Regelungen zu schaffen? Aber das will man nicht, weil gerade die Linken genau wissen, dass ihre föderalen ideologischen Nischen und Extrawürste zusammenbrechen würden. Hier also wäre eine Notbremse angesagt, um die Ungleichheiten zwischen den Bundesländern auszugleichen!

Ich kann Ihnen ja in Vielem zustimmen.

Zu Ihrer Idee einer bundeseinheitlichen Bildung kann ich nur sagen, dann aber bitte auf dem höchsten vorhandenen Niveau.

D. h. auf dem Niveau von Bayern und nicht Berlin.

Auch wenn ich mich noch daran erinnere wie erstaunt ich war, als ich feststellen musste mit meinem HHer Abitur in Bayern deutlich länger auf einen Studienplatz warten zu müssen.

Von Freunden, die z. Z. schon als Schüler mit ihren Eltern nach Bayern zogen weiß ich aber, dass es in der Tat dort einen Bildungsvorteil gab u. gibt.

Und den würde ich gerne bundesweit haben.

Auf gar keinen Fall. Denn es könnte ja sein, (wenn an den höheren Standard von z.B. Bayern und Sachsen gegenüber z.B. Berlin angepasst) dass Bildungsniveau steigt. Will man das?
Auf gar keinen Fall. Dumme Menschen lassen sich doch viel viel leichter lenken und beeinflussen.

Mit vielen Grüßen aus der Erfurter Republik

gerade mal 32% eines Jahrgangs eine allgemeine Studienberechtigung (Abitur). Sachsen war wenig, nicht unbedingt eindrucksvoll besser.
In allen europäischen Nachbarländern, Ausnahme Schweiz, liegt diese Quote erheblich höher, meist bei über 50%.
Das schafft in Deutschland gerade mal Hamburg oder Bremen.

Zu glauben, je schwerer desto besser, ist natürlich ausgesprochener Nonsens. Zu glauben, eine möglichst niedrige Zahl sei irgendein Qualitätsausweis, ist gelinde gesagt lächerlich.

In vielen Ländern dominiert dagegen der Anspruch, so viele junge Menschen wie nur Möglich zur Studienberechtigung zu bringen. Da will man dem Nachwuchs Chancen ermöglichen.

Nun gut, in diesem Forum regiert sowieso die Misanthropie. Die Jungen sollen erst mal was leisten, ihr Anspruchsdenken ablegen usw.
Die, die so argumentieren, verweisen dann besonders gerne auf die eigene Lebensleistung und die ganz besondere Lebenserfahrung.
Und überhaupt: Wozu Abitur? Ab ins Handwerk!
Bildungsplanung a la DDR.

da bin ich jetzt fast vom Stuhl gefallen vor Lachen. Oder war das Selbstkritik?
Haben Sie Abitur? Meinen Sie das ernst: Das Abi so leicht gestalten, dass jeder – mit Verlaub – Depp es schafft und dann alle auf die Uni rennen können?
Nur dort eröffnen sich „Chancen“ für den Nachwuchs?

Die Jugend und „was leisten“... Wo kämen wir denn da hin. Das sollen andere machen. Leistung... Das klingt sowieso schon „rechtsradikal“.

Und wer braucht schon das Handwerk. Man merkt es ja allenthalben.
Viel zu viele da. Die rennen einem ja die Bude ein. Man hat noch nicht den Telefonhörer aufgelegt, stehen sie schon da.

Lenzens Welt: nur noch Studierte, alle schön auf Linie, geformt in Universitäten, die gerade in diesen Zeiten sich auszeichnen durch universelle Bildungsarbeit.
Den Rest erledigt wer? „Gastarbeiter“?
Aufpassen, Herr Lenz, Sie tendieren ja schon fast in Richtung „Moderne Sklaverei“... Misanthrop.

Oder haben Sie hautnah - wie ich - das deutsche Bildungssystem und seine Auswirkungen über 50 Jahre miterlebt bzw. beobachtet?
Wenn Sie über die Mißerfolge im Ausland (Spanien, Italien. England usw.), Bescheid wüßten, welche die Erhöhung der Abiturientenzahlen dort mit sich brachten, könnten Sie derartigen Unsinn darüber nicht verzapfen, wie Sie es hier tun.

Es ist pure, längst überholte Ideologie, daß höhere Abiturientenzahlen dem Einzelnen und der Gesellschaft nützen.
Im Gegenteil: Sie wirken sich schädlich aus, weil sie inflationäre Entwertung mit sich bringen - sowohl für den einzelnen Abiturienten, der mit seinem Abschluß viel weniger anfangen kann als noch vor 30 Jahren als auch für die Gesellschaft, der wegen der vielen Studenten die dringend benötigten Auszubildenden in Handwerk und Industrie fehlen.

Bitte, sprechen Sie mit Hochschullehrern u. auch mit Vertretern von Handwerk und Industrie. D i e können Ihnen erzählen, wie wenig segensreich
hohe Abiturientenzahlen sind!

Ich habe 1972 mein Abi bestanden. Also von der 9. bis zur 12 Klasse war die
Abiturstufe in der DDR. Aus meiner Grundschulkasse, 1 - 8. Klasse von 35 Schülern, hatten 3 !!! Schüler einen Notendurchschnitt unter 1,7 die dann in die Abiturstufe gehen konnten. Im Übrigen haben wir alle studiert (1x Dipl. Lehrer, 1x Dipl. Maschinenbauer, 1x Dipl. Bauingenieur) und auch nach der Wende in unseren Berufen bis zur Verrentung gearbeitet.
Ab 1991 habe ich in NRW gearbeitet u.a.mit 2 Lehrlingen die ABI hatten.
Für mich erschreckend, wie wenig Schulbildung da vorhanden war. Ein Lehrling ist sogar in der Theorie durch die Gesellenprüfung gefallen. Noch Fragen H. Lenz?

Mit vielen Grüßen aus der Erfurter Republik

W.D. Hohe | Do., 22. April 2021 - 19:15

Herr Dr. Dietsche ???
Zitat:
"Seit Jahren belegen Umfragen, dass dafür eine breite Mehrheit in der Bevölkerung bestünde."
Ohne Bezug auf Inhalt und Befragte Mehrheiten als Argument zu bemühen... ist bestürzend
Da sollten Sie noch mal drüber nachdenken Herr Dr Dietsche
Ist das doch gerade in den letzten 20 Jahren exakt das "Argument" aller Argumente - fast hätte ich es als alternativlos bezeichnet.

Karl-Heinz Weiß | Do., 22. April 2021 - 19:25

Der Wettbewerb der Bundesländer um die besten Lösungen ist von der Grundidee richtig. Der zentrale Fehler ist aber deren extrem unterschiedliche Bevölkerungszahl. In Krisenzeiten führt dies zu einer Lähmung der Entscheidungsfindung und -Umsetzung. Besserung ist (wie beim ÖRR) nicht in Sicht, denn die politischen Parteien werden ihre Einflusszonen nicht abgeben.

Tomas Poth | Do., 22. April 2021 - 19:39

Dieses Argument sagt alles, Länderrechte sind störend, sollen verringert werden, um Schritt für Schritt einen Zentralismus bzw. Autokratismus oder Staatskapitalismus á la China einzuführen. Demokratie ist für Regierende zu anstrengend, da muß ja ständig nach zustimmenden Mehrheiten suchen, äußerst lästig!

Hans Jürgen Wienroth | Do., 22. April 2021 - 19:51

Den Föderalismus haben wir von den Amis übernommen, die sind genauso strukturiert. Sie haben gute Erfahrungen damit gemacht, was wäre Trump sonst möglich gewesen? Es hindert auch Niemand die Bundesregierung, eine Verfassung zu schreiben und, wie es im GG vorgesehen ist, in einer Volksabstimmung legitimieren zu lassen. Der von der Kritik am InfSG hasserfüllte Herr Brinkhaus ist als Verfechter des Zentralismus eher ein abschreckendes Beispiel für Demokraten, gleich was er fordert.
Die Probleme der dezentralen Exekutive (Stadt- u. Kreisverw.) mit zentralen (RKI) liegen mehr in mangelhafter techn. Ausrüstung (Fax statt PC) als an einer Zergliederung.
Zuletzt scheint evtl. die Globalisierung durch die aufgetretenen Probleme auf absehbare Zeit eine weniger große Stellung zurück zu erhalten. Auch im globalen Wettbewerb hält der Föderalismus nicht von einem strategischen Vorgehen der Regierung ab. Wo wäre für Sie die Grenze der Zentralisierung: in der One World Community?

Dirk Jäckel | Fr., 23. April 2021 - 08:41

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

"Den Föderalismus haben wir von den Amis übernommen."

Massiver Einspruch. D war immer föderal, immer! Im Reich 1871ff. galten seine Bundesstaaten sogar noch formal als souverän unter dem Reichsdach; eine eigene Staatsangehörigkeit gab es in den Ländern auch noch in der Weimarer Republik (davon war die deutsche Staatsangehörigkeit abgeleitet, nicht umgekehrt). Wobei ich mich schon korrigieren muss: 12 üble Jahre lang war D dann zwischenzeitlich nicht föderal (und sein diktatorischer Osten danach auch nicht mehr). Im Übrigen gebe ich Ihnen Recht. Föderalismus ist ebensowenig wie Demokratie eine Schönwetterverantaltung. Das weiß man in den USA ebeno wie in der Schweiz, Kanada oder Australien.

Urban Will | Do., 22. April 2021 - 21:20

nachzudenken, warum genau man Deutschland föderal gestaltet hat nach all dem Wahnsinn. Vielleicht gibt es sie einfach, diese spezifische Eigenart von Völkern.
Heinrich Mann schuf wohl nicht ohne Grund den Diederich Heßling. Und Corona hat gezeigt, wie „aktuell“ diese Figur ist.

Der Föderalismus ist zumindest in gewisser Hinsicht ein Schutz gegen allzu viel „Heßling“.

Ich möchte keine allzu starke Zentralregierung in D, zumal die letzten Jahre gezeigt haben, dass nichts besser passt als der Satz von Helmut Schmidt:

„Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden.“

Lisa Werle | Do., 22. April 2021 - 22:22

Selten so viel Unsinn gelesen. Dazu ist jedes weitere Wort überflüssig. So langsam wird es Zeit, das Cicero-Abo zu überdenken.

Tobias Schmitt | Do., 22. April 2021 - 23:02

Und schon geht es los, das Schönreden des Verfassungsbruches. Genau so, wie man es befürchtet hat."Warum nicht dauerhaft, dieses Notstandsgesetz? Ist doch viel effektiver!" - Weil es hier nicht nur um Effektivität, sondern auch um Machtverteilung geht. Als nächstes haben wir dann den Klimanotstand, dann den Mutationsnotstand und danach den Identitätsnotstand. Soviele Notstände überall, da übertragen wir doch am besten die gesamte Macht ins Kanzleramt. Haben unsere Politiker denn nicht schon ein um's andere mal bewiesen, wie professionell sie agieren? (Sarkasmus) Deswegen stehen wir doch heute da, wo wir stehen! Und zum Dank kriegen sie mehr Macht, damit sie den Karren noch effektiver in den Dreck fahren können. Vielleicht bau ich morgen auf der Arbeit auch mal richtig Mist. Und als Belohnung fordere ich dann eine automatische Diätenerhöhung und mehr Entscheidungsgewalt - damit sowas nicht nochmal vorkommt.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 23. April 2021 - 09:23

Mal abgesehen davon, dass Sie als Beamter der Landesregierung MVP natürlich Regierungsmeinung vertreten, macht es aber eben doch Sinn, auch wenn sie "nur" ein gelernter Lateiner sind, die Reden von Prof. Carlo Schmid in einem richtigen Sachzusammenhang wieder zu geben. Sie schreiben: ...ein „Notbau“, um über die nächsten Monate oder Jahre zu kommen."
Das bezog sich nicht auf den Föderalismus an sich, sondern auf das provisorische Konstrukt Grundgesetz im Ganzen. Der Rahmen dieses GG wurde von den Allierten dem Parlamentarischen Rat vorgegeben und richtete sich vornehmlich an den Strukturen der USA aus. Schmid hat nicht den Föderalismus als "Notbau" bezeichnet, sondern das GG, deshalb gibt es Art. 146 GG.
Sie haben hier offenkundig den Kontext seiner Aussage verdreht. Ja, man kann an der ein oder anderen Stelle den Föderalismus in Teilbereichen (z.B. Bildung)neu denken. Aber nicht abschaffen und als "Notstandsregelung" deklarieren, wie Herr Brinkhaus dies vorgestern im BT sagte.