- Corona und Recht: Die Pandemie der Unmenschlichkeit
Die RKI-Protokolle zeigen, dass ein Großteil der freiheitseinschränkenden Normen von Anfang an mit dem Makel der Verfassungswidrigkeit behaftet war. Dies war der meistgelesene Cicero-Artikel im September.
Nicht eine der großen Zeitungen, nicht eines der großen Medienhäuser oder die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten, sondern das kleine Onlinemagazin Multipolar war es, das mit erheblichem Aufwand vor dem Verwaltungsgericht Berlin gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) die Protokolle des RKI für den Zeitraum von Januar 2020 bis April 2021 an das Licht der Öffentlichkeit gebracht hat. Diese Protokolle lagen seit März 2024 in zunächst deutlich geschwärzter Fassung vor. Bereits damals wies der Umfang der Schwärzungen darauf hin, dass der Öffentlichkeit möglichst einige wichtige RKI-Interna verborgen werden sollten. Die RKI-Protokolle wurden – offenbar unter dem Druck des Verwaltungsgerichtsverfahrens in Berlin – im Mai 2024 dann weitergehend entschwärzt veröffentlicht. Seit Ende Juli 2024 sind nun sämtliche Protokolle des RKI zur Corona-Zeit, nachdem es ein viel beachtetes Leak gegeben hatte, vollständig, ungeschwärzt und mit Zusatzmaterial des Robert-Koch-Instituts (RKI) zugänglich. Die Echtheit der geleakten Dokumente wurde mittlerweile amtlich bestätigt.
Die RKI-Protokolle bestätigen zudem einen großen Teil der immer wieder detailliert begründeten Einwände gegen die Art der Pandemiebekämpfung, die von Rechtsanwälten auf ungezählten Seiten deutschen Gerichten unterbreitet worden sind – bis auf wenige Ausnahmen im Ergebnis meist erfolglos. So gab es Einwendungen gegen die Widersprüchlichkeiten und offenkundigen Mängel der behördlichen Auskünfte. Es gab substantiierte Kritik an den Bewertungen des RKI und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Statt aber die Grundlagen dieser Auskünfte aus politisch weisungsgebundenen Behörden auf ihre Plausibilität und ihre Tatsachenbehauptungen hin in Beweisaufnahmen selbst zu überprüfen, haben Gerichte in tausenden verfassungs-, verwaltungs-, zivil- und strafrechtlichen Corona-Verfahren ihre Entscheidungen unter der ungeprüften richterlichen Annahme getroffen, dass Art, Umfang und Zeitpunkte des relevanten Tatsachenwissens kraft unparteiischer und fachwissenschaftlich überlegener Expertise des RKI und des PEI bereits geliefert gewesen wären.
Der maßgebliche Wissensvorsprung des RKI und PEI gründet sich allerdings darauf, dass diese behördlichen Institute durch die vollständige und unverzügliche Erfüllung gesetzlicher Meldepflichten u.a. von Gesundheitsämtern, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäusern mit validen Gesundheitsdaten versorgt werden (§§6 ff. IfSG). Dieser Beitrag zeigt jedoch, dass die notwendigen Datenflüsse in einem erheblichen Ausmaß nicht gewährleistet waren. Erst der Zugriff auf Gesundheitsechtzeitdaten aus Deutschland ermöglicht es dem RKI und dem PEI, seine gesetzlichen Aufgaben zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung angemessen zu erfüllen. Anderenfalls entfällt in sachlicher Hinsicht seine exponierte Stellung gegenüber anderen wissenschaftlichen Expertisen.
Die fatale richterliche Annahme einer überlegenen Expertise des RKI war schon angesichts der offenkundig strukturellen Weisungsgebundenheit dieses Instituts rechtsfehlerhaft. Sie war aber auch wegen der bereits evidenzschwachen Risikohochstufung von Sars-CoV-2 am 17.03.2020, dem am 22.03.2020 der erste sogenannte „Lockdown“ in der Geschichte der Bundesrepublik folgte, erkennbar auf ein Nichts gebaut.
Ein erheblicher Teil des sukzessive bereits seit dem Jahr 2020 verfügbaren, jedoch gerichtlich ignorierten Tatsachenwissens ist in den im März 2023 veröffentlichten Online-Aufsätzen des Autors dargestellt und juristisch eingeordnet worden. So zeigen allen voran die fehlerhaften Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 19.11.2021 zur Bundesnotbremse I und II sowie vom 27.04.2022 zu der (zum 01.01.2023 außer Kraft getretenen) Impfnachweispflicht im Gesundheitswesen gemäß §20a IfSG a.F., des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.07.2022 zur soldatischen Duldungspflicht der Schutzimpfung gegen Covid-19 und eine Vielzahl verwaltungs- und verfassungsgerichtlicher Entscheidungen zu den landesrechtlichen Coronaschutzverordnungen von 2020 bis 2024, dass eine evidenzbasierte unabhängige juristische Untersuchung der Handlungen, Unterlassungen und Zeitpunkte verfügbaren Tatsachenwissens der verantwortlichen Entscheidungsträger aus Politik, der zuständigen Behörden, der wissenschaftlichen Politikberater und der daraus entstandenen vermeidbaren Schäden stattfinden muss.
Hierzu gehört auch eine konsequente öffentliche Untersuchung, wie sich eine Rechtsprechung etablieren konnte, die nach diesseitiger Auffassung über Jahre hinweg schwere Rechtsbrüche der Legislative und Exekutive mit beträchtlichen langfristigen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schäden für die Bevölkerung – vor allem für Millionen von Kindern und Jugendlichen – gebilligt und damit den Anschein von Rechtmäßigkeit verliehen hat.
Erste Reaktionen der Justiz auf die RKI-Protokolle
Welche rechtlichen Auswirkungen haben nun die veröffentlichten Protokolle und weiteren Dokumente des RKI für gerichtliche Entscheidungen auf Basis behördlichen Expertenwissens?
Die ersten Reaktionen der Justiz zeigen ähnlich einem „Semmelweis-Reflex“ eine Abwehrhaltung in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 11.04.2024 und des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16.04.2024. Beide Gerichte gehen davon aus, die RKI-Protokolle seien nicht zu berücksichtigen, da der Verordnungsgeber auf Landesebene keine Kenntnis von den RKI-Protokollen gehabt habe. Es würde nur auf die späteren veröffentlichen Fachinformationen des RKI nach §4 II IfSG ankommen; RKI-interne Meinungen seien irrelevant.
Angesichts der im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelten weitreichenden arbeitsteiligen Zusammenarbeit des RKI u.a. mit den zuständigen Landesbehörden und Berichtspflichten (§4 I Satz 3, II Nr. 3, II Nr. 5 IfSG) dürften Kenntnis oder jedenfalls eine juristische Wissenszurechnung auf Länderebene vorliegen. Hinzu kommt: Die Justiz wird bei einer solchen Handhabung zum Förderer der von staatlichen Institutionen sehenden Auges begangenen Rechtsverstöße gegen das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Sie prämiert Rechtsverstöße gegen das IFG im Sinne einer fortbestehenden Eingriffsbefugnis zu Lasten der Bürger mit dem Argument, das Wissen mag zwar vorhanden gewesen sein, jedoch bei der „falschen“ Stelle.
Mittlerweile ist belegt, dass das RKI sich trotz der Geltung des IFG entschlossen hatte, mit der Herausgabe der angefragten Informationen sparsam umzugehen, die Auskünfte nur teilweise zu erteilen, entgegen der Auskunftsfrist von einem Monat des §7 V IFG hinauszuzögern und sich im Zweifel verklagen zu lassen. So heißt es im geleakten Protokoll der Videokonferenz vom 02.10.2020: „Rechtsreferat verschafft sich Überblick bei großen IFG Anfragen, eher ablehnen bis verklagen werden.“ Werden schwerwiegende objektiv nicht zu rechtfertigende Grundrechtseingriffe von Gerichten auf Dauer legitimiert, weil staatliche Institutionen erfolgreich weitere Rechtsverstöße begangen haben, kommt dies einer Bankrotterklärung des Rechtsstaats gleich und einer Einladung zu zukünftigen Rechtsbrüchen.
Die Einbeziehung der RKI-Protokolle in die gerichtliche Beweisaufnahme ist unter diesen Aspekten unvermeidlich. Sie lässt sich nicht etwa lässig zur Seite wischen, ohne deren konkreten Inhalt und den daraus folgenden Beweiswert der behördlichen Auskünfte zu prüfen. Denn die Verwaltungsgerichte trifft an dieser Stelle ihre gesetzliche Verpflichtung zur Sachverhaltserforschung (§86 I VwGO). Auf Bundesebene könnte dieses Wissen zu noch schwerwiegenderen Folgen für die juristische Beurteilung des Gesetzgebungsprozesses in der Corona-Krise führen.
So verfügten offenbar Mitglieder der Bundesregierung und die betreffenden Bundesgesundheitsminister um das Wissen, dass es nicht unerhebliche politische Einflussnahmen auf die wissenschaftliche Arbeit des RKI und den Inhalt der veröffentlichten Fachinformationen gegeben hat. Gleichzeitig ließen sie als Mitglieder des Deutschen Bundestags das Parlament immer wieder über Gesetzesänderungen mit tiefgreifenden Grundrechtseinschränkungen mit dem Verweis auf die Erkenntnisse „der Wissenschaft“ bzw. des RKI abstimmen – ohne das Parlament zuvor über die erteilten Weisungen zu informieren.
Zugleich wurde den Gerichten eine Vielzahl entscheidungsrelevanter Details des Sachverhaltsgerüsts vorenthalten oder – so im Falle der Risikoeinschätzung – sogar eine Fehlinformation erteilt und fehlende Meldedaten ignoriert. Letzteres wirkte sich besonders fatal aus, denn je größer die Gefahr, desto einschneidender können unter Verhältnismäßigkeitsaspekten Grundrechtseinschränkungen zur Abwendung eben dieser Gefahr ausfallen.
Paukenschlag des Verwaltungsgerichts Osnabrück
Inzwischen hat das Verwaltungsgericht Osnabrück bundesweit als erstes Verwaltungsgericht in einem Verfahren über ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot nach §20a IfSG a. F. einer ungeimpften Krankenhauspflegerin für den 03.09.2024 den amtierenden RKI-Präsidenten und ehemaligen Leiter des Corona-Krisenstabes Prof. Dr. Schaade als Zeugen zur Erläuterung entscheidungserheblicher Passagen der RKI-Protokolle vernommen. Die gerichtliche Bewertung der Zeugenaussage des RKI-Präsidenten und die Auswertung der RKI-Protokolle haben i.E. gezeigt, dass an der Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Expertise des RKI ernsthafte Zweifel bestehen und dass der Gesetzgeber seiner Normbeobachtungspflicht nicht nachgekommen ist.
Die gesetzliche Nachweispflicht ist nach der Überzeugung des Verwaltungsgerichts Osnabrück im Verlauf des Jahres 2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen, sodass es diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Im Rahmen dieser Zeugenbefragung – so berichten diverse Prozessbeobachter, zu der auch die Autorin gehört – räumte der RKI-Präsident auf intensive Befragung ein, dass die Begründung für die Lockdowns sowie Risikoeinschätzungen ebenso wie andere Teilthemen – nicht das Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit des RKI, sondern ein „Managementthema“ gewesen seien.
In diesem Bereich dürfte auch die Risikohochstufung des RKI am 17.03.2020 anzusiedeln sein, wenn man berücksichtigt, dass Prof. Dr. Schaade – wie aus einer Chatnachricht Prof. Wielers an die Tageszeitung Die Welt vom 04.04.2024 und eine Antwort des BMG vom 12.07.2024 hervorgeht – die Risikohochstufung zusammen mit dem vormaligen RKI-Präsidenten Prof. Wieler am 15.03.2020 (Sonntag) in einem Gespräch außerhalb des für solche Fragen eingerichteten Corona-Krisenstabes entschieden hat.
In aller Deutlichkeit: Der erste Lockdown in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beruhte offenbar maßgeblich auf einer politischen bzw. ministeriellen Einflussnahme auf das RKI, was der Öffentlichkeit und den Gerichten als unabhängige wissenschaftliche Risikoeinschätzung verkauft wurde. Damit brachte der RKI-Präsident höchstselbst die juristische Begründungsgrundlage des Bundesverfassungsgerichts, vieler Verwaltungsgerichte, Straf- und Zivilgerichte krachend zum Einsturz.
Die RKI-Protokolle als Rückspiegel für gerichtlich ignoriertes Tatsachenwissen von damals
Eine genaue Analyse der entschwärzten RKI-Protokolle führt in weiten Teilen zu dem Schluss, dass es sich hierbei (schlicht) um das Spiegelbild der seit Jahren verfügbaren Tatsachenkenntnisse handelt. Da das RKI weisungsgebunden war und seine Stellungnahmen den Wünschen der Politik anpasste, offenbaren die Protokolle, dass Widersprüche, Unklarheiten und Unrichtigkeiten in den amtlichen Stellungnahmen systematisch ausgeblendet wurden, ja ausgeblendet werden mussten.
Der Öffentlichkeit wurde ein Zerrbild präsentiert, was im Falle der 2G-Regeln gleich doppelt makaber war: Der öffentlich kommunizierte Fremdschutz durch Impfungen bestand ebenso wenig wie die vom RKI postulierte Ausprägung der Gefährdungslage für die Allgemeinbevölkerung durch Corona-Infektionen. Bei einer echten Gefährdungslage hätte man infektionsfördernde und irreführende Hinweise auf den gegebenen Fremdschutz auf Basis von 2G-Regeln in dem damaligen Geltungszeitraum vom 15.11.2021 bis zum 02.04.2022 niemals durchhalten können.
Die Diskrepanz zwischen mitgeteiltem und real vorhandenem Tatsachenwissen zieht sich wie ein roter Faden durch das Geschehen, das die RKI-Protokolle detailliert nachvollziehbar machen. So kann bereits mit der Fakten- und Entscheidungsgrundlage unmittelbar vor dem ersten Lockdown am 22.03.2020 begonnen werden. Genau zu diesem Zeitpunkt wurden u.a. durch das BMG und RKI mit Hochdruck (vermeintliche) wissenschaftliche Annahmen und Parameter in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gebrannt, die das Fundament der staatlichen Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 der Jahre 2020 bis 2023 bildeten.
Bislang haben sich weder das Bundesverfassungsgericht, die Verwaltungsgerichte oder Zivilgerichte jemals mit der Evidenz der Gefährdungsbeurteilung und ernsthaft mit der Systematik des Entscheidungsfindungsprozesses der Exekutive für den ersten Lockdown beschäftigt. Hierbei ist klärungsbedürftig, dass laut Punkt 3 des RKI-Protokolls vom 16.03.2020 (aktuelle Risikobewertung) am vorhergehenden Wochenende eine neue Risikobewertung vorbereitet worden sein soll und in der laufenden Woche eine Veröffentlichung der Risikohochstufung des RKI erfolgen soll, sobald Prof. Dr. Schaade das Signal hierfür erteilt.
Konkrete Angaben zu den entscheidenden Erwägungen dieser Risikohochstufung sind weder den RKI-Protokollen der Vorwoche noch dem RKI-Protokoll vom 16.03.2020 zu entnehmen. Der amtierende RKI-Präsident Prof. Dr. Schaade begründete die behördliche Risikohochstufung von Covid-19 für die Bevölkerung am 17.03.2020 von „mäßig“ auf „hoch“ in der protokollierten Befragung des Gesundheitsausschuss des Landes Rheinland-Pfalz am 20.06.2024 knapp wie folgt:
- dem exponentiellen Anstieg der Fallzahlen (mit positiven PCR-Tests)
- verschiedenen Modellrechnungen (ohne gesicherte empirische Datenbasis
- der Vermeidung der befürchteten Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen mit Verweis auf die Bilder aus Bergamo / Italien.
Ein objektiver Blick auf die im März 2020 durch das RKI veröffentlichte Datenlage in Deutschland zeigte keine nationale medizinische Bedrohungslage. Am 17.03.2020 wurden bundesweit zwölf Todesfälle mit positivem PCR-Test (an und mit Corona) registriert und behandelt. Das Argument des exponentiellen Anstiegs der positiven PCR-Testfallzahlen hätte die Gerichte angesichts der nahezu verdreifachten Testzahlen bei lediglich minimalem Anstieg der Quote positiver Tests stutzig machen müssen.
An dieser Stelle ist festzustellen, dass im Frühjahr eines Jahres in statistischer Regelmäßigkeit ein Sterbegeschehen von ca. 9000 Personen pro Woche in deutschen Krankenhäusern stattfindet und ab diesem Eingriff der Exekutive in das Gesundheitswesen das Sterben außerhalb der Krankenhäuser erfolgte. Insoweit steht zu befürchten, dass eine große Anzahl von Menschen in medizinischen Notlagen – abseits von Corona – aufgrund der nicht genutzten medizinischen Behandlungsvorteile eines Krankenhauses verstorben sind.
Die Risikohochstufung des RKI basierte jedenfalls nicht auf den Daten einer hohen Krankenhausauslastung oder bedrohlichen Anzahl schwerer hospitalisierter Erkrankungsverläufe in Deutschland, sondern auf abstrakten positiven PCR-Test-Fallzahlen (ohne Differentialdiagnostik) und fehleranfälligen Modellrechnungen. Die Problematik der durch den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn initiierten massiven Erhöhung der Testzahlen war dem RKI frühzeitig bewusst, wie die RKI-Protokolle aus April und Mai 2020 zeigen (Hervorhebungen des Autorenteams):
„Es stellt sich generell die Frage, ob aktuell die Fallzahl aufgrund vermehrter Testung steigt. Eine Zunahme der Testungen kann einen künstlichen Anstieg erzeugen, ohne dass sich der epidemiologische Verlauf ändert, allerdings fehlen uns dazu verlässliche Daten. Testungen haben tatsächlich zugenommen, während der Positivenanteil von 13 auf 8,5 % zurückgegangen ist.“ (RKI-Protokoll vom 06.04.2020, Seite 7)
„BMG Papier „testen, testen, testen“/AG Diagnostik
Papier kommt von Jens Spahn, Arbeitsebene wurde vorab nicht stark eingebunden.“
(RKI-Protokoll vom 22.04.2020, Seite 6)
„Während zu Beginn der Epidemie die Testung asymptomatischer Personen nicht empfohlen wurde, so sollen nach Ankündigung von BM Spahn und Anweisung aus dem BMG vom 17.04.2020 auch asymptomatische Kontaktpersonen getestet werden. (RKI-Protokoll vom 13.05.2020, Seite 6).
Letztlich diene – so erklärte der RKI-Präsident Schaade am 20.06.2024 – die Risikobewertung des RKI auch dazu, „vor der Welle zu sein“. Dieses prognostische Verständnis widerspricht nicht nur gleich mehrfach den RKI-eigenen Grundlagen zur Risikoeinschätzung bei Covid-19. Das RKI stützte diese Einschätzung auf fehleranfällige Modellrechnungen, es verwendete teilweise Auslandsdaten und bezog verfügbare Daten zur kausalen Auslastung der Krankenhäuser und Intensivstationen in Deutschland durch Covid-19-Patienten nicht ein. Insgesamt ist mittlerweile klar, dass angesichts dieser Vorgehensweise eine schlüssige Grundlage für die Bewertung einer behaupteten außergewöhnlichen gesundheitlichen Risikolage für die Bevölkerung in Deutschland fehlte.
Diesem Befund stehen die veröffentlichten Grundlagen der RKI-Risikoeinschätzung seit März 2020 bis heute wie folgt gegenüber (Hervorhebungen des Autorenteams):
„COVID-19: Grundlagen für die Risikoeinschätzung des RKI
Das Robert Koch-Institut erfasst kontinuierlich die aktuelle Lage, bewertet alle Informationen und schätzt das Risiko für die Bevölkerung in Deutschland ein. (…) Die Risikoeinschätzung ist die Beschreibung und Einschätzung der Situation für die Bevölkerung in Deutschland. Sie bezieht sich nicht auf die Gesundheit einzelner Individuen oder spezieller Gruppen in der Population und nimmt auch keine Vorhersagen für die Zukunft vor. In die Risikobewertung gehen ein
• der jeweils verfügbare aktuellen Kenntnisstand zur internationalen Situation,
• der IST-Zustand der epidemiologischen Lage in Deutschland,
• die Verfügbarkeit von Schutz- und Behandlungsmaßnahmen.
(…) Allerdings werden für die Schwerebeurteilung ( = Schadensausmaß) genutzten drei Kriterien bzw. Indikatoren (Übertragbarkeit, Schwereprofil und Ressourcenbelastung) mit jeweils quantifizierbaren Parametern beurteilt.“
Unter Verstoß gegen die selbst verordneten Risikoeinschätzungsgrundlagen und ohne erkennbare Evidenz erfolgten auf die am 16.03.2020 durch das RKI bereits beschlossene Hoch-Skalierung im Eiltempo
- am 17.03.2020 die Hochstufung der Risikoeinschätzung durch die „Managementebene“ des RKI
- am 24.03.2020 der Gesetzesentwurf zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (1. Bevölkerungsschutzgesetz) und
- am 27.3.2020 die Feststellung des Deutschen Bundestages einer Pandemie nationalen Ausmaßes.
Zusammen bildeten diese die Grundlagen, um ca. 84 Mio. Menschen – darunter Kinder und Jugendliche – in den ersten Lockdown der deutschen Geschichte zu schicken, ohne dass erkennbar eine systematische Folgenabwägung der Exekutive in den Entscheidungsprozess eingeflossen wäre. Doch auch später – dies geht aus den RKI-Protokollen hervor – blieben die voraussehbaren schweren gesundheitlichen Folgen des Lockdowns für die Bevölkerung von der Politik unbeachtet.
Ein weiterer Aspekt betrifft die wissenschaftliche Verwertbarkeit der Fachinformationen des RKI im Hinblick auf den fehlenden bzw. nicht belegten Infektions- und Transmissionsschutz durch Impfungen. Dieser ergab sich etwa für den Impfstoff von BioNTech/Pfizer bereits aus den Zulassungsunterlagen vom Dezember 2020 und war dem RKI laut Aussage des Zeugen Schaade vom 03.09.2024 von Anfang an bekannt. Ein weiterer Aspekt betrifft die durch das RKI verarbeiteten deutschen Daten zur Evidenz der Wirksamkeit der Covid-Impfstoffe vor schweren Verläufen und zur Sicherheit der Covid-Impfstoffe. Der erstaunlich hohe Anteil hospitalisierter Personen mit unbekanntem Impfstatus in den Jahren 2021 und 2022, die dem RKI gemeldet worden waren, ist ebenfalls ein relevantes Thema für gerichtliche Beweisaufnahmen.
Hinsichtlich der zahlreichen mit dem Impfstatus verbundenen erheblichen Freiheitseinschränkungen und Bedeutung dieser inländischen Daten für die Arzneimittelüberwachung ist klärungsbedürftig, warum erst mit einer Verordnung vom 11.07.2021 nach §1 II Nr. 1 g) eine Erweiterung der Meldepflichten der Krankenhäuser bei Covid-19-Hospitalisierungen auf den Impfstatus erfolgte. In dem RKI-Protokoll vom 04.08.2021 kommt im Abschnitt zur Kommunikation eine bemerkenswert zurückhaltende Transparenzbereitschaft des RKI zum Ausdruck (Hervorhebungen des Autorenteams:
„Es wird häufig nach Daten zum Impfstatus bei Verstorbenen und Hospitalisierten gefragt. Können und wollen wir diese Daten bereitstellen?
- Könnten diese entweder im Wochenbericht genannt oder erklärt werden, wa-rum dies nicht sinnvoll ist?
- Erklärung zu Impfdurchbrüchen gewünscht?
- Bei Todesfällen ist eine Sprachregelung vorhanden.
ToDo: Im Wochenbericht Grund nennen, warum es schwierig ist, entsprechende Zahlen auszuweisen, Hr. Harder klärt dies mit Hr. Michaelis und Hr. Wichmann.“
Ferner bleibt unklar, warum einem beträchtlichen Anteil hospitalisierter Personen der eigene Impfstatus in Zeiten von 2G- und 3G-Regelungen nicht bekannt gewesen sein soll, von den Krankenhäusern nicht erfasst wurde und weshalb die über Jahre hinweg erfolgten Meldeverstöße nicht mit Bußgeldern oder Ordnungsverfügungen belegt wurden. Eine mögliche Ursache könnte darin liegen, dass der hohe Anteil geimpfter hospitalisierter Personen nicht gemeldet wurde, um die Impfkampagne der Bundesregierung um jeden Preis vor Vertrauensverlusten zu bewahren. Ob dies oder andere Ursachen maßgebend waren, wird ebenfalls ein interessantes Thema gerichtlicher Beweisaufnahmen sein.
Weitreichende juristische Konsequenzen der RKI-Protokolle
Die Erkenntnisse der Beweisaufnahme des Verwaltungsgerichts Osnabrück sind fundamental und markieren den Start für eine ernsthafte juristische Aufarbeitung in deutschen Gerichtssälen in allen von Corona-Maßnahmen betroffenen Rechtsbereichen. Denn das RKI lieferte mit der Selektion und Auswertung wissenschaftlicher Studien, epidemiologischer Daten und eigenen Auswertungen – vermeintlich – wesentliche wissenschaftlichen Grundlagen für das PEI und die Ständige Impfkommission (STIKO).
Ergeben sich durch künftige gerichtliche Beweisaufnahmen in anderen gerichtlichen Verfahren ernsthafte Anknüpfungspunkte für schwere fachwissenschaftliche Fehler, Einflussnahme des BMG auf den Inhalt oder sinnenstellende Veränderungen von wissenschaftlichen Fachinformationen des RKI und PEI oder wahrheitswidrige Zeugenaussagen von Behördenvertretern, kann die überfällige juristische Aufarbeitung in deutschen Gerichtssälen u.a. mit folgenden Mitteln erfolgen:
- der Wiederaufnahme von durch rechtskräftige Urteile abgeschlossenen strafrechtlichen Verfahren (§§359 ff. StPO)
- der Wiederaufnahme von rechtskräftig abgeschlossenen verwaltungs- und zivilgerichtlichen Verfahren (§§153 I VwGO, 578 ff. ZPO)
- der Ersetzung der behördlichen Expertise des RKI oder PEI durch gerichtlich beauftragte Sachverständigengutachten (§412 ZPO)
- die Ablehnung der sachverständigen Autoren von Fachinformationen des RKI oder PEI wegen der Besorgnis der Befangenheit (§§406 I, 41, 42 ZPO), die zur Unverwertbarkeit amtlicher Auskünfte führt
- ggf. Ablehnung von Richtern wegen der Besorgnis der Befangenheit, die sich in Kenntnis der Weisungsgebundenheit des PEI und RKI notwendigen Beweiserhebungen entziehen und weiterhin pauschal auf die nachweisbar nicht neutrale „behördliche Expertise“ verweisen
- Berücksichtigung des erheblich geminderten Beweiswerts der amtlichen Auskünfte von RKI und/oder PEI im Rahmen der prozessualen Beweiswürdigung
- ggf. Korrektur fehlerhafter Entscheidungen der Vorinstanzen im Rahmen von
Berufungs- oder Revisionsverfahren - Antrag auf konkrete Normenkontrolle der jeweils für verfassungswidrig gehaltenen Vorschrift des IfSG zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 I, III GG)
- ggf. Amtshaftung/Staatshaftung bei Erteilung und/oder Befolgung rechtswidriger fachaufsichtlicher Weisungen bis hin zur Beihilfe zum Prozessbetrug durch Amtsträger.
Der bevorstehende Weg der juristischen Neubewertung der Coronamaßnahmen führt über eine umfassende gerichtliche Sachverhaltsermittlung und akribische Beweisaufnahmen. Dabei ist das bewährte prozessuale Handwerkszeug anzuwenden, wie es das Verwaltungsgericht Osnabrück der übrigen Justiz eindrucksvoll vor Augen vorgeführt hat. Insoweit steht zu erwarten, dass in vielen weiteren gerichtlichen Corona-Verfahren Beweisanträge zur Vernehmung von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern des RKI, PEI, STIKO und des BMG unter Vorhalt der RKI-Protokolle sowie zur Einholung von unabhängigen Sachverständigengutachten gestellt werden.
Einen wichtigen Fingerzeig, wie derartige Beweisaufnahmen ausgehen werden, gab bereits der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.05.2024. Einen Tag vor dem Verhandlungstermin wurde die Duldungspflicht für Soldaten aufgehoben, obwohl sie wenige Wochen vorher noch als weiterhin erforderlich angesehen worden war. Die „Begründung“ der Bundeswehr im Termin für diese kurzfristige Änderung der eigenen Haltung beinhaltete in einem ansonsten nahezu unverständlichen Satz das Wort „Hospitalisierungsrate“ – notabene ganze 2½ Jahre nach dem Aufkommen der Omikron-Variante.
Juristische Folgen der Versäumnisse und Faktenverdeckung des PEI („PEI-Files“)
Die Enthüllungen der RKI-Protokolle über Einflussnahmen des BMG und Mitglieder der Bundesregierung auf die „Managementebene“ des RKI wirken sich auch auf die gerichtliche Verwertbarkeit der amtlichen Auskünfte des PEI und der STIKO aus. Denn die Arzneimittelüberwachung des PEI und die Impfempfehlungen der STIKO basieren zu einem erheblichen Anteil auf wissenschaftlichen Informationen des RKI. Ferner ist das PEI ebenfalls ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Die widersprüchlichen und ausweichenden Auskünfte des PEI aus Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bieten vielfache Anhaltspunkte dafür, dass das PEI seine Amtspflichten zur Arzneimittelüberwachung der neuartigen Covid-19-Impfstoffe – möglicherweise auf ministerielle Weisung hin, um die Impfkampagne nicht zu gefährden – in erheblicher Weise verletzt hat.
Hierzu gehören insbesondere:
- die Nichterfüllung der Verpflichtung zu aktiver Pharmakovigilanz nach §13 V IfSG
- die Abschaltung der Nebenwirkungsdatenbank für alle in Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle von Impfreaktionen und Impfkomplikationen der Jahre 2000 bis 2021 im Frühjahr 2022
- die Verweigerung der Herausgabe der Unbedenklichkeitsberichte bzw. PSUR-Berichte der Impfstoffhersteller (PSUR = periodic safety update report)
- das Desinteresse, die am 21.02.2022 veröffentlichte Auswertung der ärztlich codierten Abrechnungsdaten zu unerwünschten Impfnebenwirkungen der BKK ProVita überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und selbst auszuwerten
- die unterlassene Detailanalyse des PEI zur Diskrepanz zwischen der Zahl der Verdachtsnebenwirkungen und Verdachtstodesfälle des PEI und der KBV-Abrechnungsdaten vom 16.06.2022
- die Nichterwähnung der nach internationaler Studienlage sowie PEI-Veröffentlichungen anzunehmenden Untererfassung von 90% bis 95% bei nur passiver Surveillance in den Sicherheitsberichten
- die signifikante Verzögerung der SafeVac-Studie durch Verlängerung der Datenaufnahmephase von 12 Monaten auf dann 21 Monate
- fehlende Überprüfung der Impfstoffsicherheit auf Grundlage der veröffentlichten stichprobenartigen Untersuchungen des Pathologen Prof. Dr. Schirrmacher der Uni Heidelberg im August 2021, nach der 30% bis 40% der untersuchten Personen kausal an der Impfung gestorben sind
- die Nichtherausgabe von Verdachtsmeldungen von unerwünschten Nebenwirkungen sowie chargenbezogener Auswertungen
- der fehlende öffentliche Hinweis auf die bei Frauen erheblich höhere Rate von Verdachtsmeldungen unerwünschter Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe
- fehlende Hinweise auf mögliche Langfristrisiken der Impfstoffe und
- der unterbliebene Hinweis auf die temporäre Überlastung der Pharmakovigilanz-Abteilung des PEI, da zeitweilig nur 13 Mitarbeiter (darunter Werksstudenten).
Bedenkt man die massive Verkürzung des Zulassungsverfahrens der zunächst nur bedingt zugelassenen und in ihrer Konzeption neuartigen Covid-19-Impfstoffe durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) sowie fortgeführte Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit (Phase III) nach Impfstart, entsteht ein beträchtliches „Minus“ an Arzneimittelsicherheit.
Dieses erfordert im Gegenzug ein entsprechendes „Plus“ in der Pharmakovigilanz bzw. Arzneimittelüberwachung. Vor diesem Hintergrund steht der erklärte und begründete Wille des Gesetzgebers der in der Neufassung des §13 V IfSG vom 03.11.2020 seinen Ausdruck fand. Mit dieser Vorschrift wurden die Kassenärztlichen Vereinigungen aufgrund der Einführung der neuartigen Covid-19-Impfstoffe und der seit dem Jahre 2001 bekannten hohen Untererfassung von Arzneimittelnebenwirkungen bewusst verpflichtet, dem RKI die KV-Daten, insbesondere ICD-Diagnosecodes sowie weitere impfbezogene Daten zu melden und dem PEI zur Arzneimittelüberwachung zur Verfügung zu stellen (aktive Pharmakovigilanz). Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, auf diesem Weg alsbald bessere Daten zur Häufigkeit, Schwere und zum Langzeitverlauf von Impfnebenwirkungen zu erlangen. Die erschreckende bisherige Umsetzungsbilanz entspricht grafisch der EKG-Linie eines Toten.
Insbesondere die folgenden seit 2024 veröffentlichten amtlichen Dokumente des BMG und PEI werden bei künftigen gerichtlichen Beweisaufnahmen relevant sein :
- dringliche schriftliche Aufforderung des BMG an das PEI vom 20.10.2020 bis zum 21.10.2020 mitzuteilen, welche Daten für die Arzneimittelüberwachung nach Markteinführung aller Covid-19 Impfstoffe („Post-Marketing Surveillance“) benötigt werden
- Empfehlung des PEI vom 21.10.2020 an das BMG zur Erstellung einer Kohortenstudie auf Grundlage der anonymisierten Daten der Krankenkassen zur Sicherheit der Covid-19 Impfstoffe, einer aktiven Überwachung („aktive Surveillance“) und der parallelen Übermittlung von KV-Daten geimpfter Personen auch an das PEI.
Dem PEI liegen allerdings auch nach mehr als 3½ Jahren eben diese geforderten KV-Daten nicht vor, weil die Kassenärztlichen Vereinigungen unter Verstoß von §13 V IfSG jahrelang nicht lieferten, wobei entgegen §73 Abs. 1a Nr. 2a IfSG kein einziges Bußgeld gegen die säumigen Stellen verhängt wurde. Zudem hatte das RKI die für die Verarbeitung der Daten notwendigen Datenschnittstelle so spät im eigenen Haus begonnen, dass die Programmierarbeiten wie eine Antwort des BMG vom 22.09.2023 auf parlamentarische Anfrage ergab – erst im 3. Quartal 2021 begonnen haben und bis September 2023 nicht abgeschlossen waren.
Schlechterdings nicht nachvollziehbar ist es, warum das Bundesverwaltungsgericht in seiner abweisenden Entscheidung vom 07.07.2022 zur soldatischen Duldungspflicht der Covid-19-Impfstoffe den bereits damals dokumentierten sicherheitsrelevanten Verstoß gegen §13 V IfSG als auf Dauer nicht hinnehmbares „Vollzugsdefizit“ herunterspielte und ebenso wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 27.04.2022 zur Nachweispflicht im Gesundheitssystem die Sicherheitsberichte des PEI als verlässliche sachverständige amtliche Auskünfte betrachtete. Schon damals war diese Einschätzung verfehlt und ist aufgrund der PEI-Files nunmehr unhaltbar.
Denn weder die im Jahre 2022 vor dem Bundesverwaltungsgericht angehörten Zeugen des PEI noch der damalige Präsident des PEI, Prof. Dr. Klaus Cichutek, hielten es für nötig, die Öffentlichkeit und die Gerichte über den tatsächlichen Zustand der Arzneimittelüberwachung der Covid-19-Impfstoffe zu unterrichten. Eine Analyse des hinter den Kulissen zwischen PEI und dem RKI geführten Schriftverkehrs offenbart ein erschreckendes Bild, das diese Behörden durch ihre Reaktionen auf eine Vielzahl von IFG-Anfragen hin preisgaben. Zu diesen Unterlagen gehört u.a. folgendes Antwortschreiben des PEI vom 29.07.2021 auf eine Nachfrage des RKI vom 06.07.2021 im Zusammenhang mit der Überwachung der Covid-19-Impfstoffe (Hervorhebungen des Autorenteams):
„Spontanberichte von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen sind zur Signaldetektion geeignet. Eine entsprechende Meldeverpflichtung besteht im Infektionsschutzgesetz. Spontanberichte sind in der Regel allerdings nicht geeignet, Häufigkeit, Schwere und Kausalität von potentiellen Impfrisiken zu untersuchen. (…) Um die Daten der KVen für die Untersuchung der Sicherheit der Impfstoffe nutzen zu können, muss das PEI das individuelle Pseudonym eines Impflings mit den nach IfSG zu übermittelnden KV-Daten verknüpfen können, was derzeit nicht möglich ist, da das PEI nicht über die DIM-Daten verfügt. (…) Besonders von Bedeutung für die Beurteilung der Sicherheit von Impfstoffen sind schwerwiegende Nebenwirkungen wie neurologische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Schlaganfälle und Herzinfarkte oder aktuell Thrombosen mit Thrombozytopenie, die zumeist im Krankenhaus diagnostiziert und behandelt werden, und die vermutlich nicht in den KV-Daten abgebildet sind. Um die Sicherheit der COVID-19- Impfstoffe umfassend bewerten zu können, wäre daher zusätzlich zur Analyse der KV-Daten die Auswertung von Krankenkassendaten hilfreich.“
Das Schreiben des PEI endet mit einem Absatz, der es in sich hat (Hervorhebungen des Autorenteams) :
„Fazit: Um die Sicherheit pandemischer Impfstoffe suffizient beurteilen zu können, benötigt das PEI das Pseudonym geimpfter Personen. Dies ermöglicht eine Auswertung von KV-Daten sowie die Sekundardatenanalyse von Krankenkassendaten für die Zwecke der Pharmakovigilanz, sofern gezeigt werden kann, dass das Pseudonym zur Auswertung dieser Datenquellen geeignet ist. Ist dies nicht der Fall, ist eine umfassende Beurteilung der Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe auf der Basis deutschen Daten nicht möglich.“
Nach alldem dürfte erkennbar geworden sein, dass dem PEI nach dem Start der Impfkampagne keine zuverlässige Grundlage für die Sicherheitsüberwachung der neuartigen Covid-19-Impstoffe zur Verfügung stand und der prozessuale Beweiswert der Feststellungen in den Sicherheitsberichten des PEI kritisch zu hinterfragen ist. Während die Gerichte ihre Entscheidungen über 2G-, 3G-Regelungen, sektorale Nachweispflichten und Schadenersatzklagen von Impfgeschädigten bislang u.a. auf die Annahme einer ordnungsgemäßen Arzneimittelüberwachung des PEI gestützt haben, wird dies im Rahmen gerichtlicher Zeugenbefragungen von weiteren Verantwortlichen des PEI und RKI sowie durch die Einholung von unabhängigen medizinischen Sachverständigengutachten zwingend zu überprüfen sein.
Unter dem Stichwort eines rechtsstaatlich nicht hinnehmbaren evidenten „Vollzugsdefizits“ werden Gerichte außerdem zu klären haben, welche Rechtsfolgen fortgesetzte und schwerwiegende Verstöße gegen die vom Bundesverfassungsgericht postulierte „Beobachtungspflicht“ bzw. im Bereich der Duldungspflicht für Soldaten gegen die „Evaluierungspflicht“ hatten. Es geht in diesem Punkt nicht zuletzt um die Glaubwürdigkeit der Justiz, die sich ggf. vorhalten lassen muss, von der Politik sehenden Auges „vorgeführt“ worden zu sein und dieser Missachtung ihrer Autorität auch noch durch eine Konsequenzen vermeidende Folgerechtsprechung eine Absegnung erteilt zu haben.
Das Problem und seine Lösung: Beendigung der Selbstbeschränkung der richterlichen Kontrolle und Beweisaufnahmen
Die Verwaltungsgerichte und auch das Bundesverfassungsgericht haben die Weichen angesichts der pandemischen Lage zugunsten nicht evidenzbasierter Grundrechtseingriffe gestellt. Die Juristen sprechen von einem „Einschätzungs- und Prognosespielraum des Gesetz- oder Verordnungsgebers“. Mit anderen Worten: Die Gerichte halten sich grundsätzlich zurück. Kritisch wird es für den Grundrechtsschutz, wenn tiefgreifende Grundrechtseingriffe nicht mehr juristisch überprüft werden, weil erstens keine Evidenz zur Rechtfertigung des Eingriffs mehr gefordert wird und zweitens dem Staat ein zu weiter Spielraum zugestanden wird. In diesem Fall überlässt die Justiz der Exekutive nahezu uneingeschränkt das Feld, was ein eklatanter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz ist und das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz vor staatlichen Eingriffen aus Art. 19 IV GG aushebelt.
Einzelne Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts dürfen dabei in ihrer wegweisenden Wirkung für das künftige Handeln des Gesetz- und Verordnungsgebers nicht unterschätzt werden: Je weniger eine kritische Überprüfung durch die Gerichte stattfindet, desto größer die Gefahr, dass die Politik dies als Einladung versteht, künftig weitere und immer schwerwiegendere Grundrechtseingriffe in Gesetz- und Verordnungsform zu gießen, weil es gerade politisch opportun erscheint.
Die selbständige Ermittlung der gerichtlichen Kontrolltiefe
Um die Spirale fehlerhafter gerichtlicher Entscheidungen zu beenden, bedarf es nun weiterer Richterinnen und Richter, die in Ansehung der deutlichen Sprache der RKI- und PEI-Files ihre Pflicht zur Sachverhaltsermittlung durch Beweisaufnahmen umsetzen und vorhandenes Recht anwenden. Ein wichtiger Schritt besteht zunächst darin, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, den jeweiligen Spielraum
- für die Einschätzung der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Eingriffs und
- der Prognose für die Auswirkungen des Grundrechtseingriffs auf das erstrebte legitime Ziel auf Grundlage des damaligen verfügbaren Kenntnisstandes des Gesetz- und Verordnungsgebers sorgfältig zu ermitteln. Dafür genügt jedoch keine unkritische Übernahme von Tatsachenbehauptungen des darlegungsbelasteten Staates, der Grundrechtseingriffe vornimmt. Nach fortgeltender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert dies eine gerichtliche Kontrolle, ob
- die in einer vom Staat angenommenen Gefahrenlage für die Allgemeinheit oder Einzelner besteht und
- auch der Grundlagen, aus denen eine solche abgeleitet wird. Die im konkreten Einzelfall zu bestimmende Kontrolltiefe hängt maßgeblich davon ab, ob der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Sachverhaltsermittlung nachgekommen ist, d.h.
- Sachverhaltsannahmen müssen sorgfältig ermittelt sein oder sich zumindest im Rahmen der gerichtlichen Prüfung bestätigen lassen
- sobald gesicherte empirische Daten und verlässliche Erfahrungssätze vorliegen, reduziert sich der Prognosespielraum des Gesetzgebers auf Null
- die tragenden Gesichtspunkte müssen mit hinreichender Deutlichkeit offengelegt werden, um sachfremde Erwägungen ausschließen zu können und
- es müssen alle zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden, um die voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regelung so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können.
Oder anders ausgedrückt: Weite Spielräume gibt es nach verfassungsrechtlicher Wertung nicht zum Nulltarif, sondern diese müssen auch in einer mit Unsicherheiten belasteten Lage durch eine effiziente und evidenzbasierte Methodik der Wissensbeschaffung verdient werden. Der Gesetzgeber darf nicht in Unwissen und Ungewissheit verharren, wenn er Möglichkeiten hat, einen besseren Kenntnisstand zu erreichen, selbst wenn dies frühere schwere Versäumnisse und Fehler offenlegt. Die zahlreichen über Jahre begangenen Versäumnisse und Fehler von Legislative und Exekutive in der Beschaffung notwendiger Daten und Wissen eröffneten diese Spielräume nicht.
Die kritische Überprüfung der Verwertbarkeit amtlicher Auskünfte von RKI und PEI
Die Gerichte verließen sich aufgrund gesetzlicher Aufgabenzuweisung und vorgeblich zuverlässiger Meldedaten nahezu ausschließlich auf die amtlichen Auskünfte des RKI und PEI, die prozessual wie ein gerichtliches beauftragtes Sachverständigengutachten behandelt wurden. In diesem Fall unterliegen die amtlichen Auskünfte des RKI und die dafür verantwortlichen Personen jedoch auch den einschlägigen prozessrechtlichen Vorschriften für die Ablehnung von Sachverständigen, insbesondere den Regeln
- zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit (§§406, 41, 42 ZPO) und
- wegen schwerer fachlicher Mängel des Gutachtens (§412 I ZPO)
Für die Besorgnis der Befangenheit bzw. die fehlende wissenschaftliche Unabhängigkeit ergeben sich aus den RKI-Protokollen eine ganze Phalanx erdrückender Anknüpfungspunkte, so z.B. folgende Passagen (Hervorhebungen des Autorenteams):
„Die Landesbehörden sind aktuell aufgefordert, einen Bericht zu kommentieren, der die Inzidenz von 35/100.000 Einwohner als möglichen Schwellenwert definiert. (…) Indikatoren bereit zu stellen wird aus fachlicher Sicht weitgehend abgelehnt, jedoch werden diese nachdrücklich von politischer Seite eingefordert (eine diesbezügliche Weisung ist jedoch nicht erfolgt). Die genannte Inzidenz kommt aus einer Diskussion zwischen BM Braun und BM Spahn.“ (RKI-Protokoll vom 05.05.2020, S. 9)
„Es gab Anfrage vom BMI, warum das R mit zwei Nachkommastellen berichtet wird (Scheingenauigkeit, ggf. nur 0,5er Schritte), wird nicht kommentiert. Hr. Holtherm hat an BMI kommuniziert, dass es sich um eine Anweisung von Hr. Spahn gehandelt hat, die das RKI umsetzen sollte.“ (RKI-Protokoll vom 06.05.2020, S. 5)
„Impfung von Kindern: Auch wenn STIKO die Impfung für Kinder nicht empfohlen wird, BM Spahn plant trotzdem ein Impfprogramm.“ (RKI-Protokoll vom 19.05.2021, S. 10)
Der neue Passus sorgte für Irritation auf Seiten der Länder. Eine derartige Einflussnahme seitens des BMG in RKI-Dokumente ist ungewöhnlich. Die Weisungsbefugnis des Ministers bei technischen Dokumenten des RKI wird derzeit von L1 rechtlich geprüft. Aktuelle Einschätzung der RKI-Leitung ist, dass die Empfehlungen durch das RKI in der Rolle einer Bundesbehörde ausgesprochen werden, und einer ministeriellen Weisung zur Ergänzung dieser Empfehlung nachgekommen werden muss, da das BMG die Fachaufsicht über das RKI hat und sich als Institut nicht auf Freiheit der Wissenschaft berufen kann. Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt. (RKI-Protokoll vom 10.09.2021, S. 6)
„1-G-Regel
Ist eigentlich eine politische EntscheidungWurde als Frage an den Expertenrat herangetragen, hier sollen Argumente für Präs als Mitglied des Expertenrats gesammelt werden
Gemeint ist z.B. Zutritt zu Restaurants nur mit Auffrischimpfung“
(RKI-Protokoll vom 29.12.2021, S. 9)
„RKI kommt häufiger in die Situation, Situationen fachlich zu begründen, die politischer Natur sind. Häufig kommen diese Anfragen auch über Erlass vom BMG rein, FG36 ist diesbezüglich stark belastet.“ (RKI-Protokoll vom 11.05.2022, S. 9)
und die Aussagen des RKI-Präsidenten Prof. Dr. Schaade in der Beweisaufnahme vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück am 03.09.2024.
Der gerichtliche Ausschluss eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn Tatsachen oder Umstände vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Die derart nicht nur abstrakt, sondern nachweislich der RKI-Protokolle auch tatsächlich weisungsgebundenen Verantwortlichen der RKI-Fachinformationen sind somit wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Ungeachtet dessen geht der Beweiswert der RKI-Expertise angesichts derartig intensiver Einflussnahmen gegen Null.
Ungenügend sind Auskünfte und Gutachten v.a. dann, wenn sie erkennbare Mängel aufweisen, etwa unvollständig, widersprüchlich oder sonst nicht überzeugend sind, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht. Dies führt dazu, dass das Gericht ein zusätzliches Gutachten einholen muss.
Fazit und Ausblick
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur sektoralen Nachweispflicht des §20a IfSG a.F. der Justiz – wohl in Erwartung des mittelfristig einstürzenden Kartenhauses – mit den folgenden Ausführungen eine Hintertüre gewiesen:
„Gleichwohl kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen, weil sie durch nachträgliche Erkenntnisse oder Entwicklungen erschüttert werden.“
Die freigeklagten und geleakten RKI-Protokolle zeigen allerdings, dass ein Großteil der in den Jahren 2020 bis 2023 geschaffenen freiheitseinschränkenden Normen von Anfang mit dem Makel der Verfassungswidrigkeit behaftet waren, weil Gesetzgeber und Exekutive in vielen Bereichen über das notwendige Wissen bereits verfügten oder die notwendigen Erkenntnismöglichkeiten nicht gewissenhaft nutzten. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier kritisierte die gerichtliche Überprüfung der Coronaschutzmaßnahmen anlässlich eines Vortrags am 18.09.2023 mit besonderem Blick auf das Bundesverfassungsgericht als „große Rechtsschutzverweigerung der Justiz“. Wie würde sein Urteil angesichts des Inhalts der veröffentlichten RKI-Protokolle und immer neuer Enthüllungen über das Ausmaß der Substanzlosigkeit der vermeintlich wissenschaftlich begründeten staatlichen Maßnahmen wohl heute ausfallen?
Mittlerweile ist die Bilanz der angerichteten und vermeidbaren Schäden in nahezu allen Lebensbereichen ohne Übertreibung als gigantisch zu bezeichnen, wobei die Coronakrise mit ihren Nachwirkungen zunehmend in eine Staats- und Justizkrise überzugehen droht. Bedenkt man, mit welcher Vehemenz die Justiz noch heute Bußgelder wegen der Nichteinhaltung vernunftfreier Maßnahmen (Maskenpflicht im Freien) oder Freiheitsstrafen wegen falscher Gesundheitszeugnisse (Masken- und Impfatteste) und die Verweigerung der soldatischen Duldungspflicht gegenüber Impfungen gegen Covid-19 verfolgt, andererseits aber eine Vielzahl sicherheitsrelevanter Rechtsverstöße der Exekutive, staatlicher Institutionen und meldepflichtiger Einrichtungen über Jahre sanktionslos hinnimmt, besteht ein inakzeptables rechtsstaatliches Ungleichgewicht.
Die Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Gierhake trifft in ihrem im Jahr 2023 erschienenen Beitrag „Ist das Recht suspendiert worden?“ mit ihrer abschließenden Feststellung den Nagel auf den Kopf. Sie konstatiert, dass der Rechtsstaat in der Corona-Krise zwar an der Oberfläche kaum sichtbare Erschütterungen zeigte, unterhalb dessen jedoch fundamentale Schäden erlitten hat. Es ist unübersehbar, dass eine allzu rasch folgebereite Richterschaft daran einen gewichtigen Anteil hatte, indem sie Simulationen rechtsstaatlicher Verfahren statt echter Sachverhaltsermittlung betrieb.
Soweit der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Gärditz und Autor des im Jahre 2022 veröffentlichten Fachbuches „Gesundheitswissen aus Behördenhand“ in einem FAZ-Artikel vom 17.08.2024 die „gähnende Banalität“ der RKI-Protokolle beklagt und meint, den Gerichten sei nichts anderes übriggeblieben, als auf die Expertise des RKI als Referenz zu vertrauen, so zeigt eine sorgfältige Analyse und rechtliche Einordnung das genaue Gegenteil.
Die deutsche Richterschaft aller Gerichtsbarkeiten hat durch ihre Corona-Rechtsprechung nicht nur Millionen Erwachsene, Kinder und Jugendliche sowie Wirtschaftsunternehmen dieses Landes, sondern zugleich sich selbst gegen evidenzfreie exzessive Maßnahmen des Infektionsschutzes wehrlos gemacht. Diese sind teilweise nicht nur evident verfassungswidrig, sondern haben – wie u.a. die 2G-Regelungen und die sektorale Nachweispflicht des §20a IfSG a. F. zeigen – die menschenverachtende Schwelle gesetzlichen Unrechts erreicht.
Betrachtet man die gegen die Bevölkerung und die Gerichte eingesetzten manipulativen Mechanismen zur Herstellung einer breiten Folgebereitschaft für die Coronamaßnahmen, die von fast allen Bundestagsfraktionen beabsichtigte Verabschiedung einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht gegen Covid-19 und die bereits im Dezember 2021 ausgeloteten rechtlichen Möglichkeiten zu deren Durchsetzung mittels behördlicher Verwaltungsvollstreckung (einschl. körperlicher Gewaltanwendung), muss sich die deutsche Richterschaft in einer breiten öffentlichen Sachdebatte der Frage stellen, ob und wann sie ihre unübersehbare Folgebereitschaft aufgegeben und den evidenzlosen Übergriffen auf die Bevölkerung ein Ende gesetzt hätte, wäre die allgemeine Impfpflicht nicht im Bundestag knapp gescheitert. Der Präsident des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen – Prof. Dr. Heusch – fordert in einem aktuellen Artikel die zur Kontrolle der pandemiebedingten Grundrechtsbeschränkungen befassten Gerichte daher zu Recht auf, in selbstkritischer Rückschau auf die eigene Rechtsprechung zu prüfen, ob sie die Grundrechte angemessen geschützt haben.
Damit allein ist es nun aber nicht mehr getan. Die Justiz der Bundesrepublik Deutschland steht aktuell mit ihrer Kontrolle der millionenfach gesehenen staatlichen Eingriffe in Grund- und Menschenrechte – zu Lasten auch von Kindern und Jugendlichen, Behinderten und Kranken, Gebärenden und Sterbenden – an einem Scheideweg. Nicht etwa das Bundesverfassungsgericht, sondern das Verwaltungsgericht in Osnabrück hat – ungeachtet vorher eigener anderslautender Entscheidungen – nach endlich ermöglichter Kenntnisnahme der RKI-Protokolle den schwerlich umkehrbaren Anfang einer lange erwarteten juristischen Aufarbeitung der Corona-Krise gemacht.
Einer nun ernsthaft neuen, sachlichen und belastbar faktenbasierten gerichtliche Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht steht somit nichts mehr im Wege. Der zuständige 1. Senat des Gerichtes hat es jetzt in der Hand, durch eine angemessen selbstkritische Verfahrensweise und die geboten überprüfende Neubewertung seiner vorangegangenen Entscheidungen die Standfestigkeit des ganzen Bundesverfassungsgerichtes als Bollwerk der Grund- und Menschenrechte unter Beweis zu stellen. Denn auch wenn das Verwaltungsgericht Osnabrück durch seine vorbildliche Beweisaufnahme die Glaubwürdigkeit des RKI und die Glaubhaftigkeit seiner Verlautbarungen bereits für alle übrigen Gerichte sichtbar entzaubert hat, so steht zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht ihm in dieser Größe, eigene Fehler einzugestehen und zu berichtigen, nicht nachstehen wird.
Dieser Schritt ist unabdingbar, will das Bundesverfassungsgericht bei der juristischen Bewältigung der Corona-Krise noch die zentrale Referenz für eine verlässlich tatsachengestützte Verfassungswahrung darstellen. Ungeachtet dessen liegt der Ball nun zugleich im Spielfeld der vielen Instanzgerichte. Diese müssen sich bewusst sein, dass der Rechtsstaat davon abhängt, das essentielle Vertrauen des Publikums in ihre Funktionsfähigkeit mit jeder ihrer Entscheidungen lebendig zu halten.
Die in diesem Beitrag angeführten Daten gehen zu großen Teilen auf die Recherchen des Datenanalysten Tom Lausen zurück, dem beide Autoren für seine umfangreiche Unterstützung danken.
Den gesamten Text mit sämtlichen Fußnoten und Grafiken finden Sie hier.
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Es bleibt zu hoffen, dass man den Osnabrückern Richter nicht genauso hinterher steigt, wie dem Weimarer Familienrichter. Auch bei Richtern in verschiedenen Instanzen herrscht nicht selten der Gedanke vor, ja nicht zugeben zu müssen, das man sich geirrt haben könnte, das man nicht ausreichend und gründlich den Sachverhalt geklärt hat, dass man Zeugen und andere Beweise ignoriert hat oder schlichtweg politische freundliche Urteile fällt, weil man sich irgendeiner politischen Ideologie verpflichtet fühlt oder einfach nur "käuflich" war, durch Ernennungen in höhere Ämter oder Beförderungen. Meine Hoffnung ruht darauf, dass man über die USA und Kennedy, nicht nur amerikanische Corona Verbrecher zur Verantwortung zieht, sondern auch deutsche Mittäter wie Drosten, Wieler und andere. Ob es gelingt Politiker zu Verantwortung zu ziehen bezweifele ich. Zuviele haben mitgemacht und wollen keine ehrlich Aufklärung. Und die Netzwerke bestehen weiter, sind nicht zerschlagen.