- Thüringen steht vor einem Geheimdienstskandal: Die Bombe von Erfurt
Es dürfte eng werden für den Chef des Verfassungsschutzes in Thüringen: Wenige Jahre nach seinem Amtsantritt soll Stephan Kramer vom Innenministerium eine „gewichtige“ Straftat vorgeworfen worden sein. Konsequenzen blieben aus. Dies war der meistgelesene Cicero-Artikel im Dezember.
Schon seit der Wende ist Thüringen in Sachen Verfassungsschutz (VS) ein besonderes Pflaster. Kritiker werfen der Behörde nicht nur ein eklatantes Versagen in Sachen NSU und beim ersten NPD-Verbotsverfahren vor. „Damals hat der Verfassungsschutz den Nazis doch den Arsch gerettet“, sagt selbst Ministerpräsident Bodo Ramelow. An der Tatsache, dass sich der Verfassungsschutz Thüringens mitunter wie ein Staat im Staate aufspielen darf, scheint sich allerdings bis heute nicht allzu viel geändert zu haben.
Irgendwann fiel zum Beispiel auf, dass der Verfassungsschutz regelmäßig Materialien für Öffentlichkeitsarbeit bei der Heron-Verlagsgesellschaft in Auftrag gab. Die in Rechnung gestellten Kosten waren angesichts der erbrachten Dienstleistungen aber viel zu hoch. Später stellte sich dann heraus, dass der angebliche Geschäftsführer der Heron-Verlagsgesellschaft in Wahrheit gar nicht existierte. Hinter dem Pseudonym „Stephan Seeberg“ steckte der örtliche VS-Chef höchstpersönlich. Der Inlandsgeheimdienst hatte einfach eine Scheinfirma gegründet, um Steuermittel für geheimdienstliche Zwecke waschen zu können – vorbei an Parlament und Öffentlichkeit.
Ganz so geht es heute in Thüringen wahrscheinlich nicht mehr zu. Aber was das Nachrichtenportal Apollo News herausgefunden haben will, erinnert trotzdem an diese Episoden aus dunklen Zeiten. Die Journalisten haben ein regelrechtes Scheunentor für interne Informationen und geheime Dokumente geöffnet. Schon das ist eine regelrechte Katastrophe für die Verfassungsschützer und den Staat. Cicero hatte Gelegenheit, einen relevanten Teil dieser geheimen Unterlagen zu sichten.
Kein Jurist, sondern Sozialpädagoge
Im Kern geht es um drei Vorwürfe gegen den aktuellen VS-Chef Stephan Kramer. Im Vordergrund steht dabei aber nicht einmal die Frage, dass gemäß Gesetz eigentlich ein Jurist mit universitärem Zeugnis und Befähigung zum Richteramt die Behörde leiten soll. Kramer hingegen ist Sozialpädagoge mit Fachhochschul-Abschluss. Dass er seinerzeit dennoch auf den Chefposten des örtlichen Inlandsgeheimdienstes berufen wurde, kann man ihm selbst nicht vorwerfen; dafür sind jene verantwortlich, die ihn trotzdem ausgewählt haben. Als Kramer 2015 ins Amt kam, hießen der zuständige Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) und der Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke).
Kramer soll seine Behörde mit resoluter Hand führen. Das muss nichts Schlechtes sein. Apollo News will aber erfahren haben, dass das vor allem eines meint: dass Kramer die Arbeit der Behörde in eine ihm politisch genehme Richtung lenke. Wer sich dem verweigere, könne Schwierigkeiten bekommen. Einem Mitarbeiter soll Kramer sogar mit körperlicher Gewalt gedroht haben. Dieser Vorwurf ist weit mehr als eine bloße Lappalie.
„Kampf gegen rechts“
Besonderer Schwerpunkt in Kramers Arbeit ist seit jeher der „Kampf gegen rechts“. Damit hat er sich über Jahre hinweg bundesweit einen Namen gemacht. Er gehörte unter den Verfassungsschützern zu den Vorreitern einer verschärften Gangart gegenüber der AfD. Das betrifft die Einstufung der Rechtspartei als Prüf- und Verdachtsfall ebenso wie die Feststellung des „gesicherten Extremismus“. Manchmal ist Kramer allerdings etwas übereifrig. Als er einst öffentlich den „Prüffall AfD“ verkündete, hagelte es eine Klage der AfD, die der Verfassungsschutz prompt verlor. Was Kramer damals getan hatte, war also verfassungswidrig und damit ein Rechtsbruch gewesen. Das Verwaltungsgericht Weimar pfiff ihn im Jahre 2021 denn auch zurück. Und das, obwohl seine eigenen Mitarbeiter ihm nach Aktenlage „von der öffentlichkeitswirksamen Verkündung eines Prüffalles abgeraten“ hatten.
Genau in diesem Verhalten könnte das zweite Problem des Stephan Kramer schlummern: dass er nicht auf seine Fachleute hört, sobald deren Meinungen nicht zu seinen eigenen politischen Wünschen passen. Die Einstufung der AfD Thüringens als „Prüffall“ soll seinerzeit jedenfalls ohne Beteiligung der zuständigen Fachleute stattgefunden haben. So geht es aus einer Beschwerde hervor, die der zuständige Referatsleiter damals an Kramer und den Staatssekretär des Innenministeriums gerichtet haben soll. Cicero liegt das Dokument vor. In der Beschwerde heißt es wörtlich: „Der Fachbereich war von Ihnen im Vorfeld – im Gegensatz zu Presse und Journalisten – von der geplanten Verkündung des Prüffalles nicht unterrichtet – geschweige denn beteiligt – worden.“
Drohung mit körperlicher Gewalt
Ganz ähnlich soll es auch gewesen sein, als das Amt die AfD im selben Jahr als „erwiesen rechtsextrem“ einstufte. Nach Recherchen von Apollo News soll damals bewusst ein „Ergänzungsgutachten“ unberücksichtigt geblieben sein, das die Hochstufung rechtlich problematisierte. Dessen Autor sei dann beim zuständigen Personalreferat vorstellig geworden und habe sich beschwert. Es soll sich dabei um dieselbe Person handeln, der Kramer körperliche Gewalt angedroht haben soll.
Noch viel gewichtiger ist aber ein dritter Punkt. Cicero konnte Einblick in einen Vermerk des Thüringer Innenministeriums aus dem Jahre 2019 nehmen. Und in diesem geht es um ein „Disziplinarverfahren gegen Herrn Präsidenten des AfV Stephan Kramer“. Die Scheunentore von Thüringen sind also inzwischen so offen, dass selbst Bestandteile einer Personalakte eines Geheimdienstchefs durch die Republik zirkulieren.
Der Ermittlungsführer führte damals aus, dass gegen Kramer „nicht nur der Verdacht eines schweren Dienstvergehens“ bestehe. Es sei zudem zu befürchten, dass er „ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko“ sei. Würden sich diese Vorwürfe durch die Ermittlungen bestätigen, müsste sogar von einer „gewichtigen Straftat“ ausgegangen werden.
Quellenschutz verletzt
Was war geschehen? Kramer scheint nach Amtsübernahme in seiner Behörde frühzeitig für Unmut gesorgt zu haben. Und einer seiner Mitarbeiter habe sich bei Journalisten des MDR darüber das Herz ausgeschüttet. Die Journalisten hätten daraufhin das heiligste Gesetz des Journalismus überhaupt verletzt, nämlich den Quellenschutz (so ergeben es zumindest die Recherchen von Apollo News): Sie hätten Kramer über den Vorgang prompt informiert. Und dieser habe im Gegenzug die Journalisten über die Lage im Amt aus seiner ganz persönlichen Sicht aufgeklärt. Der Ermittlungsführer schreibt hierzu in seinem Vermerk:
„Gegenstand der disziplinarrechtlichen Ermittlungen ist der Umstand, ob Herr Kramer unbefugt und rechtswidrig an externe Dritte, und zwar an die Journalisten Kendzia und Hemmerling, streng vertrauliche Informationen über ernsthafte Funktionsstörungen und innerdienstliche Spannungen im AfV weitergegeben hat.“
Das scheint Kramer wohl tatsächlich getan zu haben, wie gegenüber Apollo News mehrere Mitarbeiter des Verfassungsschutzes bestätigt haben sollen. Ob es zu einer Disziplinarmaßnahme gekommen ist, geht aus den Unterlagen nicht hervor.
Cicero hat deshalb in Erfurt bei den zuständigen Behörden nachgefragt. Die gegen Kramer erhobenen Vorwürfe wollte man nicht dementieren. Das ist in solchen Fällen nicht ungewöhnlich. Entsprechenden Auskünften können Persönlichkeitsrechte und der Geheimschutz entgegenstehen. Trotzdem ist das für den Betroffenen überaus misslich. Zur Wahrheit gehört nämlich auch: Kramer hätte im eigenen Interesse seinen Dienstherrn von der Pflicht entbinden können, seine Persönlichkeitsrechte zu wahren. Das Innenministerium hätte sich also durchaus äußern können. Das scheint Kramer aber nicht gewollt zu haben.
Geheimnisverrat ohne Konsequenzen?
Deshalb stehen nun drei Vorwürfe im Raum, denen das Innenministerium Thüringens zumindest gegenüber Cicero nicht widersprechen wollte: dass Verfassungsschutzpräsident Kramer einem seiner Mitarbeiter körperliche Gewalt angedroht habe; dass er seine Behörde notfalls auch vorbei an rechtlichen und tatsächlichen Argumenten in parteipolitischer Absicht führe; und dass er als Chef des örtlichen Inlandsgeheimdienstes die Straftat des Geheimnisverrats begangen hätte.
Cicero hat bei den Behörden nachgehakt und ganz abstrakt gefragt, ob damals die Straftat des Geheimnisverrats vorgelegen hätte, wenn sich die Dinge – wie von Apollo News recherchiert – tatsächlich zugetragen hätten. Aber auch hierzu verweigerten die Behörden jegliche Auskunft. Das nämlich sei schlicht nicht ihre „Aufgabe“. Man könne stattdessen einfach selbst einen Blick ins Gesetz werfen.
Im Strafgesetzbuch ist für den Fall des „Geheimnisverrats“ durch einen Amtsträger eine „Freiheitsstrafe“ von „bis zu fünf Jahren“ oder „eine Geldstrafe“ vorgesehen. In Absatz vier des entsprechenden Paragrafen heißt es allerdings: „Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt.“ Das soll heißen: Nur dann, wenn der Vorgesetzte des Straftäters es auch so entscheidet, wird die Straftat überhaupt verfolgt. Angesichts des Schweigens des Innenministeriums von Thüringen auf die Anfrage von Cicero bleibt also möglich, dass Kramer damals tatsächlich eine Straftat begangen hat, diese aber nicht verfolgt, sondern von Amts wegen ignoriert wurde.
Katastrophe für den Rechtsstaat
Nach Lage der Dinge führt in Thüringen also ein Mann den Inlandsgeheimdienst, der das Wasser nicht halten kann und zumindest einmal die Straftat des Geheimnisverrats begangen haben könnte. Das wäre nicht nur für die Demokratie, sondern auch für das Vertrauen in den Rechtsstaat eine regelrechte Katastrophe.
In keinem Bundesland spitzt sich die Frage, wie man die AfD mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln am besten bekämpft, so zu wie in Thüringen. Dem örtlichen Verfassungsschutz gilt es seit 2021 immerhin als „erwiesen“, dass die AfD von Björn Höcke verfassungsfeindlich sei. Und das stellt ausgerechnet eine Behörde fest, deren Chef selbst dem Vorwurf ausgesetzt ist, eine Straftat begangen zu haben. Wobei das zuständige Innenministerium zu diesem Vorwurf lieber nichts sagen will.
Als die AfD im Jahre 2023 deutschlandweit Umfragewerte von mehr als 20 Prozent erreichte, beschimpfte Stephan Kramer Anhänger wie Sympathisanten der Rechtspartei als „braunen Bodensatz “, also als Nazis. Auf die Frage, ob einem Verfassungsschutzchef ein solches Urteil über den Souverän der Demokratie überhaupt zustehe, sagte Ministerpräsident Ramelow gegenüber Cicero: „Nee! Aber ich beteilige mich nicht an öffentlichen Debatten über Herrn Kramer.“ Das könnte sich nun ändern.
Wie reagiert Mario Voigt?
Stephan Kramers oberster Chef dürfte demnächst aber nicht mehr Bodo Ramelow sein, sondern Mario Voigt (CDU). Möglicherweise muss dieser gleich zu Beginn seiner Amtszeit als neuer Ministerpräsident Thüringens einen regelrechten Augiasstall ausmisten.
Eigentlich sollte diese Woche in Thüringen politisch ganz und gar Mario Voigt gewidmet sein. Am Donnerstag will er sich zum neuen Landesvater wählen lassen. Mit Geschick hat er in wochenlangen Verhandlungen eine Koalition zwischen CDU, SPD und BSW für sein Bundesland zustande gebracht. Nun könnte all dies von einem neuerlichen Skandal rund um den Verfassungsschutz Thüringen überlagert werden.
Zum Fall Stephan Kramer will Mario Voigt (CDU) vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten lieber „nichts sagen“. Hält er an Kramer fest, lädt er sich allerdings ganz ohne Not eine kaum zu bewältigende politische Hypothek in der Auseinandersetzung mit der AfD Björn Höckes auf: Man kann die Demokratie nicht glaubhaft verteidigen, wenn an der Spitze des Verfassungsschutzes ein Mann steht, der nach den unwidersprochenen Recherchen von Apollo News selbst geltendes Recht gebrochen haben könnte. Personelle Konsequenzen wären unausweichlich, wenn man Demokratie und Rechtsstaat tatsächlich glaubhaft verteidigen und der AfD nicht unnötig in die Karten spielen wollte. Als Alternative bleibt nur, dass das Ministerium die Vorwürfe ausräumt.
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Bedeutung/ Duden
Klage gegen verfassungswidrige Eingriffe der Staatsgewalt in die von der Verfassung geschützten Rechte des Bürgers.
Der teilweise pervertierte Parteienstaat kann damit nicht umgehen. Er lässt Interventionen - nur mit größten Widerwillen zu. Die Selbstermächtigung einzelner - gewählter und alimentierter Diener des Volkes - ist gewissermaßen schon verfassungswidrig.
Wie kann ein ernannter Wächter der verfassten Ordnung unabhängig sein, - wenn er nicht weisungsunabhängig ist?
Deswegen stellt sich nicht die Frage: Wie konnte es geschehen, dass ein Sozialarbeiter zum Wächter wird - sondern welche Personengruppen haben ein Interesse daran - solch ein - von Ihnen weisungsgebundenes Personal - dort zu platzieren?
In den USA nennt man diese Kreise „verschwörungstheoretisch“ - „Tiefer Staat“.
Gibt es so etwas bei uns, - oder ist das ein Hirngespinst - der von der Demokratie vernachlässigten Wähler?
PS.
Warum sind auf den Ost-Kontrollposten immer nur importierte Westdeutsche?
Warum wurde denn zu einer so umstrittenen und milliardenschweren Entscheidung wie der unsäglich-grenzenlosen Flüchtlingspolitik und auch zur Abschaltung der AKWs kein Volksentscheid zugelassen?
Weil man das Ergebnis schon wusste: 80 - 90 % des Souveräns hätten dagegen gestimmt! Es geht heute nicht um Humanität oder Umwelt, sondern nur darum, den Souverän zu entmachten ... Deutschland übernahmereif für eine Grün-Linke Diktatur zu machen. Nur eine Gruppierung hat vor, das Rad der Geschichte zurück zu drehen vor 1989. Kleiner Tip: die AfD ist es nicht!
j Ich sage nur Faeser, Kramer, Haldenwang, Böhmermann, Restle, Hayali. nichts von dem, was ich zu diesem Personen schreiben könnte, wäre irgendwie bademantelsicher.
Jetzt also Kramer. und der MDR, der, die an Kramers Messer geliefert hat, die den Skandal aufgedeckt haben.
Sie schreiben, es könnte eng werden für ihn. Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Der Skandal köchelt schon etliche Tage in den alternativen Medien. Und der Mainstream tut alles, um ihn vollkommen zu ignorieren. Man kann nur hoffen, dass die AfD im Thüringer Parlament mit ihrer starken Fraktion dort einen Untersuchungsausschuss durchsetzt. Wenn alles nach rechtsstaatlichen Prinzipien verläuft, müsste das möglich sein.
Und das könnte dann tatsächlich eng werden für Herrn Kramer.
HOFFENTLICH.
Den politisch willfährigen Inlands- Geheimdienstchef in Amt & Würden zu belassen .Der wird’s ihm mit entsprechenden „Gutachten & Hochstufungen“ danken um weiteren Stimmzuwachs einer bestimmten Partei zu verhindern. Ob’s wirkt im Thüringer Land ?, werden wir bei der kommenden BT Wahl erleben.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik
Wenn schon für Ministerämter weder Schulabschlüsse oder fragwürdige Schulabschlüsse im Ausland, allenfalls gefakte Lebensläufe und nicht selbst verfasste Bücher, mittels Plagiate erworbene Promotionen vorgetäuscht werden, wie können Sie da kritisieren, dass bei Spitzenämtern Eignungsvoraussetzungen formell beachtet werden. Also wirklich. Seien Sie nicht so kleinlich. Der Mann hat sicher andere Qualitäten und das "richtige" Parteibuch. Und jetzt wo er ein paar Jahre bereits ungeschoren im Amt ist, dürfte er auch manches Geheimnis unserer Spitzenpolitiker im Land kennen. Wer weiß, welche Dossiers er angelegt hat. Und überhaupt. Sind Inkompetenz, Ahnungs- und Charakterlosigkeit geradezu Voraussetzungen geworden in der Politik der etablierten Parteien? Nein, ich glaube nicht, das die von Ihnen in der Headline erwähnte Bombe tatsächlich Sprengkraft besitzt. Er sieht vielleicht so aus, aber die haben längst den Sprengstoff aus der Bombe gemacht oder den Zünder kaputt geschlagen.