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Niederlande vs. Russland - Verhandlungen über Arctic Sunrise

Vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg ist die Russische Föderation wegen der Festsetzung des Greenpeace-Schiffes Arctic Sunrise und seiner Besatzung angeklagt. Was kann der Prozess, dem Russland fernbleibt, bringen?

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Dagmar Dehmer ist Politikredakteurin des Tagesspiegels in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit Umweltthemen und dem Klimawandel

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Es ist der 22. Fall, den der Internationale Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg seit seiner Gründung 1996 verhandelt. Aber noch keiner hat so viel Aufsehen erregt. Am Mittwoch haben die Niederlande vor der Schiedsgerichtskammer unter dem Vorsitz des ISGH-Vorsitzenden Shunji Yanai von Russland die Herausgabe des Greenpeace-Eisbrechers „Arctic Sunrise“ sowie die Freilassung der 30 Besatzungsmitglieder verlangt. Russland nahm an der Anhörung nicht teil. Trotzdem wäre ein Urteil des ISGH, das am 22. November verkündet wird, nach Einschätzung von Seerechtsexperten bindend.

Allerdings hat der Gerichtshof keine Sanktionsmöglichkeit, wenn sich eine Konfliktpartei nicht an ein Urteil hält.

Greenpeace hat gegen die Ölförderung in der Arktis protestiert


Es geht um eine Protestaktion der Umweltorganisation Greenpeace am 18. September auf einer Bohrinsel des russischen Öl- und Gaskonzerns Gazprom in der arktischen Barent-See. Zwei Aktivisten, Sini Saarela und Marco Weber, kletterten an der Plattform „Priraslomnaja“ hoch, um ein Protestplakat gegen die riskante Ölförderung in der Arktis zu entrollen. Schon ein Jahr vorher hatte Greenpeace auf der Plattform protestiert. Damals besetzten Aktivisten, einschließlich des Greenpeace-Chefs Kumi Naidoo, die Plattform fünf Tage lang, bevor sie ihren Protest beendeten. Diesmal griff die Küstenwache des russischen Geheimdienstes ein.

Saarela und Weber wurden gewaltsam von der Plattform geholt und landeten erstmal im eiskalten Wasser. Im Bericht der Küstenwache, der dem niederländischen Antrag beiliegt, ist die Rede davon, das Leben der beiden ausländischen Aktivisten habe „gerettet werden“ müssen, beide hätten Anzeichen von Unterkühlung gezeigt. Sina Saarela hat diese Rettungsaktion lakonisch so beschrieben: „Es war ein Angebot, das wir nicht ablehnen konnten, denn sie hatten Sturmgewehre.“ Tags darauf kaperte die Küstenwache die „Arctic Sunrise“ von einem Hubschrauber aus. Das Schiff wurde nach Murmansk geschleppt, die 28 Greenpeace-Aktivisten und zwei Journalisten wurden verhaftet und sitzen seither in der Stadt am Polarkreis in Untersuchungshaft.

Liesbeth Lijnzaard und René Lefeber vertraten die niederländische Position vor Gericht. Die Juristen aus Den Haag leiteten zunächst her, warum der Seegerichtshof für die Lösung des Disputs zuständig sei, obwohl Russland seine Autorität nicht anerkennen will. Allein das – überaus seltene – Fernbleiben einer Partei stelle die Zuständigkeit nicht infrage.

Russland hat den Seegerichtshof selbst schon angerufen

In einer Verbalnote hatte Russland sein Fernbleiben von der Anhörung damit begründet, dass das Land die UN-Seerechtskonvention (Unclos) 1997 nur unter dem Vorbehalt ratifiziert habe, dass es die Gerichtsbarkeit nicht akzeptieren würde, wenn es um die „Einhaltung des Rechts im Zusammenhang mit dem souveränen Recht auf Rechtsprechung“ gehe.

Das hat Russland allerdings nicht daran gehindert, den Seegerichtshof selbst zweimal in Anspruch zu nehmen. 2007 hatte Russland ein japanisches Schiff, die „Hoshinmaru“, konfisziert, weil Moskau der Besatzung illegale Fischerei in russischen Gewässern vorwarf. Der ISGH entschied damals, dass Russland das Schiff und seine Besatzung gegen Zahlung einer Kaution gehen lassen musste. 2002 war ein russisches Schiff von den australischen Behörden aus dem gleichen Grund eingezogen worden. Auch in diesem Fall durften die „Wolga“ und ihre Besatzung nach Zahlung einer Kaution gehen.

René Lefeber legte in Hamburg dar, warum nach niederländischer Einschätzung Russland die „Arctic Sunrise“ nicht hätte beschlagnahmen und ihre Besatzung nicht hätte einsperren dürfen. Lefeber begann seine Rede mit einem Shakespeare-Zitat über die Freiheit der See. Sein Hauptargument ist das Recht des Flaggenstaates, jegliche Staats- und Polizeigewalt auf einem Schiff auszuüben. Davon gebe es nur wenige Ausnahmen, etwa Piraterie oder den Transport von Massenvernichtungswaffen, Drogen oder „Sklaven“. Das könne beim Greenpeace-Schiff ausgeschlossen werden.

Zumal der russische Präsident Wladimir Putin selbst festgestellt habe, dass die Aktivisten „offensichtlich keine Piraten“ seien. Es gebe zudem keinen Hinweis, dass die Greenpeacer illegal gefischt oder die Meeresumwelt gefährdet hätten. Eine Verfolgungsjagd konnte Lefeber auch nicht erkennen. Aus seiner Sicht sind das alles keine Gründe, die „Arctic Sunrise“ zu betreten, ohne die niederländischen Behörden um Erlaubnis gefragt zu haben.

Harte Gefangenschaft für Greenpeace-Aktivisten


Der Greenpeace-Anwalt Daniel Simons berichtete, dass der Organisation die direkten Quellen zur Beschreibung des Hergangs – Logbuch, Aufzeichnungen des Funkverkehrs, direkte Zeugenaussagen der Besatzung – nicht zur Verfügung standen. Kumi Naidoo hatte am Rande des Verfahrens über die harten Haftbedingungen für die 30 Aktivisten geklagt. Sie säßen 23 Stunden des Tages in einer engen unbeheizten Zelle. Zu Beginn habe es nicht einmal ausreichend Trinkwasser gegeben.

Auf eine Frage des russischen Richters Wladimir Golitsin bestätigte Daniel Simons, dass die Aktivisten über die rechtlichen Risiken des Protests aufgeklärt worden seien. Richter Yanai zeigte sich beeindruckt von der „Qualität des Vortrags“ der niederländischen Juristen. Nach drei Stunden war die Anhörung vorbei.

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