Jimmy Carter
Jimmy Carter / dpa

Zum Tod von Jimmy Carter - Georgia On His Mind

Die Nachrufe in manchen Fernsehsendungen auf den am Sonntag im Alter von 100 Jahren verstorbenen Jimmy Carter erwecken den Eindruck, als sei ein Mann vom Rang eines Franklin D. Roosevelt verschieden. Doch ältere Amerikaner erinnern sich an Carters Amtszeit als eine Ära nationaler Demütigung.

Autoreninfo

Ronald D. Gerste ist Historiker, Publizist und Augenarzt. Er lebt in der Nähe von Washington, D.C.

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Iran. Iran. Iran. Den Namen des den USA so fernen Landes hat Jimmy Carter als Fluch empfunden. Die Präsidentschaft des Politikers aus Georgia wird für immer mit der Geiselnahme des amerikanischen Botschaftspersonals assoziiert sein. Doch eine Glanzzeit war die Administration des 39. Präsidenten der USA auch sonst nicht – abgesehen von ihrem außenpolitischen Highlight, dem Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten in Camp David. Doch so glücklos Carter als Präsident wiederholt agierte, so gut meinte es „Mother Nature“ mit ihm. Mehr als vier Jahrzehnte blieben ihm, um sein Image als weltweit agierender Friedensvermittler und Wohltäter unterprivilegierter Menschen zu festigen. Wie die Würdigungen nach seinem Tod zeigen, mit Erfolg.

Malaise. Obwohl er das Wort selbst nicht gebrauchte, charakterisiert es nicht nur die berühmteste Fernsehansprache Jimmy Carters an die amerikanische Nation, sondern auch weite Teile seiner Präsidentschaft. Am 15. Juli 1979 versuchte der 39. US-Präsident seine Landsleute von einigen unbequemen Wahrheiten zu überzeugen. Unter dem Motto, dass es eine Vertrauenskrise (crisis of confidence) gäbe, verband Carter ein eher allgemeines Lamentieren über wachsende Selbstzweifel am Sinn des Lebens in Amerika mit Ermahnungen, vom bisherigen American Way of Life angesichts der weltweiten Energiekrise Abschied zu nehmen. Mit seiner Neigung zum Mikromanagement schlug er dann Details vor wie das Auto einen Tag pro Woche in der Garage stehen zu lassen und die Thermostate daheim tiefer einzustellen, um Heizenergie zu sparen. Der grundsätzliche depressive Tenor der Rede, die meist zerknirschte Physiognomie des Präsidenten und seine leicht nuschelnde Sprache gaben vielen Amerikanern das Gefühl, dass die Probleme des Landes auf sie abgewälzt wurden – von jener Führungsstärke, die man von einem Präsidenten erwartete, war in der Rede und bei anderen Auftritten Carters in diesem seinem dritten Jahr im Amt wenig zu spüren. Amerika, so schien es vielen, war eine gedemütigte Großmacht, drangsaliert von wenig sympathischen, ihre Ölmacht ausspielenden Ländern im Nahen Osten (von denen einige als Verbündete“ galten und gelten). Niemand konnte ahnen, dass binnen weniger Monate auf die USA und ihren Präsidenten eine Demütigung ganz neuer Größenordnung zukommen sollte.

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Erich Becker | Mo., 30. Dezember 2024 - 19:24

Will man Carter gerecht werden, sollte man das Buch «The American Deep State – Wall Street, Big Oil, and the Attack on U.S. Democracy» von Dale Scott (mit vielen Quellenangaben) gelesen haben - was der Autor offensichtlich nicht tat!
Wir, die Leser, hätten sonst erfahren, dass, aller Wahrscheinlichkeit nach, ein Komplott der US-Geheimdienste mit Hilfe Israels und Manipulationen der Öllobby zur Abwahl von Jimmy Carter geführt haben.
Stichpunkte dazu:
1. Veteranen der CIA, die für Reagan Kampagne machten, brachten den Iran dazu, mit der Befreiung der Geiseln bis nach den Präsidentenwahlen zu warten, was Carter schadete und Reagan nutzte.
2. Israel wiederum wollte keine zweite Amtszeit von Jimmy Carter, weil Carter zusammen mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat für Israel unter anderem eine Zweistaatenlösung hätte durchsetzen wollen. Während der zweiten Amtsperiode hätte Carter keine Rücksicht mehr auf die Israel-Lobby in den USA nehmen müssen...

3. Als weiteren Grund führ die Nichtwahl Carters ist eine bewusste Verknappung Benzins zu nennen. Die Öllobby liess die Preise explodieren -und dies führte in den USA zu langen, äusserst unpopulären Schlangen vor Tankstellen.
Recherchen des Journalisten Robert Sherrill, der für grosse US-Magazine schrieb, hatten verdeutlicht, dass für die Verknappung des Benzins «in erster Linie US-Ölkonzerne verantwortlich waren». So zeigten die ausgewerteten Statistiken, dass die Konzerne noch mehr Öl und Gas aus den USA exportierten als in den Vorjahren, während sie gleichzeitig die Lieferungen an US-Händler drosselten, so dass es zu Lieferengpässen kam.

Erich Becker | Mi., 1. Januar 2025 - 12:11

Antwort auf von Erich Becker

Die CIA war mit Präsident Carter unzufrieden, weil er Stansfield Turner zum Direktor ernannt hatte. Dieser habe etliche Undercover-Agenten des CIA in Vietnam freigestellt und es unterlassen, langjährige Alliierte der USA – wie den Schah von Persien oder Nicaraguas Diktator Anastasio Somoza – vor dem Sturz bewahrt zu haben.

So Robert Parry, der für die Agentur AP und für «Newsweek» den Iran-Contra-Skandal aufgedeckt hatte: «The CIA/Likud Sinking of Jimmy Carter».

Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn nicht auch am Versagen der Carter-Administration in der Iran-Krise (Machtergreifung der Ajatollahs, Botschafts-Geiseln) wieder die Juden Schuld gewesen wären!
Ich will Carter keineswegs den guten Willen absprechen, aber seine Regierung agierte schwächlich und konfus. Der Nahost-Frieden scheiterte nicht an Israel! Oder sind an der (von Arafat und dessem verbrecherischen Anhang bejubelten) Ermordung des ägyptischen Friedenspräsidenten Sadat auch die Juden/Israelis Schuld?
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Gerade wird bekannt, daß das islamo-faschistische Ajatollah-Regime die Praxis der Geiselnahmen wiederaufgenommen hat. Die italienische Journalistin Cecilia Sala, die sich mit gültigem Journalistenvisum im Iran aufhielt, wurde 19.12.2024 verhaftet und sitzt in einem der berüchtigsten KZs des Regimes, 'Evin-Gefängnis' genannt, in Einzelhaft.
Es ist die politische Mitverantwortung der Carter-Regierung, daß sich dieses Geiselnehmer-Regime etablieren konnte. Dieses Regime muß weg!

Kelmut Hohl | Mo., 30. Dezember 2024 - 23:22

Eine Übereignung des Kanals an Panama war auch keine Glanztat. Die Panamaer waren nicht in der Lage die Wasserversorgung rechtzeitig zu sichern. Die Amerikaner haben schon 1937 festgestellt, daß die Wasserversorgung, vor allem beim zukünftigen Einbau weiterer Schleusen nicht mehr gesichert ist. Letztes Jahr mussten wg. des Wassermangel die Schiffsdurchfahrten drastisch reduziert werden, ; trotzdem stiegen die Einnahmen des Kanals. Kein Wunder, daß sich Trump über die mittlerweile maßlosen Transitgebühren aufregt, werden doch 70% amerikanische Güter durch den Kanal transportiert. Der Kanal wurde übrigens hauptsächlich nicht von Panamenios. erbaut. Die Amerikaner allein hferatten wohl 38.000 Opfer zu beklagen.

Ernst-Günther Konrad | Di., 31. Dezember 2024 - 10:31

In seiner Amtszeit war ich ein junger Mann, im Begriff im Beruf Karriere zu machen, mit dem Lebensalltag nach Auszug zu Hause in eine eigene Wohnung, erste Lebensgemeinschaft genug beschäftigt. Um Politik kümmerte man sich nur am Rande. Natürlich sah man Nachrichten und man kannte auch Jimmy Carter. Aber eben nur das, was man wissen "sollte". Zu kritischem Hinterfragen hatte man keine Zeit und das "wahre" Leben nahm einem voll in Beschlag. Deshalb kann ich über ihn nichts wirklich erhellendes beitragen. Ob er ein großer, ein durchschnittlicher ein schlechter Präsident war? Das wird jeder anders sehen. Jedenfalls 100 Jahre alt zu werden und letztlich friedlich einschlafen, ein Lebensziel, das nicht allen vorbehalten ist. Über Tote soll man nicht schlecht reden, sagt der Volksmund. Ich halte mich dran. RIP.

Thorwald Franke | Di., 31. Dezember 2024 - 12:36

Der Artikel ist ein Paradebeispiel dafür, wie man den Begriff "Humanismus" den Linken überlässt. Aber Humanismus bedeudet eben auch: Vernunft. Vor allem Vernunft. Und vernünftig war vieles von dem, was Carter tat, nicht. Nur gut gemeint. Aber "gut gemeint" und "humanistisch" ist eben nicht dasselbe. Carter war kein Humanist. Höchstens eine linke, verzerrte Karikatur eines Humanisten. Wer nach einem echten Humanisten in unseren Tagen sucht, könnte vielleicht in Argentinien fündig werden: Hier verbindet Javier Milei eine gute Absicht mit sehr viel Vernunft. Das ist wahrer Humanismus. Das ist unsere Kultur.