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Griechenland-Krise - Der deutsche Kurs ist krachend gescheitert

Déjà-vu in der Griechenland-Krise: Wie schon 2010 sträubt sich Deutschland gegen Hilfe. Das kann nicht gut gehen

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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Wann ist eine Haltung dogmatisch? Wenn man nicht mehr darüber reden kann. Genau das scheint das Problem mit der deutschen Haltung gegenüber Griechenland zu sein. Man kann nicht darüber reden, denn alles andere würde europäische Prinzipien und Verträge verletzen – sagt jedenfalls Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Merkwürdig nur, dass die meisten EU-Politiker das völlig anders sehen. In Brüssel behauptet niemand, dass die in Griechenland besonders umstrittene Troika in den EU-Verträgen verankert sei. In Brüssel hat auch noch niemand ein Prinzip entdeckt, das es verbieten würde, über Schulden zu reden, oder über eine Umschuldung.

Im Gegenteil: Sie reden miteinander, die Herren Tsipras, Juncker, Tusk und Schulz. Am Mittwoch haben sie sich in Brüssel getroffen und in aller Freundschaft, mit Wangenkuss und Schulterklaps, über die Probleme und Wünsche Griechenlands diskutiert. Tabus hat es dabei, so weit erkennbar, keine gegeben. Ganz im Gegenteil.

EU-Kommissionspräsident Juncker hat sich bereits für eine Abschaffung der Troika ausgesprochen. Parlamentspräsident Schulz stimmt Tsipras zu, dass die neue Regierung in Athen nun auch einmal die Reichen zur Kasse bitten sollte. Und Ratspräsident Tusk hat Gespräche über eine Umschuldung zumindest nicht ausgeschlossen. Geht doch!

All das und noch viel mehr sollte auch in Berlin gehen, wenn der griechische Finanzminister Varoufakis seinen Amtskollegen Schäuble trifft. Schließlich liefert Varoufakis eine Steilvorlage: Nie und nimmer wolle Athen sein Konto überziehen, die Zeiten des Budgetdefizits seien ein für allemal vorbei, sagte er in einem „Zeit“-Interview.

Das ist voll auf Schäuble-Linie - wie auch viele andere Äußerungen des neuen griechischen Kollegen. Innerhalb nur einer Woche hat Varoufakis bereits viel Kreide gefressen; mit seinem Interview ist er auf Schäuble zugegangen. Nun sollte sich auch der deutsche Kassenwart bewegen und seine dogmatische Haltung überwinden.

Merkels Reformkurs gescheitert
 

Denn eins ist doch wohl klar: Der deutsche Kurs in Griechenland ist krachend gescheitert. Nicht nur Tsipras und die neue Linksregierung fordern einen Kurswechsel. Auch schon sein Amtsvorgänger Samaras wollte die Zwangs-Finanzierung durch die Euroretter beenden und die Troika loswerden. Das hat Samaras sogar monatelang angekündigt.

Doch beim Eurogruppen-Treffen im Dezember musste Samaras klein beigeben – Schäuble bestand auf einem neuen Hilfsprogramm und weiteren Kontrollen der Troika. Berlin trägt also eine direkte Mitverantwortung am Sturz der alten, willfährigen Regierung und am Machtwechsel in Athen. Höchste Zeit, sich das endlich einzugestehen.

Höchste Zeit auch, die gescheiterte deutsche Politik gegenüber Griechenland zu korrigieren. Was spricht denn dagegen, die Schulden weiter zu strecken? Wo ist das Problem, wenn der Schuldendienst künftig an das Wachstum gekoppelt wird – und man so einen Anreiz für beide Seiten schafft, die griechische Wirtschaft flott zu kriegen?

In Brüssel werden diese und viele andere Ideen bereits diskutiert. Sogar in Frankfurt, am Sitz der Europäischen Zentralbank, scheint ein Umdenken einzusetzen. Nur in Berlin hält man an den alten Denk- und Sprechverboten fest. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch kontraproduktiv. Deutschland wirkt zunehmend isoliert.

2010 war das übrigens schon einmal so. Damals, zu Beginn der Schuldenkrise, verweigerte Berlin monatelang seine Solidarität. Erst in letzter Sekunde stimmte Deutschland einem Hilfsplan zu – und machte die Griechenland-Rettung damit unnötig teuer. In Brüssel will man alles tun, um eine Wiederholung zu verhindern. Und in Berlin?

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