- Seine Schlossallee ist das Internet
Mit seinem Unternehmen HRS ist Tobias Ragges unangefochtener Marktführer für Hotelbuchungen im Internet. Der 35-Jährige führt seine Firma wie sein Vater – und handelte sich bereits eine Abmahnung des Kartellamts ein
Tobias Ragge hat bei HRS im Callcenter angefangen, als Teenager. Weil er mit 13 schon vorhatte, eines Tages Chef des Hotel Reservation Service zu werden. Nur eins wollte er nie sein: „der Sohn“.
Aber Hotels sind Ragges Leben. Mutter Gisela führt das Savoy-Hotel in Köln, Vater Robert hat den Hotel Reservation Service vor 40 Jahren gegründet. Der Sohn ist heute Chef des größten deutschen Hotelportals HRS. Mit 60 Prozent Marktanteil in Deutschland wächst das Familienunternehmen seit Jahren zweistellig, hrs.de hat zehn Millionen Visits pro Monat. Gewinn- und Umsatzzahlen bleiben Geschäftsgeheimnis.
2011 übernahm der 35-Jährige den größten Wettbewerber hotel.de. Die Mitarbeiterzahl hat sich in den vergangenen vier Jahren verdoppelt, auf rund 1.100. Ragge treibt die internationale Expansion voran. Gerade hat die achte Auslandsniederlassung in Singapur eröffnet. Weltweit 250.000 Hotels sind HRS-Geschäftspartner. 30.000 Firmenkunden buchen über die Plattform Zimmer für Geschäftsreisen. Nach Schätzungen des Branchenverbands IHA werden etwa die Hälfte der Hotelbetten inzwischen online gebucht. Insofern profitieren die Hotels von Portalen wie HRS, gleichzeitig wächst aber auch die Abhängigkeit. Der deutsche Marktführer HRS kassiert für jedes vermittelte Zimmer 15 Prozent Provision.
„Die Hoteliers sind HRS dafür in einer Art Hassliebe verbunden“, sagt Marco Nussbaum, Chef des Budget-Design-Hotels Prizeotel in Bremen. „Viele Hotels können ohne HRS gar nicht mehr leben.“ Die Ragges hätten schon viel Kritik einstecken müssen. „Aber dafür drehen sie das ganz große Rad mit ihren Investitionen in Werbung und Technik.“
Als Ragge im vergangenen Jahr die Provision erhöhte, ging trotzdem ein Aufschrei durch die Branche. Den HRS-Chef lässt das kalt: „Unser Service ist für die Hotels immer noch viel günstiger, als wenn sie sich selbst um Vertrieb und Marketing kümmern müssten.“ Außerdem nähmen andere Anbieter wie Expedia 25 Prozent Provision.
Ragge ist ein Zahlenmensch. Er hat HRS mit 31 Jahren übernommen, nachdem er mit BWL-Abschluss das Trainee-Programm der Lufthansa absolviert hatte. Für eine Konzernkarriere war er nicht geeignet: „Ich bin nicht der Diplomatischste, und für die war ich nur die Nummer 87.344.“ Er übte als Trainee in großen Meetings Kritik: „Das fanden die ungeheuerlich.“
Seite 2: Ragge zeigt den Hotels, was sie selbst verschlafen haben
Bei HRS ist er die Nummer eins. So wie es lange sein Vater war. Der hatte ein kleines Reisebüro in Köln und sah die Leute während den Messen händeringend nach Unterkünften suchen. Er fand sie, im Umland, in kleineren Häusern, die kein Geld für Werbung hatten.
Robert Ragges beste Geschäftsidee war jedoch, das Portal schon 1995 online zu stellen. Als Expedia und Booking.com den deutschen Markt betraten, dominierte ihn HRS bereits. Im stark fragmentierten deutschen Hotelmarkt, in dem 91 Prozent Mittelständler und Einzelunternehmer sind, ist der Vorsprung schwer aufzuholen.
Ragge polarisiert die Branche, weil er den Hotels aufzeigt, was sie selbst verschlafen haben: Wie man Hotelzimmer am besten im Internet verkauft. Seit 2006 verlangt HRS dafür die Bestpreisgarantie. Sie soll verhindern, dass die Hotels den Gästen, die über HRS erst auf ihre Internetseiten kommen, günstigere Preise als auf dem Portal bieten. Damit sicherte sich Ragge das Vertrauen der Nutzer.
Zum 1. Mai hat Ragge die Geschäftsführung erweitert, sich Branchenexperten ins Haus geholt. HRS ist zu groß geworden für einen Chef. Und für einen Führungsstil, wie ihn Vater Ragge noch praktiziert hat: management by walking around. „Er ist ein Bauchmensch, ich bin ein Analytiker“, sagt Ragge. Trotzdem spricht er viel von Leidenschaft für das Geschäft.
Im Januar ging diese Leidenschaft dann mit ihm durch: Der kleine Wettbewerber Justbook startete eine Smartphone-App für Last-Minute-Hotel-Buchungen für dieselbe Nacht zu einem geringeren Preis als HRS. Ragge forderte von den Hotels den gleichen Rabatt. Daraufhin mahnte das Kartellamt ihn ab, wegen der Gefahr für den Wettbewerb.
Justbook-Gründer Stefan Menden weiß, dass er Ragge an einer empfindlichen Stelle getroffen hat: „Justbook hat nicht das Marketingbudget von HRS. Aber die aggressive Reaktion von HRS auf unseren Start hat natürlich Aufmerksamkeit auf die App gelenkt.“ Plötzlich steht Ragge als Goliath da, der gegen den mobilen, innovativen David kämpft. „Justbook wird eine Randnotiz in der Geschichte bleiben“, sagt Ragge etwas zu demonstrativ, als müsse er sein mangelndes Talent in Diplomatie unter Beweis stellen. Gegen neue Konkurrenz wird er sich trotzdem wappnen müssen.
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