Belesen, bescheiden, berufen
Zur Volkswirtschaft kam Lars Feld eher zufällig, blieb aber dabei, obwohl er die Mathematik mühsam fand. Jetzt gehört der 44-Jährige zu den fünf Wirtschaftsweisen. Ein Vertreter der jungen Ökonomengeneration, die sich die Fakten ansehen, bevor sie sich eine Meinung bilden.
Der Mann reist stets mit schwerem Gepäck. 30 Kilogramm bringt sein Koffer für gewöhnlich auf die Waage, manchmal 40. Das hängt ganz davon ab, was Lars Feld gerade liest: die gesammelten Werke von Friedrich August von Hayek zum Beispiel oder sämtliche Schriften von James Buchanan.
Egal, wohin der Freiburger Ökonomieprofessor Lars Feld auch fährt, einen Koffer voller Bücher hat er immer dabei. „Ich brauche meine Bettlektüre“, sagt er. Adam Smith hat er im Original gelesen, David Ricardo und John Maynard Keynes auch. Und viele Nichtökonomen wie die Philosophen Thomas Hobbes, John Rawls und Martin Heidegger.
Der Mann ist immer auf der Suche – nach neuen Ideen und Anregungen. Er schaut über den Tellerrand hinaus, begeistert sich für die neueste Forschung genauso wie für die Klassiker der Nationalökonomie. Er vertieft sich in abseitige Themen und gibt sich nicht mit naheliegenden Lösungen zufrieden.
Feld ist gerade mal 44 Jahre alt, und „Ideas“, das renommierte Internetportal für Ökonomie, zählt ihn zu den weltweit einflussreichsten 5 Prozent seiner Disziplin. Mit seiner Berufung in den Sachverständigenrat gerät er jetzt auch stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Als neuer Wirtschaftsweiser ist er dort für die Finanzpolitik zuständig.
Kaum jemand hatte den 44-Jährigen auf der Liste. Am meisten hat es ihn selbst überrascht, dass die Bundesregierung ausgerechnet bei ihm anklopfte: „Ich hätte zunächst an ganz andere Leute gedacht.“ Im Berliner Medienzirkus hat er bislang kaum eine Rolle gespielt.
Feld, der seit 2010 das Walter-Eucken-Institut an der Uni Freiburg leitet und zuvor in Heidelberg, Marburg und St. Gallen lehrte, passt so schnell in keine Schublade. Er ist nachdenklich, bescheiden, vielschichtig. Jemand, der in einem Interview auch schon mal mit längerem Schweigen antwortet und öffentlich einräumt: „Auch Sachverständige können sich irren, insbesondere was Prognosen betrifft.“
Für seinen neuen Zusatzjob bringt er aber alle Anforderungen mit. Einen Experten für alles, was mit Steuern, Staatsausgaben und Schulden zu tun hat, brauchte der Sachverständigenrat. Genau dazu hat Feld viel geforscht – zum Beispiel, welche Folgen es hat, wenn Länder miteinander in Steuerwettbewerb treten; wie ausländische Direktinvestitionen und Steuern zusammenhängen und was Menschen zu Steuerhinterziehern macht.
Mit Blick auf die konkrete staatliche Haushaltspolitik vertritt Feld eher konservativ-liberale Positionen: Er pocht auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen und hat eine Vorliebe für niedrigere Steuern. Feld war einer der gedanklichen Väter der grundgesetzlichen „Schuldenbremse“, die dem staatlichen Leben auf Pump enge Grenzen auferlegt.
Er hat zwar kein Parteibuch, gehört aber mehreren liberalen Zirkeln an – der Mont-Pèlerin-Gesellschaft und dem Kronberger Kreis, der unter der Devise „Mehr Mut zum Markt“ das „Ausufern staatlicher Bevormundung verhindern“ will. All dies machte ihn für Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle attraktiv.
Ein wirtschaftspolitischer „Hardliner“, als den ihn die Financial Times Deutschland charakterisiert, ist Feld dennoch nicht. Er ist kein Ordnungspolitiker der alten Schule, sondern gehört zu einer neuen Generation von undogmatischen Volkswirten, die sich erst die Fakten anschauen, bevor sie sich eine Meinung bilden. „Ich stehe in allererster Linie für eine evidenzbasierte Ökonomik“, betont Feld.
Er war einer der wenigen deutschen Ökonomen, die von Beginn an die staatlichen Konjunkturprogramme in der Finanzkrise ausdrücklich begrüßt haben. Die Grundsatzdebatten, die viele seiner Kollegen über den schlanken Staat und die optimale Höhe der Staatsquote führen, langweilen ihn. Die Staatsquote gibt an, wie viel Prozent der Wirtschaftsleistung in einem Land auf die öffentliche Hand entfallen – in Deutschland sind es derzeit rund 48 Prozent, in den Vereinigten Staaten dagegen nur 39 Prozent. Viele liberale Ökonomen halten sie für eine zentrale volkswirtschaftliche Größe und fordern vehement eine Senkung der Staatsquote, damit die private Wirtschaft mehr Luft zum Atmen bekommt. Feld sieht die Debatte gelassen: „Ich halte die Staatsquote für ziemlich überschätzt“, sagt er. Ob die Staatsausgaben so niedrig sind wie in den USA oder mehr als 50 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen wie in Frankreich oder Skandinavien, sei ziemlich egal. „Für diese Position beziehe ich immer wieder Prügel“, sagt Feld.
Zur Volkswirtschaftslehre ist Feld durch puren Zufall gekommen. Nach Abitur und Bundeswehr („verschwendete Zeit“) hatte er keine Ahnung, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Zeitweise dachte er über ein Medizinstudium nach – eine Idee, die er nach ein paar Monaten als Aushilfspfleger fallen ließ. Dafür ist der bekennende Bayern-München-Fan heute mit einer Ärztin verheiratet. Er liebäugelte zunächst mit Journalismus und begann in seiner Heimatstadt Saarbrücken ein Politikstudium. Dabei musste er auch eine VWL-Vorlesung belegen. Die begeisterte ihn so sehr, dass er das Fach wechselte. „Nur die viele Mathematik fand ich anfangs ziemlich mühsam“, erinnert sich Feld. Finanziert hat er sein Studium, indem er weiter als Krankenpfleger jobbte, erst in der Geriatrie und später dann in der Psychiatrie.
Vielleicht rührt daher Lars Felds Demut, die ihm auch in seinem neuen Job helfen wird: „Ich glaube nicht, dass wir Wissenschaftler in jedem Fall genau sagen können, was politisch die richtige Entscheidung ist.“
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