Lord of War
Oliver North war ein hoch dekorierter Offizier der US-Marines und Anti-Terror-Koordinator im Nationalen Sicherheitsrat unter Präsident Reagan – bis 1986 die „Iran-Contra“-Affäre aufflog.
Das Duell lässt ihn nicht los, der Gegner verfolgt ihn immer noch wie eine Obsession, auch 20 Jahre nach dem Iran-Contra-Skandal. Und so ist Oliver North abermals in den Kampf gezogen, den er 1986 nicht zu Ende führen durfte. Kurz vor der Präsidentenwahl in Nicaragua Anfang November hat der pensionierte Oberstleutnant der US-Marines das mittelamerikanische Land besucht, um vor Daniel Ortega zu warnen, dem Ex-Marxisten und Ex-Sandinistenführer. „Wenn der Präsident wird, ist das schlecht für euer Land und schlecht für mein Land“, hat er im Fernsehen die Wähler gewarnt.
Geholfen hat North’ Reden nicht, Ortega wurde gewählt – allerdings nicht als der ideologische Linke, der er einst war. Der Schnurrbart ist ergraut, im Wahlkampf hat er den moderaten Versöhner gegeben, der einen Commandante der früheren Contra-Rebellen zu seinem Vize macht und zur weltanschaulichen Wende fähig ist.
Oliver North dagegen scheint ganz der kalte Krieger geblieben zu sein. Die olivfarbene Uniform, die er im Nationalen Sicherheitsrat unter US-Präsident Ronald Reagan und im Untersuchungsausschuss des Kongresses zur Iran-Contra-Affäre 1987 trug, hat er in Nicaragua gegen einen dunkelblauen Anzug eingetauscht. Beim rechten TV-Sender „Fox News“ hat er sonntagabends seine eigene Show, „War Stories“. Dort erläutert er in schwarzem T-Shirt und schwarzer Pilotenlederjacke, die gut zum silbergrauen Kurzhaarscheitel des 63-Jährigen kontrastieren, Militärgeschichte als Parabel auf die aktuelle Politik. Wenn zum Beispiel Irak-Vietnam-Vergleiche die Medien bewegen, erinnert er an die Tet-Offensive des Vietcongs 1968 und erklärt, die USA hätten den Vietnamkrieg nicht militärisch verloren, sondern wegen zaudernder Politiker im Kongress, die den Heldensoldaten die Unterstützung entzogen. Für Amerikas Rechte ist er ein verkannter Patriot, für die Linke ein Gesetzesbrecher und Verräter an der Demokratie, der nur dank juristischer Winkelzüge dem Gefängnis entging. Der Zweck heiligt die Mittel – die einen sagen es bewundernd, die anderen voll Verachtung.
Sein Wahlkampfauftritt in Nicaragua hat all die alten Kontroversen wieder aufgewirbelt. In einer Geheimaktion hatte North, damals Mitglied von Reagans Sicherheitsrat, den Verkauf von Waffen an das Mullah-Regime im Iran organisiert, um mit den Erlösen den Kampf der Contras gegen Ortegas Sandinistenregierung zu finanzieren. Der Kongress hatte diese Unterstützung im sogenannten „Boland Amendment“ verboten. Die Waffenverkäufe an Iran, für Amerikaner ein Erzfeind seit der Besetzung der US-Botschaft in Teheran mit mehrmonatiger Geiselnahme während der islamischen Revolution 1979, kamen im November 1986 ans Licht, im Zusammenhang mit dem Freikauf von Hisbollah-Geiseln im Libanon. Reagan behauptete, er habe von den Vorgängen nichts gewusst, und warf North aus dem Sicherheitsrat.
Bei Befragungen belog North die Untersuchungskommission zunächst, wie er später in einer weiteren Sitzung vor laufenden Kameras zugab. Er nannte es „eine gute Sache, den Freiheitskämpfern zu helfen“. 1988 verurteilte ihn ein Gericht zu drei Jahren Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 150000 Dollar. Die Berufungsinstanz kassierte das Urteil 1990 – mit der Begründung, North habe während seiner offenen Aussagen im Untersuchungsausschuss eine begrenzte Immunität genossen. Seine Aussagen hätten nicht zu seinem Nachteil verwendet werden dürfen, denn sie hätten womöglich zu seiner Vorverurteilung geführt und ein faires Strafverfahren verhindert.
Die jähe Prominenz machte den gebürtigen Texaner und mehrfach dekorierten Vietnamkämpfer zu einer Spottfigur linker Filmemacher. In Michael Moores Satire „Canadian Bacon“ wird North im Abspann US-Präsident. In „Lord of War“ spielt ein US-Marine namens Oliver Southern eine Hauptrolle, eine Namens-parodie. Davon hat sich Oliver North nie beirren lassen und seine Berühmtheit bestens vermarktet. 1994 bewarb er sich für den Senatssitz von Virginia, führte sogar, unterlag jedoch am Ende dem Demokraten Charles Robb. Auch diese Episode wurde verfilmt, in „A Perfect Candidate“. North hat zehn Bestseller geschrieben mit martialischen Titeln wie „Under Fire“, „Mission Compromised“ oder „The Assassins“. Er zog für „Fox News“ mit der US-Armee nach Afghanistan und Irak. Er ist ein teurer, aber gefragter Gastredner.
Bei seinen Auftritten preist er drei F-Wörter als wichtigste Werte im Leben: „Family, faith and freedom“. Seine größte Leistung in seinen Augen? „Ehemann ein und derselben Frau, Vater von vier und Großvater von acht Kindern“ zu sein.
Christoph von Marschall ist USA-Korrespondentdes Berliner Tagesspiegels in Washington
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