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Uniformen - Kleider der Macht

Soldaten, Stewardessen und Karrieristen: Uniformen prägen unseren Alltag - mal mehr, mal weniger subtil. Was drücken die Uniformierten durch ihre Kluft aus?

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Anne Waak ist freie Journalistin in Berlin. Sie schreibt am liebsten über Mode und Pop

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Sie hat nicht den besten Ruf. In einer pluralistischen Postmoderne gilt die Uniform als Merkmal von Vereinheitlichung, Vermassung und Identitätslosigkeit. Soldaten tragen sie, Häftlinge, Sektenmitglieder: alle, die – freiwillig oder nicht – Freiheiten abgegeben haben.

Die Uniform, deren Zweck es ist, nach außen Zugehörigkeit zu vermitteln und nach innen Korpsgeist, scheint unvereinbar mit der Mode, die Individualität und Selbstausdruck verheißt.

Und doch fasziniert sie die Designer: So zeigte das Modelabel Hugo Boss im Februar während der New York Fashion Week schwarze und beige Mäntel mit Ledergürteln und Schulterklappen. Der neue Boss-Chefdesigner Jason Wu hatte damit sicher nicht vor, an die dreißiger Jahre zu erinnern, als Boss die Uniformen für die Angehörigen der Wehrmacht, der SS und sogar der Hitler-Jugend produzierte. Vielmehr steht die Militäruniform für Strenge, Disziplin und durch ihren speziellen Minimalismus auch für Eleganz – Attribute, die Wu als typisch für die deutsche Marke erachtet.

Auf den ersten Blick ist der sogenannte Military-Stil ein Unisex-Look – einer, der Geschlechtsunterschiede einebnet. Doch wenn Victoria Beckham ein tarngrünes Kleid mit Gürtel und Brustplatten über den Laufsteg schickt, überträgt sie diese männlich-militärischen Elemente auf die Frauenmode, die trotz Hochgeschlossenheit und Überknielänge sexy wird.

Wie die Modetheoretikerin Barbara Vinken unlängst darlegte, leisten es sich Frauen, die ihren Mann stehen, inzwischen, sich ganz als Frau anzuziehen. Und tragen im Beruf eben keinen Hosenanzug und kein Kostüm mehr, sondern das Allerweiblichste überhaupt: ein Kleid. Damit reklamieren sie für sich das Recht, weiblich aussehen zu dürfen, ohne ihre Autorität zu gefährden. Um als Businesskleidung geeignet zu sein, muss ein Kleid aber mit Macht aufgeladen werden. Das leisten die der Uniform entliehenen Versatzstücke.

Vor 200 Jahren wurde in Preußen versucht, ein einheitliches Nationalkostüm durchzusetzen


Frühformen der Uniform gab es bereits in der römischen Legion. Um Tausende Soldaten auszustatten, war es günstiger, auf einheitliche Kleidung zurückzugreifen. Mit dem Untergang des Römischen Reiches geriet die Uniform zunächst in Vergessenheit. Später sollte das Militär sogar entscheidenden Einfluss auf die serielle Produktion von Konfektionskleidung haben. So war es Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der Anfang des 18. Jahrhunderts die Soldaten seines stehenden Berufsheers vermessen und einkleiden ließ und so den Weg für standardisierte Kleidergrößen ebnete.

Vor 200 Jahren wurde in Preußen sogar der aus heutiger Sicht amüsante bis beängstigende Versuch unternommen, ein einheitliches Nationalkostüm durchzusetzen. In der Bevölkerung herrschten aufgrund der Vormachtstellung des napoleonischen Frankreichs eine diffuse Unzufriedenheit und das Gefühl, identitätslos zu sein. Nachdem sich Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen geben musste, erwachte 1813 ein neues deutsches Nationalbewusstsein. In der Folge sollte nicht nur die Sprache von fremdländischen, sprich französischen Einflüssen gesäubert, auch die Erscheinung sollte „deutsch“ werden.

Sogar Modezeitschriften wurden gemahnt, zur Popularisierung der Einheitskleidung beizutragen. Dabei war beiden Seiten bewusst, dass Publikationen wie das Journal des Luxus und der Moden oder die Allgemeine Moden-Zeitung damit an ihrer eigenen Abschaffung arbeiteten. Denn wo eine Volksuniform, da keine Modeindustrie und keine Magazine. Aber die Gazetten erwiesen sich als langlebiger als die Idee von der Volkstracht. Denn die war mit den Ergebnissen des Wiener Kongresses schon ein Jahr später wieder gestorben.

Eine militärische Uniform signalisiert Macht. Wer sie trägt, vermittelt Autorität, Professionalität und Sicherheit. Als sich in den neunziger Jahren die Zahl der Zwischenfälle mit gewalttätigen Passagieren im internationalen Flugverkehr mehr als verdreifachte, statteten viele Fluggesellschaften die Uniformen ihrer Stewardessen mit goldenen Ärmelstreifen aus. Denn militärisch-uniformierende Elemente haben sich als hilfreich erwiesen, um gegenüber potenziellen Gegnern, von betrunkenen Geschäftsfrauen bis hin zu Fanatikern, Macht zu demonstrieren. Aus dem gleichen Grund sind Piloten bis heute zum Tragen einer Mütze verpflichtet. Wer den Hut aufhat, sagt, wo es langgeht.

Doch wie kam der Hut überhaupt in die Luftfahrt? Um den Leuten am Anfang des 20. Jahrhunderts die Angst vor dem Fliegen zu nehmen, griff man auf das zurück, was sich in der Schifffahrt bewährt hatte: Das Flugzeug nannte man Luftschiff, der diensthabende Pilot hieß Kapitän, und wie dieser trug er mit einer marineblauen Uniform militärische Dienstkleidung. Als die Lufthansa 1928 zwei Jahre nach ihrer Gründung den Bordservice einführte, war dafür zunächst ein Schiffssteward zuständig, dessen Bodenuniform ebenfalls aus einem dunkelblauen Dienstanzug mit einreihigem Jackett bestand, das an Bord durch eine weiße Servierjacke ersetzt wurde.

Als man in den USA damit begann, Frauen mit dem Dienst im Flugzeug zu betrauen, engagierte man ausgebildete Krankenschwestern, die während des Dienstes ihre weiße Schwesterntracht trugen. Schnell merkten die Verantwortlichen der Fluggesellschaften, dass die Kittel den Fokus zu sehr auf die Risiken des Fliegens lenkten.

Emilio Pucci designte die erste modische Stewardessen-Uniform


Die erste genuine Stewardessen-Uniform, die Boeing Air Transport 1930 einführte, bestand aus einem dunkelgrünen Kostüm mit zweireihiger Jacke und zwei Fliegernadeln am Revers, knielangem Faltenrock und weicher Kappe. Mit freundlichem Lächeln und ansprechendem Äußeren sollten die Damen die überwiegend männlichen Fluggäste die Gefahren des Fliegens vergessen lassen.

Richtig modisch wurde die Stewardess erst Mitte der Sechziger, als die texanische Fluggesellschaft Braniff International den italienischen Modedesigner Emilio Pucci engagierte, auf dass er die Uniformen zeitgemäß machte. Das hieß: pinke Kostüme mit Miniröcken, grüne Stiefeletten und durchsichtige Plastikhelme – es war die große Zeit der Raumfahrt. Das Ganze war so erfolgreich, dass andere nachzogen: TWA beauftragte Pierre Balmain, Scandinavian Airlines den jungen Christian Dior.

Mit der Hinwendung zu jugendlich-modischen Outfits erlitten die Stewardessen allerdings einen Autoritätsverlust, der sie anfälliger für männliche Übergriffe machte. Erst Ralph Lauren kehrte 1978 unter dem Eindruck der Emanzipation, aber auch der Ölkrise und erster Terroranschläge zurück zu einem Stil, der „der Uniform wieder einen Hauch von ‚Uniform‘“ verlieh, wie es in einer Presseerklärung von TWA hieß.

Laut dem britisch-schweizerischen Philosophen Alain de Botton liegt der erotische Appeal der Uniform in der Diskrepanz zwischen der rationalen Kontrolle begründet, die Uniformen symbolisieren, und der ungezügelten sexuellen Leidenschaft, die dabei zeitweise die Oberhand gewinnen kann. Und sei es in der Fantasie. Denn im täglichen Leben begegnen uns Uniformträger meist mit geschäftsmäßiger Indifferenz. „In unseren Sex-Spielchen aber können wir das Drehbuch umschreiben“, schreibt de Botton in seinem Essay „How To Think More About Sex“. „Die Krankenschwester will so dringend mit uns schlafen, dass sie vergisst, die Blutprobe zu nehmen; der Kapitalist lässt einmal alle Erwägungen in Sachen Geld beiseite und fegt seinen Computer vom Schreibtisch, um uns leidenschaftlich zu küssen. Intimität gewinnt, zumindest symbolisch, über Status und Verantwortung.“

Der Beantwortung der Frage, warum sich die Militärkluft bei Diktatoren so großer Beliebtheit erfreut, widmet sich der britische Autor Pete York in seinem Buch „Dictator Style: Lifestyles of the World’s Most Colorful Despots“. Indem Männer wie Idi Amin, Muammar al‑Gaddafi und Robert Mugabe fast schon flamboyant überdekorierte Uniformen tragen, zeigen sie, wie wenig sie sich um gängige Regeln kümmern – weder die der Mode noch die des internationalen Rechts. Amin ließ angeblich sogar seine Uniform verlängern, um genug Platz für all seine selbst verliehenen Orden zu haben.

Politiker signalisieren mit ihrer Kleidung wenig Eitelkeit
 

Demokratische Politiker hingegen signalisieren mit ihrer möglichst unauffälligen Kleidung, dass ihnen weniger an der eigenen Eitelkeit gelegen ist als an den Interessen derer, die sie repräsentieren. Womit wir bei denen wären, denen wir unser Geld anvertrauen sollen: den Bankern. Als ungeschriebene Regel gilt hier bei Männern allein der dunkle Anzug als angemessene Arbeitskleidung, die Garderobe der Frauen orientiert sich weitgehend daran. Als eine Erfindung des ausgehenden 18. Jahrhunderts beruht die Seriosität des Anzugs auf den bürgerlichen Idealen der Zurückhaltung und Mäßigung, des Puritanismus und Protestantismus. Denn bis zur Französischen Revolution demonstrierten beide Geschlechter ihren Reichtum in prächtigen und farbenfrohen Kleidern. Ausnahme war lediglich die Sportbekleidung des englischen Landadels, die aus einem wollenen Reitanzug bestand.

Nachdem der Adel mit all seinem nutzlosen Luxus in Verruf geraten war, teilte sich die Welt. Und zwar in den unvernünftigen Teil, den allein die Frau weiter bewohnen durfte, und den vernünftigen, den der Mann beherrschte. Und der trug mattes Tuch, einfarbig, schlicht geschnitten. Der Begriff „Anzug“ hatte bis dahin die als Einheit getragene Kleidung wie die beim Militär bezeichnet. Nun stand sie für die Kombination von langer Hose, Jackett und Weste. Der Business-Anzug ist heute selbst eine Uniform geworden, die nur durch die Wahl der Krawattenfarbe individualisiert und höchstens am Casual Friday abgelegt werden darf.

1996 führte die Deutsche Bank versuchsweise sogenannte Bankingshops ein. Dabei handelte es sich um räumlich sehr offene Filialen, aus denen die Bankangestellten auch heraustreten mussten, um auf der Straße Neukunden zu werben. Das machte die Einführung noch einheitlicherer Kleidung notwendig – dunkelblaue Anzüge und Kostüme mit blau-weiß gestreiften Hemden oder Blusen.

Man spielte sogar mit dem Gedanken, die Uniform deutschlandweit in allen Filialen durchzusetzen. Der Betriebsrat jedoch wehrte sich gegen die „Corporate Fashion“. In dem gleichnamigen Buch der Kulturanthropologin Regina Henkel, das sich der Erforschung von Unternehmensuniformen widmet, wird ein Banker zitiert. Noch in der Rückschau zeigt er sich fassungslos angesichts der Idee einer einheitlichen Bekleidung: „Grauenhaft. Was hat man denn noch für Freiheiten hier im Job?“ Es scheint, als habe die Uniform selbst unter Uniformierten ein echtes Imageproblem.

 

 

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