Schädel in einem Grab
Gebeine unbekannter sowjetischer Soldaten, die 1942 bei der Schlacht um Stalingrad ihr Leben ließen / Fotos: Stanislav Rupar

Zweiter Weltkrieg - Die Knochenjäger

Vor einhundert Jahren wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gegründet. Nach dem Ende der Sowjetunion kümmerte sich der Verband auch um die Überreste von Millionen deutscher Gefallener der Ostfront. In Russland inspirierte das eine nationale Bewegung. Junge Russen machen sich nun auf die Suche nach den eigenen Vermissten

Portraet Carsten Stormer

Autoreninfo

Carsten Stormer ist Journalist, Buchautor und Dokumentarfilmer. Er lebt auf den Philippinen

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Was für eine Scheißhitze. Schweiß läuft Vladislav Kuzmin von der Stirn, sammelt sich in der Augenbraue und fällt dann als dicker Tropfen in den Staub. Seit sieben Uhr morgens gräbt er sich durch den sandigen Boden. Das Steppengras pikt durch den Stoff der Hose. Alle paar Sekunden fiept der Metalldetektor. Dann buddelt er ein Loch, holt Patronen, Knochensplitter, eine Granate hervor. Das war’s. Kein Skelett, keinen toten Soldaten, keinen Vermissten. So geht das seit Tagen. Andere hatten mehr Glück. Sogar einen deutschen Landser hat eine Gruppe gefunden, samt Kennmarke. Egal. Weitermachen. Das Thermometer zeigt jetzt schon 35 Grad Celsius.

Vladislav Kuzmin ist ein bulliger Mann, Sonnenbrand auf Stirn und Unterarmen, dem ein bisschen Hitze nichts anhaben kann. Er ist der Grabungsleiter einer Sucheinheit, die sich „Kampfbruderschaft“ nennt. Sechs Männer, zwei Frauen. Sie sind alte Freunde und allesamt glühende Patrioten: Oleg, der Busfahrer; der schmale Raphael, der gerne Wodka trinkt; die schöne Reila; die 74-jährige Dichterin Rimma Troitskaia – und ein Franzose. Jedes Jahr im August treffen sie sich mit anderen Freiwilligengruppen zu einer Expedition in die Vergangenheit, um in der Steppe bei Wolgograd nach den Vermissten des Zweiten Weltkriegs zu graben. Kuzmin hat als Soldat in Somalia und Syrien gedient. Jetzt verbringt er seine Sommerurlaube auf den alten Schlachtfeldern bei Stalingrad.

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helmut armbruster | Mi., 11. Dezember 2019 - 17:20

Mein Onkel liegt dort auch irgendwo. Es gibt nur eine Fotografie des Grabes. Der Soldatenfriedhof ist längst platt gemacht.
Aber er hat dort seine Ruhe, mit oder ohne Grab.
Hoffentlich finden ihn diese Knochengräber nicht.
Ich finde es ist respektlos den Toten ihre Ruhe zu nehmen, aus welchen Gründen auch immer.