- Was mich beim Schreiben braucht
Kathrin Schmidt über die Dinge, die sie beim Schreiben brauchen
Zunächst mein Stuhl. Grau, mit einem Zigarettenbrennloch im Stoff. Er braucht mich, um sich seiner selbst zu vergewissern. Wenn ich mich hineinsetze, knarzt er erst einmal, ehe er mir die Lehne reicht, für den lieben Nichtsnutz. Der liebe Nichtsnutz ist meine rechte Hand seit einigen Jahren, sie schreibt nicht mehr und thront auf der Lehne als eine Königin, die arbeiten lässt. Die linke wirft den Laptop an. Alle Mitglieder meiner Familie besitzen solch ein Gerät, und alle nennen es Rechner. Für mich ist es ein Schreiber. Der Schreiber braucht nur mich, denn nur ich kenne das Passwort, auf das er begierig wartet. Er zeigt auf dem Schirm an, was er möchte. Heute fällt mir zum Glück auf, was dem abgebrochenen Satz von gestern fehlt, der einfach kein Ende nden wollte.
Der Sinn. Der Schreiber offeriert mir gnadenlos die Löschung. So geht das oft mit uns. Ja, er braucht mich. Wie der Tee. Wenn mein Blick auf Irish Breakfast fällt im teeüberfüllten Schrankfach, schickt er sogleich in vorauseilender Demut eine Ahnung seines vollen, malzigen Geschmacks in Richtung meiner Zungenknospen, er möchte einfach getrunken werden, während ich schreibe, und so komme ich seinem Wunsch nach und brühe mir eine große Kanne auf, die ich vorsichtig hinauf in mein Arbeitszimmer trage. Dort stelle ich ihn auf die breite Ablage über dem alten Radio mit den beiden großen Boxen. «Rema Andante». Hervorragender Ton, vorletztes Jahr aus zwei Altgeräten zusammengebaut vom ortsansässigen Rundfunk- und Fernsehgerätemechaniker. Ach, wie dieses Radio mich beim Schreiben braucht! Es lässt seine Knöpfe blinken und lädt mich ein, meist zu Jazz, der so herrlich den Rhythmus vorgibt, in dem die Finger sich dann über die Tastatur bewegen.
Spätestens beim Tee melden sich meine Schuhe. Feste, lederne Hausschuhe mit Schaffellfutter. Zum Rumlaufen, Treppensteigen oder Postholen können sie nichts mit mir anfangen, sie werden lästig, lassen die Füße jucken oder schwitzen, bestehen darauf, sofort ausgezogen zu werden. Wenn sie jedoch merken, dass ich ohne sie am Schreibtisch sitze, lassen sie augenblicklich meine Füße eiskalt werden. Zum Anziehen braucht es einen Schuhlöffel, aber sobald sie sich fest um Ferse und Spann schließen, erinnern sie mich wohl unterschwellig auf schönste Weise daran, dass alles eine Grenze hat. Während ich beim Schreiben an Grenzen nicht denke, halten sie meine Füße fest. Das ist anstrengende Arbeit, weshalb sie sich erholen müssen, sobald ich vom Schreibtisch aufstehe. Geduldig, wie Schafe eben sind, verrichten sie Tag für Tag ihren Dienst, den sie brauchen, um altern zu können.
Und mein Schlaf? Früh schon verzieht er sich und ist froh, nichts mit mir zu tun zu haben, während ich arbeite. Manchmal wünschte ich mir, er käme einfach vorbei und legte meinen Kopf auf den Tisch für eine halbe Stunde. Ich weiß nicht, was er gegen mich hat. Selbst wenn ich längst im Bett liege, lässt er sich Zeit. Schade, dass er mich nicht braucht.
Der Sinn. Der Schreiber offeriert mir gnadenlos die Löschung. So geht das oft mit uns. Ja, er braucht mich. Wie der Tee. Wenn mein Blick auf Irish Breakfast fällt im teeüberfüllten Schrankfach, schickt er sogleich in vorauseilender Demut eine Ahnung seines vollen, malzigen Geschmacks in Richtung meiner Zungenknospen, er möchte einfach getrunken werden, während ich schreibe, und so komme ich seinem Wunsch nach und brühe mir eine große Kanne auf, die ich vorsichtig hinauf in mein Arbeitszimmer trage. Dort stelle ich ihn auf die breite Ablage über dem alten Radio mit den beiden großen Boxen. «Rema Andante». Hervorragender Ton, vorletztes Jahr aus zwei Altgeräten zusammengebaut vom ortsansässigen Rundfunk- und Fernsehgerätemechaniker. Ach, wie dieses Radio mich beim Schreiben braucht! Es lässt seine Knöpfe blinken und lädt mich ein, meist zu Jazz, der so herrlich den Rhythmus vorgibt, in dem die Finger sich dann über die Tastatur bewegen.
Spätestens beim Tee melden sich meine Schuhe. Feste, lederne Hausschuhe mit Schaffellfutter. Zum Rumlaufen, Treppensteigen oder Postholen können sie nichts mit mir anfangen, sie werden lästig, lassen die Füße jucken oder schwitzen, bestehen darauf, sofort ausgezogen zu werden. Wenn sie jedoch merken, dass ich ohne sie am Schreibtisch sitze, lassen sie augenblicklich meine Füße eiskalt werden. Zum Anziehen braucht es einen Schuhlöffel, aber sobald sie sich fest um Ferse und Spann schließen, erinnern sie mich wohl unterschwellig auf schönste Weise daran, dass alles eine Grenze hat. Während ich beim Schreiben an Grenzen nicht denke, halten sie meine Füße fest. Das ist anstrengende Arbeit, weshalb sie sich erholen müssen, sobald ich vom Schreibtisch aufstehe. Geduldig, wie Schafe eben sind, verrichten sie Tag für Tag ihren Dienst, den sie brauchen, um altern zu können.
Und mein Schlaf? Früh schon verzieht er sich und ist froh, nichts mit mir zu tun zu haben, während ich arbeite. Manchmal wünschte ich mir, er käme einfach vorbei und legte meinen Kopf auf den Tisch für eine halbe Stunde. Ich weiß nicht, was er gegen mich hat. Selbst wenn ich längst im Bett liege, lässt er sich Zeit. Schade, dass er mich nicht braucht.
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